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Börsenverein: Das klassische Buch hat nicht abgedankt

Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sieht aktuelle Entwicklungen in der Buchbranche bei der Buchmesse in Frankfurt gut ablesbar. So seien es in der Zwischenzeit nur noch 40 Prozent der klassischen Bücher, die gezeigt würden. Ein deutlicher Schwerpunkt seien digitale Produkte wie E-Books. Dennoch werde es auch in Zukunft beide Formen des Buches parallel geben.

Gottfried Honnefelder im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Wenn man die Zahlen hört, die verbranntes Geld beziffern oder Summen, die das verbrannte Kapital und den neuen Kapitalfluss wieder beleben sollen, also Milliardenbeträge, da sind die Zahlen des Buchmarktes nur Zwerge. Rund 80.000 neue Titel erscheinen in Deutschland jährlich. Auf dieser Buchmesse werden 400.000, wie es heißt, Produkte präsentiert von rund 7000 Ausstellern. Aber nur noch 40 Prozent der Produkte sind Bücher. Bei 30 Prozent handelt es sich um Digitales. Gottfried Honnefelder, als Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sprechen Sie für das gesamte Verlagswesen, kann man sagen, und den Buchhandel. Welchen Stand hat das Buch, und darüber sollten wir zuerst reden, das gedruckte Buch, das Sachbuch, die Belletristik, auch die Kinderliteratur im Herbst 2008 in Deutschland?

    Gottfried Honnefelder: Jedenfalls nicht das Bild, was zwei Zahlen wie 40 und 30 angeben. Wenn das so wäre in dieser Welt, dann würden wir anders leben. Das sind Zahlen, die sich auf eine Buchmesse bezogen haben, und die Ergebnisse von Produkten spielen, die Sie hier vorfinden. Ob das in Titeln oder in Mengen gedacht ist, weiß ich auch nicht. Wir sollten uns, glaube ich, nicht allzu sehr an diesen Zahlen festmachen. Was stimmt, ist, dass in der Zwischenzeit auf einer Buchmesse wie der Frankfurter Buchmesse sehr viel mehr elektronische Produkte gezeigt werden als klassische Printbooks. Das ist überhaupt keine Frage. Die Veränderung, die können wir hier sehen, wenn wir durch die Hallen gehen. Aber das, was der Vergleich so etwas insinuiert, ist, dass heimlich schon das Buch etwas abgedankt hätte. Ich glaube, dass das nicht der Fall ist.

    Der Hessische Rundfunk sagte, der Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse ist das E-Book. Eine falschere Aussage kann ich gar nicht mir vorstellen. Der Mittelpunkt der Frankfurter Buchmesse sind nahezu 400.000 neue Bücher, die hier vorgestellt werden. Das E-Book, das gibt es noch gar nicht, und wenn es das gibt, dann ist der Mittelpunkt des Gespräches, über dessen Zukunft sich im Augenblick Verleger und Buchhändler und die Kritiker Gedanken machen.

    Schmitz: Reden wir zuerst mal über das Book, zuerst mal das Buch, das gedruckte Buch.

    Honnefelder: Ja.

    Schmitz: Der Stand 2008 in Deutschland. Ist die Branche zufrieden, sind die Titel gut? Ist die deutsche Literatur stark? Wird ausreichend aus anderen Sprachen übersetzt?

    Honnefelder: Das sind eine Reihe Fragen. Ich fang mal an. Das Buch hat im vergangenen Jahr einen Zuwachs gehabt von 3,4 Prozent. Das ist in unseren Zeiten ungewöhnlich hoch. In den beiden Jahren davor war es erst stagnierend. Es war es gerade mal ein Prozent oder sogar nur ein halbes. In diesem Jahr rechnen wir das Ergebnis bis Ende September hoch auf 1,4 Prozent. Jetzt muss man abwarten, wie die drei Monate, die die wichtigsten für die Bücher im Jahre sind, wie die verlaufen. Ich rechne also auch damit, dass wir in diesem Jahr ein sehr gutes Ergebnis haben. Wenn man diese beiden Jahre sieht und dann die Auguren sich anschaut, die sagen, die digitale Welt frisst die Printwelt auf, da sieht man, was in den Köpfen an Schaden über diesen Medienwandel angerichtet ist. Denn seitdem wir das Radio erfunden haben, in dem wir heute sprechen oder das Fernsehen oder die ganzen digitalen Medienwandel, die wir hinter uns haben, aus jedem dieser Wandel ist das Buch nämlich nie schwächer herausgekommen, sondern immer stärker.

