Archiv


Bösewichter mit guten Absichten

Neurologie. - Die traditionelle Meinung will es, dass Zellen der körpereigenen Immunsystems im Gehirn problematisch sind, weil sie durch ihr aggressives Vorgehen mehr Schaden als Nutzen im empfindlichen neuronalen Netzwerk anrichten. Eine Forscherin des israelischen Weizmann-Instituts in Rehovoth versucht diese traditionelle Sicht aufzubrechen.

    Professor Michal Schwartz glaubt, dass die Abwehrzellen im Krisenfall durchaus eine positive Rolle spielen, zum Beispiel bei einem Schlaganfall. "Dabei ist die Blutversorgung in einer definierten Region für einige Zeit blockiert", so Schwartz, "aber die Schäden entstehen nicht nur durch den Mangel an Sauerstoff, sondern auch durch körpereigene Substanzen, die im Zentrum des Schlaganfalls freigesetzt werden und die Schäden weiter verbreiten." Diese sekundäre Zerstörung ist oft viel größer als die durch den Sauerstoffmangel, da die Botenstoffe auch weiter entfernte Neuronen in den Selbstmord treiben. Wenn die Abwehrzellen diese Stoffe aufs Korn nehmen, grenzen sie also den Schaden ein. Genau das hat Schwartz in Experimenten am Sehnerv von Ratten belegt.

    Dabei gelten gerade diese Zellen als gefährlich, werden sie doch als Auslöser der Multiplen Sklerose angesehen. Doch Michal Schwarz ist davon überzeugt, dass es auch bei der Autoimmunität, der Reaktion des Abwehrsystems auf den eigenen Körper, auf die Dosis ankommt. Ist sie zu stark, entstehen Krankheiten wie die Multiple Sklerose, bestimmte Rheumaformen oder die erbliche Zuckerkrankheit. Genau kontrolliert können Abwehrzellen, die von körpereigenen Strukturen aktiviert werden, aber ausgesprochen nützlich sein. Schwartz: "Wir sehen die Autoimmunreaktion als eine Art Selbstreparatursystem des Körpers. Es kommt zur Hilfe, wenn das Gehirn von seinem Normalzustand abweicht."

    Wird das Immunsystem nämlich experimentell ausgeschaltet, kommt es bei einem Schlaganfall oder einer Nervenquetschung zu wesentlich größeren Schäden als bei funktionierendem Immunsystem. Umgekehrt, davon ist Michal Schwarz überzeugt, sollten sich die Probleme eindämmen lassen, wenn man das Immunsystem künstlich über eine Impfung aktiviert. In Tierexperimenten, die sie unter anderem auch gemeinsam mit deutschen Forschern durchgeführt hat, lässt sich das bei einer ganzen Reihe von Erkrankungen des Gehirns nachweisen, von Parkinson über den Schlaganfall bis hin zum grünen Star. Die Impfung hilft auch Ratten nach einer Verletzung des Rückenmarks. Schwartz: "Wenn wir das Immunsystem anfeuern laufen sie wieder, nicht wie gesunde Tiere, aber sie können sich viel besser bewegen."

    [Quelle: Volkart Wildermuth]