Herzog von Gloucester, von Natur aus hässlich und missgestaltet, ist gewillt, "ein Bösewicht zu werden". Sein Ziel ist die Königskrone. Dafür müssen aber erst mehrere Familienmitglieder aus dem Weg geräumt werden. Seine ersten Opfer auf seinem blutrünstigen Weg sind seine beiden Brüder Georg, Herzog von Clarence und der regierende König Eduard IV. sowie dessen Kinder. Nicht enden will seine Lust an der Zerstörung, bis ihm blutig entrissen wird, was er blutig erlangte.
Mit Richard III. schuf Shakespeare den größten und faszinierenden Schurken der Weltliteratur, dessen Blutgier und Skrupellosigkeit grenzenlos sind. Gleichzeitig ist sein Handeln durch seine geistige Überlegenheit, seine Rhetorik und seinen Willen, die vorbestimmte Ordnung zu zerstören bestimmt.
Schon vor einem Jahr hat Christian Stückl die Saison seines Münchner Volkstheaters mit Nico Holonics in einer Titelrolle eröffnet. Da hatte er ihn zusammen mit drei anderen jungen Darstellern frisch von der Ernst-Busch-Schule in Berlin engagiert. Stückl besetzte mit diesem Kleeblatt durchaus erfolgreich die großen Rollen in seiner Inszenierung von Schillers Don Carlos und blieb damit zugleich seinem Konzept treu, sein Haus mit einem sehr jungen Ensemble und - abgesehen von ihm selbst - mit sehr jungen Regisseuren zu bestreiten.
Und nun spielt der gerade einmal 24-jährige Nico Holonics Shakespeares bösesten Bösewicht und so jung wie er selbst, so jung sind auch die Figuren, die ihn umgeben, die ihm auf seiner ebenso unbeirrten wie blutigen Bahn auf dem Weg an die Macht folgen, oder von ihm aus dem Weg geräumt werden. Das ist ganz gegen die gewohnte Rezeption, spielen doch zumeist bekannte Bühnenstars in ihren besten Jahren und selten vor gestandenen 40 diese Rolle. Und so zeigt Christian Stückl mit seinem Ansatz, dass auch eine sehr junge Generation diesen unbedingten und über Leichen gehenden Machtwillen haben kann, wobei sich dieser Machwille ja beim Grafen Gloucester, der einmal Richard III. sein will, noch mit jener existenziellen Langeweile paart, die Ungeheuer gebiert:
"Roh gehauen, fein geschnitten nicht, unfähig tänzelnd Weiber zu hofieren, ich nun in diesem schlaffen Friedenstralala weiß keine Lust die Zeit mir zu vertreiben, als meinen eigenen Schatten in der Sonne sehen. Und meine eigene Missgestalt erörtern."
Doch diese Missgestalt, von der Shakespeares Horrorgraf hier spricht, muss eine rein innere sein, denn Regisseur Christian Stückl hat seinem Richard die sonst gewohnte körperliche Missbildung vorenthalten. Kein Buckel, kein Hinken: dieser Richard ist kein Monster, das zu verkörpern diese Rolle sicherlich so reizvoll macht für Schauspieler, kein Monster also, dessen Schicksalsversehrtheit jedoch das Böse in ihm immer auf eine ganz merkwürdige Weise zumindest teilweise entschuldigt. Nein: dieser Richard hier ist klein und schlank, frech und vorlaut, ein Hübscher auf alle Fälle und: ein wenig noch ein Milchbrötchen, ein Babybroker vielleicht, guckt man sich um im Heute, waren die doch gerade an der Macht.
Diesem Milchbrötchen allerdings glaubt man dann doch nicht so ganz die schon fast übernatürliche erotische Ausstrahlung, die er nach Shakespeare ja eigentlich haben sollte, schließlich verführt er etwa Lady Ann und der ließ er ja bekannter Maßen nicht nur den Vater ermorden, sondern metzelte ihr auch eigenhändig den Gatten.