    Schmitz: Haben Sie das Gefühl, dass die Leser spüren, dass hier im Buch sozusagen eine Insel der Ruhe, der Besinnung, des intellektuellen Innehaltens, des Sich-Besinnens auf ein Thema nach wie vor ganz stark präsent ist, dass man den Wirbel eigentlich doch gar nicht letztlich braucht, das schnelle Klicken am PC?

    Honnefelder: Na ja. Das wäre mir ein bisschen etwas zu pastorales Bild, aber in der Idee haben Sie schon recht. Man weiß, dass im gedruckten Buch gewissermaßen die Mutter aller Bücher hat, wenn Sie das nehmen wollen. Ob Sie heute einen Film schauen oder ob Sie auf einem E-Book einen Inhalt haben, es ist allemal dahinter ein Buch, in welchem Format auch immer. Und dass die Menschen sich im Augenblick noch beim Print wohlfühlen, das ist doch nur allzu verständlich.

    Schmitz: Hier geredet wird über Print, aber auch über das elektronische Buch, das man abrufen kann. Die Digitalisierung der Schrift des Buches nimmt auch zu. Wie ist die Lage heute oder die Entwicklung? Kann man sagen, dass in so und so vielen Jahren, in fünf Jahren der Anteil der digitalen Bücher, die man aus dem Internet herunterladen kann, auf seinen PC oder auf seinem Notebook oder auf das E-Book, auf das Lesegerät, dass das im starken Maße zunehmen wird?

    Honnefelder: Ganz gewiss nimmt es in starkem Maße zu. Nur im Augenblick konzentriert sich die Diskussion auf ein E-Book, was eigentlich so viel Neues gar nicht ist. Seit zwölf, 15 Jahren haben die Wissenschaftsverlage zumal längst ganze volle Inhalte von Büchern elektronisch weitergegeben. Was mit dem E-Book, im Übrigen auch die zweite Generation, das gab es auch schon vor ein paar Jahren, was jetzt der Fall ist, ist, dass wir ein wirklich technisch-raffiniertes, taugliches, gutes Gerät haben, es ist wunderbar.

    Schmitz: Das wird auf der Messe vorgestellt. Es gibt in der Praxis ja noch nicht. Dieses Lesegerät meinen Sie?

    Honnefelder: Nein, ich meine jetzt das Kindel oder auch das von Sony. Es gibt ja sechs Firmen, die entsprechende Geräte haben. Die sind alle technisch sehr interessant. Sie sind alle technisch sehr hässlich, das nebenbei auch noch mal gesagt. Aber, nun gut, das wird sich auch noch ändern. Aber die Frage, ob von diesen Geräten die Zukunft bestimmt wird, ist gar nicht die Frage. Sondern es ist nur eine Technik, die es sonst, ich sage es noch mal, längst schon gibt und jetzt für einen Massenmarkt infrage kommt. Und das ist der Punkt. Wir haben jetzt einen Massenmarkt erreicht, wo jeder Mann seinen Roman entweder so oder so oder abwechselnd mal so und mal so lesen kann.

    Schmitz: Wie muss denn der Buchhandel oder auch das Verlagswesen insgesamt nun agieren, um nicht in die Falle zu tappen, in die die Musikbranche getappt ist, nämlich dass alles kostenlos einfach so heruntergeladen wird und keine CDs, keine Musik-CDs mehr praktisch verkauft werden? Aber Sie wollen ja Bücher verkaufen? Sie kommen ja nicht darum herum, dass Sie dennoch eine Software bzw. digitale Inhalte zur Verfügung stellen müssen und die runtergeladen werden, für die keiner Geld mehr verdient?

    Honnefelder: Das ist die wichtigste Frage, glaube ich, im Augenblick. Die Frage, ob das E-Book das klassische Buch ersetzt, ist eigentlich obsolet. Sie wird es nicht tun, sondern wir werden beides nebeneinander haben. Aber ob wir im Netz eine Kultur bekommen werden, die in etwa der entspricht, die wir für das gedruckte Buch seit 200 Jahren haben, was die Rahmenbedingungen angeht, die Gesetze angeht …

    Schmitz: Geistiges Eigentum.

    Honnefelder: … das geistige Eigentum, das, was Sie erwähnen, vor allem. Das ist die offene Frage der Zukunft.

    Schmitz: Die auch Gottfried Honnefelder nicht beantworten kann, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Vielen Dank für das Gespräch!