Mittwoch, 24. April 2024

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Böttger: "Bibliothek als Bildungseinrichtung ernst nehmen"

Zwar sei viel von Bildung die Rede, doch werde die Institution Bibliothek als Teil der Infrastruktur zuweilen vergessen, sagt der Präsident des europäischen Bibliothekenverbandes, Klaus Peter Böttger. Die Politik solle zum lebenslangen Lernen beitragen und Bibliotheken als Bildungseinrichtung weiterhin unterhalten.

Klaus Peter Böttger im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 24.10.2013
    Ulrike Burgwinkel: Unabhängig davon, wo man seinen Wohnsitz hat und wie man sein Leben als Studi finanziert bekommt, gehört die Unibibliothek garantiert zum festen Inventar! Als Besuchs- oder auch als Rückzugsort. Heute ist Bibliothekentag. Grund für uns in "Campus und Karriere" einmal nachzufragen, wie geht es denn den Bibliotheken in Deutschland? Sie stehen auf der Roten Liste bedrohter Kulturgüter wegen ständiger Sparvorgaben. Klaus Peter Böttger ist Leiter der Stadtbibliothek Essen und Präsident des europäischen Bibliothekenverbandes, guten Tag nach Essen!

    Klaus Peter Böttger: Schönen guten Tag nach Köln!

    Burgwinkel: Herr Böttger, wie steht es um die allgemeinbildende Institution Bibliothek in Deutschland?

    Böttger: Ja, es ist ja sehr viel von Bildung und der Notwendigkeit von Bildung die Rede, aber ich habe das Gefühl, dass dabei die Institution Bibliothek als Teil der Infrastruktur zuweilen vergessen wird. Insbesondere dann, wenn es um finanziell schwierige Zeiten geht.

    Burgwinkel: Und in solchen leben wir!

    Böttger: Ja, wir haben Haushaltskonsolidierungen, wir haben zwar Stärkungspakte, aber die sind umso schwieriger zu handeln, da dadurch die Auflagen beispielsweise für die Kommunen nur noch belastender werden und damit sogenannte freiwillige Aufgaben in der Diskussion stehen. Da die Bibliothek zu einer freiwilligen Aufgabe zählt, also es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, eine Bibliothek zu unterhalten, gerät man natürlich schnell auf die Streichliste.

    Burgwinkel: Und wie wirkt sich das dann ganz konkret aus zum Beispiel auch bei Ihnen?

    Böttger: Das Repertoire reicht im Grunde genommen von Personaleinsparung, die natürlich langfristige Möglichkeiten bieten, über die Reduzierung von Anschaffungsetats oder sonstiger, die halt für den Unterhalt der Bibliotheken notwendig sind.

    Burgwinkel: Ich hatte immer den Eindruck, dass Bibliotheken ja mittlerweile nicht so Sachen sind, wo nur Leseratten oder Bücherwürmer hinkommen, sondern man will ja auch junge Leute haben, das heißt, man hat auch elektronische Medien da. Und man muss das Portfolio erweitern und das geht ohne finanzielle Spritzen ja wohl gar nicht!

    Böttger: Da haben Sie völlig recht. Wir stehen vor der Herausforderung, dass ja die digitale Welt auch die Medienpalette erweitert hat, also wir so gesehen den Erwartungen unserer Kunden - ich mache gleich mal ein Beispiel - verdreifacht entgegenstehen. Also, wenn heute ein Belletristik-Bestseller auf dem Markt erscheint, so erscheint er gedruckt, er erscheint als Hörbuch und er erscheint hoffentlich als für Bibliotheken lizenzierbares E-Book. Das heißt, der Kunde entscheidet im Grunde genommen dann, welches Medium für den gleichen Inhalt er wählen möchte. Und das sind natürlich erhebliche finanzielle Mehrbedarfe, die da auch dadurch entstehen.

    Burgwinkel: Jetzt haben Sie gerade gesagt, im Bezug auf E-Books, hoffentlich lizenziert. Was bedeutet das?

    Böttger: Bibliotheken haben die Möglichkeit, jedes Buch, jede CD, die auf dem Markt erhältlich ist, jede Zeitschrift käuflich zu erwerben. Und dann geht sie auch in den Besitz der Bibliothek über. Bei E-Books ist das nicht so, da handelt es sich so gesehen nur um einen Zugang zu einer Dienstleistung. Und dieser Zugang beruht auf einer Lizenz. Und derjenige, der sie gibt, der Lizenzgeber, der Verlag entscheidet darüber, ob er die Lizenzen auch an Bibliotheken geben will. Und das ist in so manchem Fall eben nicht gegeben.

    Burgwinkel: Kann man da keine allgemeingültige Lösung finden? Vielleicht auch, Sie sind ja nun auch Präsident des europäischen Bibliothekenverbandes, eine Lösung finden, damit das für ganz Europa vielleicht auch gültig ist?

    Böttger: Vor dieser rechtlichen Problematik steht ja im Grunde genommen die gesamte Welt. Also, von den USA bis Europa. Wir arbeiten im Augenblick auf europäischer Ebene an drei Strängen. Der eine ist eben, faire Standardlizenzverträge zu entwickeln, was hoffentlich mit den Verlegern gelingt, mittelfristig zu letztinstanzlichen Urteilen zu kommen, so wie der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr über den Weiterverkauf von Software beispielsweise entschieden hat, und langfristig muss es unserer Ansicht nach zu einer Reformation des Urheberrechts kommen, möglicherweise auch dahin gehend, dass es eben ein komplett neues digitales Urheberrecht gibt.

    Burgwinkel: Haben Sie denn vielleicht noch einen Wunsch, den Sie gerne loswerden würden aus Anlass des Bibliothekentages, an die Politik?

    Böttger: Ja!

    Burgwinkel: Dann mal los!

    Böttger: Die Politik möge bitte die Bibliothek als Bildungseinrichtung ernst nehmen und damit auch weiterhin unterhalten, und zu dieser Bildungsstruktur und zum lebenslangen Lernen beitragen!

    Burgwinkel: Vielen Dank für das Gespräch!

    Böttger: Gern geschehen!

    Burgwinkel: Klaus Peter Böttger, Leiter der Stadtbibliothek Essen und Präsident des europäischen Bibliothekenverbandes war das.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.