Mittwoch, 24. April 2024

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"Body-Bilder"
Körperproduktion in Echtzeit

Egal ob Instagram, Tiktok oder Youtube – überall warten perfekt gestählte, muskelbepackte Körper auf uns. Der Kunsthistoriker und zertifizierte Fitness-Trainer Jörg Scheller hat in seinem Buch "Body-Bilder" untersucht, wie sich die Digitalisierung auf unsere Körperbilder ausgewirkt hat.

Jörg Scheller im Gespräch mit Adalbert Siniawski | 06.04.2021
Amir Abed während eines israelisch-arabischen Bodybuilder-Wettbewerbs im Juni 2016.
Pumpen-Posieren-Posten - der ewige Kreislauf der Fitness-Influencer (EPA/ Abir Sultan)
Männer die mit freiem Oberkörper und angespannten Muskeln auf einem Gletscher posieren sind für Jörg Scheller "Austellungsmenschen", die sich und ihren Körper inszenieren, genau so wie Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in einer Ausstellung inszenieren. Auch er selbst schließt sich davon nicht aus, setzt seine Muskeln in Szene - er ist immerhin vom Fach und nicht nur zertifizierter Fitnesstrainer, sondern auch seit seinen Teenagerjahren im Kraftsport und Bodybuilding unterwegs. Aber eben nicht nur: Jörg Scheller lehrt auch an der Züricher Hochschule der Künste.
Der Kunstwissenschaftler Jörg Scheller, im T-Shirt mit Brille
Kunsthistoriker Jörg Scheller (Jörg Scheller)
Vor allem in Deutschland seien Selbstoptimierung durch Fitness und die humanistische, bildungsbürgerliche Kultur ein klassistischer Gegensatz. Man schaue auf diejenigen, die ihren Körper optmieren, herab. Das liege auch daran, dass sich das Bildungsbürgertum von denjenigen abgrenzen möchte, die mit ihrem Körper arbeiten statt mit ihrem Geist.

Teil der Cyborgisierung

Den Körper zu optimieren, ihn zur Schau zu stellen, ist übrigens kein Phänomen, das es erst seit den sozialen Netzwerken gibt. Was allerdings neu sei, so Jörg Scheller, sei die Technologisierung. Die Bildapparate seien mit den Körpern verwachsen, sodass es eine Bildproduktion in Echtzeit gebe, aber eben auch eine Körperproduktion in Echtzeit.
Jörg Scheller: "Body-Bilder", Reihe: Digitale Bildkulturen.
Verlag Klaus Wagenbach, 2021. 80 Seiten, 10 Euro.