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Bohrungen in Südkorea
Erdbeben von Menschenhand?

Als im November 2017 in der südkoreanischen Stadt Pohang die Erde bebte, sorgte das für Aufsehen. Erdbeben sind dort selten. Allerdings entsteht in unmittelbarer Nähe ein Geothermiekraftwerk, für das tief in die Erde gebohrt wird. Nun wird analysiert, ob es einen Zusammenhang gibt.

Von Dagmar Röhrlich | 27.04.2018
    Ein rote Pumpe und silberne Röhren sind am 07.10.2016 auf dem Gelände des Geothermiekraftwerks Soultz-sous-Forêts (Frankreich) zu sehen.
    Bei Bohrungen für Geothermiewerke bebt oft die Erde - allerdings kaum spürbar (picture-alliance / dpa / Claudia Kornmeier)
    In Pohang leben rund eine halbe Million Menschen. Die Schwerindustrie hat aus einem Fischerdorf eine moderne asiatische Großstadt wachsen lassen. Zu deren Zukunftsplänen gehört ein Geothermiekraftwerk, das für die Stromerzeugung Erdwärme aus großen Tiefen nutzen soll:
    "Dieses Projekt läuft seit vielen Jahren. Im Vorfeld hat es detaillierte geologische und geophysikalische Untersuchungen gegeben und Probebohrungen. Seit 2016 wird das Feld entwickelt. Weil das Gestein von Natur aus recht dicht ist, müssen erst 'Wege' geschaffen werden, damit das Wasser im Untergrund fließen und sich erhitzen kann. Das passierte durch hydraulische Stimulation, durch Fracking. In vier Phasen wurde Wasser unter hohem Druck in die 4.400 Meter tiefen Bohrlöcher gepresst, damit neue Risse im Gestein entstehen", erklärt Robert Westaway von der University of Glasgow.
    Er war Mitglied eines europäischen Teams, das im August 2017 für die dritte Phase der Stimulation verantwortlich war. Die drei anderen wurden von Südkoreanern durchgeführt. Wann immer neue Risse entstehen, bebt die Erde - doch meist merkt man davon kaum etwas. Anders am 15. November 2017. Da erschütterte ein Beben der Magnitude 5,4 Pohang. 82 Menschen wurden verletzt, Schäden in Millionenhöhe entstanden.
    "Die Nachbeben dauern noch 2018 an, darunter ein 4,7er Beben im Februar. Wir haben inzwischen die öffentlich zugänglichen seismischen und GPS-Daten analysiert. Dabei kam heraus, dass das Beben in einem Umkreis von wenigen hundert Metern um den Ort der Wasser-Injektion entstanden ist. Das legt ganz klar einen Zusammenhang nahe."
    Forscher sind nervös
    Allerdings ist die tektonische Situation in der Gegend komplex. So hatte es 2016, ein Jahr vor Beginn des Projekts, an einer benachbarten Störung ein ähnlich starkes Beben gegeben. Der tektonische Stress im Untergrund könnte also durchaus so hoch sein, dass die Geothermie ein Beben höchstens etwas früher auslöst als es ohnehin geschehen wäre. Trotzdem: Die Forscher sind nervös. Da ist die Furcht vor einem Prozess wegen Fahrlässigkeit.
    "Idealerweise werden solche Projekte in Echtzeit überwacht, dass wir also während jeder Phase des Verpressens genau beobachten, was passiert. Doch das war wegen des von koreanischer Seite fehlerhaft aufgebauten Analysesysteme nicht möglich."
    Während die koreanische Seite konventionelle Stimulationen durchgeführt hat, sollte das europäische Projekt unter Federführung des Geoforschungszentrum Potsdam beweisen, dass neue Klüfte mit einer Art "sanftem" Fracking ins Gestein gesprengt werden können. Dabei waren nicht nur die eingesetzten Wassermengen viel geringer:
    "Wir arbeiteten mit einem sehr strikten Protokoll: Die Arbeiten sollten gestoppt werden, sobald ein Erdbeben größer als Magnitude 1,7 auftritt. Als wir dann ein Beben der Stärke 1,8 hatten, haben wir die Arbeit gestoppt und - wie für den Fall geplant - das eingepresste Wasser abgepumpt. Wir haben sogar mehr Wasser herausgeholt, als wir hinein gepresst hatten."
    Folgen für Geothermieprojekte könnten erheblich sein
    Das Pohang-Erdbeben vom November ereignete sich zwei Monate nach dem Ende der vierten, der erneut "klassischen" Stimulation. Zehn Tage danach rief die südkoreanische Regierung einen internationalen Ausschuss ins Leben. Sollte die weitere Analyse den Zusammenhang mit der Tiefen Geothermie bestätigen, wäre das Pohang-Beben tausend Mal stärker gewesen als das, was 2006 eine ähnliche Anlage in Basel gestoppt hat. Und die Folgen für Geothermieprojekte weltweit könnten erheblich sein.