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Bohrer mit feiner Nase

Technik. - Unentdeckt in den Tiefen der Erde schlummern riesige Öl- und Gasvorkommen, doch ihr Aufspüren ist sehr zeitaufwändig. Deutsche Bohringenieure entwickelten jetzt ein Instrument, das Daten aus der Tiefe in Sekundenschnelle liefert.

Von Carmen Woisczyk | 05.05.2008
    "Was wir hören, ist eine Abfolge von Messsequenzen, die aus Wartezeiten bestehen und dazwischen kommen Messsequenzen, die wiederum aus kleinen Echos erzeugt werden, und das Ganze kann man sich vorstellen wie beim Radar, wo man auch Hochsequenzen aussendet und dann Echos zurück bekommt."

    Stolz zeigt Projektleiter Thomas Kruspe auf den piependen "Mag Trak". So heißt das neue Bohrsystem, das bei Baker Hughes in Celle entwickelt wurde. Das Erdöl-Service Unternehmen gehört zu den drei führenden der Welt und ist in nahezu allen Öl fördernden Ländern vertreten. Der Betrachter sieht ein mehrere Meter langes Metallrohr, den Bohrstrang. Am unteren Ende des Gestänges ist der Bohrmeißel und direkt davor eine Magnetspule. Sie erzeugt die Töne und zurück kommen dann Echos. Diese werden bei einer Bohrung über Druckpulse im Bohrstrang nach oben auf die Plattform gesendet, sagt Kruspe.

    "Dort oben wird das dann dekodiert und dargestellt, so dass der Geophysiker oben auf der Plattform genau sehen kann, was passiert da gerade unter Tage, durch welche Formation bohr ich jetzt, wie viel Öl, wie viel Gas, wie viel Wasser ist in der Formation, in der ich jetzt bin. Und damit kann er noch während das System bohrt Entscheidungen treffen, die er sonst erst Wochen später treffen könnte."

    Schnelligkeit zählt in der Branche. Denn der Betrieb einer Bohranlage kostet bis zu 500.000 Dollar pro Tag. Mit dem Mag Trak kann der Ingenieur den Bohrkopf dagegen lenken und in ölhaltigere Gesteinsformationen vordringen, noch während sich der Bohrmeißel in die Tiefe fräst. Früher mussten Gesteinsproben aus dem Bohrloch entnommen werden. Die Auswertung dauerte Wochen. Aufwendige Sprengungen waren keine Seltenheit. Und die Daten waren lange nicht so detailliert wie die, die der Mag Trak liefert, sagt Kruspe. Und zeigt auf das untere Ende des Bohrstranges, das Minilabor des neuen Systems.

    "Wir haben zwei Permanentmagnete hier drin, und die beiden Magneten sind so gegeneinander gestellt, dass sie hier in dem Bereich ein Magnetfeld erzeugen, und dadurch können wir eine Messung machen, die wir ja sonst nur im medizinischen Bereich machen, bei Kernspintomographen, da liegt der Patient im Innern eines großen Magneten."

    Beim Mag Trak ist es genau umgekehrt: Das Magnetfeld wird nach außen abgestrahlt, so dass sich die Ingenieure die umliegende Gesteinsformation anschauen können. Außerdem müssen die Magnetresonanztechnik und die elektronischen Bauteile, die im Bohrstrang wie Datenautobahnen funktionieren, größere Belastungen aushalten als ein Kernspintomograph in der Arztpraxis, sagt Vitali Friesen. Der Ingenieur überprüft gerade die Lötverbindungen am Mag Trak und bringt kleine Gummischläuche zur Isolierung an.

    "Die hausinternen Anforderungen sind höher gesteckt, wie die von der Luft- und Raumfahrttechnik von der Esa für den Satellitenbau zum Beispiel. Da ist hauptsächlich kurze, starke mechanische Belastung beim Start, zum Beispiel bei Satelliten, und bei uns ist ja der Dauerzustand die harte Belastung durch Vibration und Hitze."

    Temperaturen von bis zu 200 Grad und Drücke bis 2000 bar – das sei eine Herausforderung an die Technik. Viele Testdurchläufe hat der Prototyp deshalb auch schon hinter sich. Fast zehn Jahre hat die Entwicklung gedauert. Doch nun ist der Mag Trak reif für den Markt. Er wird demnächst eingesetzt in Alaska, im Golf von Mexiko, Brasilien, Italien, in Fernost und in Deutschland auf der Mittelplate im Wattenmeer.