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Bohren adé

Medizintechnik. – Angst vor dem Zahnarzt hat fast jeder – und Anlass dazu auch. Denn Karies ist die beim Menschen häufigste Erkrankung. Schon der Neandertaler litt darunter, heute ist nahezu die gesamte Weltbevölkerung davon betroffen. Bohren und füllen ist zurzeit die einzige Lösung gegen wachsende Löcher im Zahn. Dresdner Forscher arbeiten an einer Methode, Karieslöcher quasi auf natürliche Weise zu schließen.

08.04.2004
    Zahnschmelz ist das härteste körpereigene Material, unempfindlich ist er allerdings nicht. Säuren und Bakterien können ihn angreifen und Löcher verursachen. Forscher am Max-Planck-Institut für die Chemische Physik fester Stoffe in Dresden versuchen deshalb, Zahnlöcher wieder mit Zahnschmelz zu füllen. Dort züchtet Susanne Busch das Material, zunächst im Reagenzglas, inzwischen direkt auf den Zähnen, damit er dort Löcher füllt. Busch: "Ich benetze Zahnscheiben oder ganze Zähne, die einen präparierten Hohlraum besitzen, mit einer Gel-Doppelschicht." Die erste Gelschicht enthält Phosphat- und Fluorid-Ionen, die zweite ist eine Schutzschicht aus purer Gelatine. Mehrmals täglich muss der Zahn dann mit einer Calcium-Lösung gespült werden, dabei nehmen die Gelschichten die Calcium-Ionen auf und leiten sie an die Zahnoberfläche weiter. Dort kristallisieren alle Bestandteile und bilden das Mineral Fluorapatit, eine Art künstlichen Zahnschmelz. Susanne Busch: "Das ist Apatit, das gleiche Mineral, also ein Calciumphosphat, aber das künstliche enthält mehr Fluorid."

    Durch das Mehr an Fluor ist der künstliche Zahnschmelz wesentlich weniger säure- und damit kariesanfällig. Die Härte des Materials ist mit der des natürlichen Zahnschmelzes vergleichbar, die Verbindung zum umgebenden natürlichen Zahn ist offenbar auch recht fest. Einen Haken hat die Sache dann aber doch: Wer schon mal eine Tropfsteinhöhle besichtigt hat, weiß: Kristalle wachsen mitunter sehr langsam. Und so auch der künstliche Zahnschmelz. Susanne Busch: "Wenn Sie einen Millimeter Zahnschmelz nachwachsen lassen wollten, bräuchten Sie mehr als ein Jahr." Für die normale Kariesbehandlung wäre das vielleicht ein bisschen zu aufwendig, aber bei bestimmten Krankheiten könnte Busch sie sich durchaus vorstellen, etwa bei der Amelogenesis imperfecta, einer Krankheit, bei der der Zahnschmelz bereits früh nach der Geburt zerfällt. "Diesen Kinder müssen die Zähne meistens komplett abgeschliffen werden", so Busch, "da kann ich mir vorstellen, dass deren Mütter durchaus bereit wären, ein Jahr lang solche Gele auf die Zähne ihrer Kinder zu streichen."

    [Quelle: Uta Bilow]