Ann: "Und du passt für keinen anderen Ort als für die Hölle."
Richard: "Ich wüsste noch einen."
Ann: "Die Zelle."
Richard: "Dein Bett."
Dass hier gleich die hemmungslose Liebe lodern soll, glaubt man ohnehin nur selten, dann doch aber eher der ja oft grotesk großen Erotik eines entstellten Scheusals als diesem alerten bösen Bübchen. Trotzdem gelingen Nico Holonics immer wieder andere Nuancen dieser Figur, das Spielerische des Mordens etwa, hier probiert einer aus, wie weit er gehen kann, da ist das Bedenken noch nicht eingebaut und das Mitgefühl ohnehin unbekannt. Wenn der hier seine Opfer oder deren Leichen betrachtet, dann sieht man förmlich, da blinkt keine einzige Spiegelneurone in Barmherzigkeit.
Dafür serviert dieser Richard lieber gleich das Hirn eines seiner Opfer einer ausgewählten Tischgästen: Hirn mit leichter Vinaigrette und etwas Lavendel-Mousse. Das ist dann eine der eher grotesken Szenen, die sich Christian Stückl hinzuerfunden hat, um zu zeigen, die düstersten Abgründe des Menschen haben durchaus auch ihr Komisches. Doch endlich hat Richard das, was er will:
Buckingham: "Dann grüß ich euch mit diesem Fürstentitel, Gott schütze König Richard, Englands würdigen König. Amen"
Ist die Macht allerdings erst einmal erreicht, beginnt zugleich auch ihr Zerfall, oder zumindest die Angst davor. Wie als eine Metapher dafür hängt im Münchner Volkstheater im Bühnenhintergrund eine Schaukel, auf der sich auch gerade Richard immer wieder in höchste Höhen schaukelt. Doch wer hoch hinauf will, fällt bekanntermaßen auch hier immer wieder tief hinab. Und so endet auch dieser Richard schnell auf dem Schlachtfeld, wo er schließlich selbst abgestochen wird, nicht allerdings bevor er nicht sprichwortreif nach "einem Pferd" gewinselt hat, für das er - was sonst - sein Königreich geben würde.
Mit Richard III. schuf Shakespeare den größten und faszinierenden Schurken der Weltliteratur, dessen Blutgier und Skrupellosigkeit grenzenlos sind. Gleichzeitig ist sein Handeln durch seine geistige Überlegenheit, seine Rhetorik und seinen Willen, die vorbestimmte Ordnung zu zerstören bestimmt.
Schon vor einem Jahr hat Christian Stückl die Saison seines Münchner Volkstheaters mit Nico Holonics in einer Titelrolle eröffnet. Da hatte er ihn zusammen mit drei anderen jungen Darstellern frisch von der Ernst-Busch-Schule in Berlin engagiert. Stückl besetzte mit diesem Kleeblatt durchaus erfolgreich die großen Rollen in seiner Inszenierung von Schillers Don Carlos und blieb damit zugleich seinem Konzept treu, sein Haus mit einem sehr jungen Ensemble und - abgesehen von ihm selbst - mit sehr jungen Regisseuren zu bestreiten.
Und nun spielt der gerade einmal 24-jährige Nico Holonics Shakespeares bösesten Bösewicht und so jung wie er selbst, so jung sind auch die Figuren, die ihn umgeben, die ihm auf seiner ebenso unbeirrten wie blutigen Bahn auf dem Weg an die Macht folgen, oder von ihm aus dem Weg geräumt werden. Das ist ganz gegen die gewohnte Rezeption, spielen doch zumeist bekannte Bühnenstars in ihren besten Jahren und selten vor gestandenen 40 diese Rolle. Und so zeigt Christian Stückl mit seinem Ansatz, dass auch eine sehr junge Generation diesen unbedingten und über Leichen gehenden Machtwillen haben kann, wobei sich dieser Machwille ja beim Grafen Gloucester, der einmal Richard III. sein will, noch mit jener existenziellen Langeweile paart, die Ungeheuer gebiert:
"Roh gehauen, fein geschnitten nicht, unfähig tänzelnd Weiber zu hofieren, ich nun in diesem schlaffen Friedenstralala weiß keine Lust die Zeit mir zu vertreiben, als meinen eigenen Schatten in der Sonne sehen. Und meine eigene Missgestalt erörtern."
