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Bohren mit der Flamme

Das Bohren ist eine der ältesten Techniken der Welt. An ihrem Grundprinzip hat sich bis heute nichts geändert, auch dann nicht, wenn kilometertief in die Erdkruste gebohrt wird. Das wollen Schweizer Forscher jetzt ändern: Sie möchten das Gestein ohne jede Mechanik nur mithilfe von Hitze zertrümmern.

Von Karl Urban |
    Bohrer kennen wir alle: Aus der Wohnung oder aus dem Zahnarztstuhl. Das Prinzip ist dabei immer das gleiche. Der Bohrer wird vorangetrieben. Damit aber das Bohrloch nicht verstopft und der Bohrkopf stecken bleibt, muss gleichzeitig der Abfall abtransportiert werden. Bei der Schlagbohrmaschine macht das ein Gewinde, beim Zahnarzt: der Sauger.

    Selbst Bohrungen in der Erde – nach Öl, Gas oder Erdwärme – funktionieren nach diesem Prinzip. Nur Panagiotis Stathopoulos geht einen Sonderweg.

    "Wir werden in der Regel als Exoten betrachtet, besonders von den Bohrfirmen."

    Der Maschinenbauingenieur an der ETH Zürich entwickelt derzeit ein neues Erdbohrverfahren. Es soll festes Gestein durchschneiden wie Butter, ohne dass es der Bohrkopf überhaupt berührt: Mit einer Flamme.

    "Wir zünden und betreiben eine Flamme im Hochdruckbereich im Wasser. Und das Wasser ist eigentlich das Lösungsmittel für die Flamme. So ähnlich wie die Luft für normale Flammen."

    In jedem kilometertiefen Loch steht Wasser. Eine Pumpe rührt es ständig durch, um zersplittertes Gestein nach oben abzutransportieren. Die Flamme der Schweizer Ingenieure muss hier brennen: tief im Wasser und unter schmerzhaft hohem Druck. Im Labormaßstab funktioniert das bereits.

    "Wir reden von Drücken über 220 bar. Das entspricht einer Tiefe einer Wassersäule von zweieinhalb Kilometer ungefähr. Die Temperaturen, die wir haben, sind zwischen 200 Grad Celsius, also in der Flamme, bis 2000 Grad Celsius."

    Das entflammte Gemisch brennt mit Alkohol und reinem Sauerstoff und ist schon jetzt zerstörerisch: dank dem Wasser im Bohrloch, das extrem unruhig wird. Denn es ist plötzlich nicht mehr flüssig, sondern überkritisch und kann in diesem Zustand Unmengen an Wärmeenergie transportieren. Das Gestein wird dadurch zu schnell heiß, um die Hitze noch selbst abführen zu können und bricht auseinander.

    Dagegen hat ein konventioneller Bohrer einen klaren Nachteil: Seine Bohrkrone muss das Gestein mechanisch zertrümmern. Obwohl sie mit dem härtesten Stoff der Welt besetzt ist – mit Diamant –, ist der Verschleiß groß.

    Und der Flammenbohrer hat noch einen weiteren Vorteil: Er frisst sich auch schneller ins Gestein als sein mechanischer Kollege.

    "Die erreichten Bohrgeschwindigkeiten waren etwa 15 Meter die Stunde, während die State-of-the-Art-Technologien von unserer Zeit um die fünf erreichen."

    Noch haben die Ingenieure das allerdings nur in einer Prüfkammer getestet – in der sie ein Millimeter-großes Loch erzeugt haben. Um mit heutigen Bohrgeräten mithalten zu können, müsste es hundertfach größer sein.

    Die bohrende Flamme braucht also noch einige Geistesblitze. Zurzeit gelangt etwa nicht die gesamte Wärme zielgerichtet ans Gestein. Und selbst wenn eines Tages alles funktioniert, muss die Technik beweisen, dass sie sich überhaupt rechnet – und nicht mehr Treibstoff verbraucht, als etwa eine Erdwärmebohrung an erneuerbarer Energie gewinnen kann.

    "Wir sind noch nicht bereit, diese Frage wirklich zu beantworten. Um das zu machen, muss man ein wirklich vergleichbares System haben, was den Betrieb angeht."

    Bevor sich die Flamme also wirklich in die Tiefe frisst, werden noch viele Jahre vergehen.