Doch diese Missgestalt, von der Shakespeares Horrorgraf hier spricht, muss eine rein innere sein, denn Regisseur Christian Stückl hat seinem Richard die sonst gewohnte körperliche Missbildung vorenthalten. Kein Buckel, kein Hinken: dieser Richard ist kein Monster, das zu verkörpern diese Rolle sicherlich so reizvoll macht für Schauspieler, kein Monster also, dessen Schicksalsversehrtheit jedoch das Böse in ihm immer auf eine ganz merkwürdige Weise zumindest teilweise entschuldigt. Nein: dieser Richard hier ist klein und schlank, frech und vorlaut, ein Hübscher auf alle Fälle und: ein wenig noch ein Milchbrötchen, ein Babybroker vielleicht, guckt man sich um im Heute, waren die doch gerade an der Macht.
Diesem Milchbrötchen allerdings glaubt man dann doch nicht so ganz die schon fast übernatürliche erotische Ausstrahlung, die er nach Shakespeare ja eigentlich haben sollte, schließlich verführt er etwa Lady Ann und der ließ er ja bekannter Maßen nicht nur den Vater ermorden, sondern metzelte ihr auch eigenhändig den Gatten.
Ann: "Und du passt für keinen anderen Ort als für die Hölle."
Richard: "Ich wüsste noch einen."
Ann: "Die Zelle."
Richard: "Dein Bett."
Dass hier gleich die hemmungslose Liebe lodern soll, glaubt man ohnehin nur selten, dann doch aber eher der ja oft grotesk großen Erotik eines entstellten Scheusals als diesem alerten bösen Bübchen. Trotzdem gelingen Nico Holonics immer wieder andere Nuancen dieser Figur, das Spielerische des Mordens etwa, hier probiert einer aus, wie weit er gehen kann, da ist das Bedenken noch nicht eingebaut und das Mitgefühl ohnehin unbekannt. Wenn der hier seine Opfer oder deren Leichen betrachtet, dann sieht man förmlich, da blinkt keine einzige Spiegelneurone in Barmherzigkeit.
Dafür serviert dieser Richard lieber gleich das Hirn eines seiner Opfer einer ausgewählten Tischgästen: Hirn mit leichter Vinaigrette und etwas Lavendel-Mousse. Das ist dann eine der eher grotesken Szenen, die sich Christian Stückl hinzuerfunden hat, um zu zeigen, die düstersten Abgründe des Menschen haben durchaus auch ihr Komisches. Doch endlich hat Richard das, was er will:
Buckingham: "Dann grüß ich euch mit diesem Fürstentitel, Gott schütze König Richard, Englands würdigen König. Amen"
Ist die Macht allerdings erst einmal erreicht, beginnt zugleich auch ihr Zerfall, oder zumindest die Angst davor. Wie als eine Metapher dafür hängt im Münchner Volkstheater im Bühnenhintergrund eine Schaukel, auf der sich auch gerade Richard immer wieder in höchste Höhen schaukelt. Doch wer hoch hinauf will, fällt bekanntermaßen auch hier immer wieder tief hinab. Und so endet auch dieser Richard schnell auf dem Schlachtfeld, wo er schließlich selbst abgestochen wird, nicht allerdings bevor er nicht sprichwortreif nach "einem Pferd" gewinselt hat, für das er - was sonst - sein Königreich geben würde.