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Bologna weiterentwickeln
Hochschulrektorenkonferenz: Hundertprozentiger Übergang von Bachelor zu Master notwendig

Die Ziele haben sich verändert, deshalb müsse das auch die größte Hochschulreform Europas, der Bologna-Prozess, tun, fordert Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Bei den Hochschulen fehle das gegenseitige Vertrauen, sodass die "free mover" unter den Studierenden es schwer haben.

Horst Hippler im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Karlsruhe war in den letzten beiden Tagen Tagungsort für die Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz. Ein anderer Städtename dürfte bei diesem Treffen allerdings häufiger gefallen sein, denn es ging um Bologna, genauer gesagt um den sogenannten Bologna-Prozess, und damit um die größte Hochschulreform, die es in Europa je gegeben hat. 1999 – also im kommenden Jahr vor genau 15 Jahren – wurde sie beschlossen und sollte einen europäischen Hochschulraum entstehen lassen.
    Was folgte, waren aber viele Proteste und Aufschreie. Vor allem die Umstellung der Studiengänge auf die internationalen Abschlüsse Bachelor und Master hatten mächtigen Gegenwind, und inzwischen sehnen sich viele nach den guten alten Zeiten des Diploms zum Beispiel zurück – auch der Physik-Chemiker Prof. Horst Hippler: Seit 2012 ist er Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Hallo, Herr Hippler!
    Horst Hippler: Ja, schönen guten Tag!
    Maleike: Bologna weiterentwickelt – was heißt das aus Sicht der HRK? Wo muss noch mal angesetzt werden?
    Hippler: Ja, ich denke mal, was wir im Moment gefunden haben, ist, dass sich die Ziele verändert haben. Die europäische Studienreform ist sozusagen so permanent, wie Reformen sind. Sie wird auch sich in der Zukunft weiter verändern müssen.
    Maleike: Was heißt das, die Ziele haben sich verändert? Es ging doch mal darum, den europäischen Hochschulraum zu kreieren.
    Hippler: Das ist richtig, darum ging es. Aber es ging auch um die Frage der Mobilität, es ging um die Frage der Modularität, es ging um die Frage der Übertragbarkeit von Leistungen, es ging auch um die Frage, ja, wie ändern sich sozusagen die … Studierendenorientiertes Lernen, die Umstellung auf studierendenorientiertes Lernen und Lehren kostet viel Geld, viel Zeit, und es gibt ja eben auch auf diese Frage da des Einbaus von neuen Medien und von sozialen Medien in die Studien. All das verändert ja die Hochschullandschaft genauso.
    Maleike: Die Mobilität, die Anerkennungsprobleme, die haben Sie schon angesprochen. Warum haben wir heute immer noch Probleme, zum Beispiel Studienleistungen in einem anderen europäischen Mitgliedsland anzuerkennen?
    Hippler: Ja, das ist natürlich die Frage sozusagen des Vertrauens und des Inhaltes. Ich denke mal, jede Hochschule schaut darauf, dass das, was sozusagen sie anbietet, auch erfüllt werden kann, und dafür muss man gewisse Voraussetzungen erfüllen, damit man auch in einer anständigen Zeit erfolgreich da weiterstudieren kann. Dann will man natürlich genau wissen, ob das sozusagen so entspricht, dass man hinterher auch darüber prüfen kann oder ob die Prüfungsleistung sozusagen der Qualität entspricht, die man selber zu Hause erbracht hat.
    Das ist ja auch so ein Problem, dass diese Leistungen, die erbracht werden, sozusagen hinterher nicht mehr abgeprüft werden, sondern sozusagen direkt als Prüfungsleistung in das Endzeugnis gibt – und wer hat Vertrauen, dass eine andere Hochschule das genauso in der gleichen Qualität macht wie die eigene? Und das ist das große Problem. Deshalb geht es in bilateralen Abkommen relativ gut, aber für wirkliche free mover wird das schwierig.
    Maleike: Kann man denn dann eigentlich sagen, dass der Bologna-Prozess gelungen ist bis hierhin?
    Hippler: Also, was gelungen ist: Es ist, glaube ich, relativ viel gelungen. Diese Studienreform trägt dazu bei, Herausforderungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung wie Mobilitätsförderung, im Prinzip die Pluralität und auch die Polyvalenz von Studienbiografien zu ermöglichen, und insbesondere auch, dass man viel, viel individuellere Bildungsbiografien haben kann. Das ist sozusagen der relativ große Vorteil. Aber das Problem ist natürlich: Die ganze Koordinierung dieses Systems ist nicht trivial.
    Maleike: Damit wir Sie jetzt richtig verstehen: Das heißt, die HRK wird auf jeden Fall dafür sorgen oder sich dafür einsetzen, dass der Bologna-Prozess und damit auch die europäische Studienreform weiterentwickelt wird?
    Hippler: Na ja, es gab ja gestern ganz großen Konsens, es gab Handlungsempfehlungen zur europäischen Studienreform. Nachdem wir in dem letzten Jahr eine Bilanz gezogen haben, haben wir jetzt gestern verabschiedet sozusagen, wie man diese weiterentwickeln kann. Da geht es auf gewisse Gestaltung von gestuften Studiengängen, die Ausrichtung der Hochschullehre an den Bedürfnissen der Studierenden, der Umgang mit studentischer Vielfalt – das ist ja auch dann ein Resultat dieser europäischen Studienreform –, und natürlich, institutionelle Qualitätskultur zu entwickeln, dass es relativ einfacher ist, dann auch Leistungen übertragen zu können und anerkennen zu können.
    Maleike: Herr Hippler, wir haben Bachelor und Master in weiten Teilen in Deutschland als flächendeckende Studienabschlüsse. Es gibt aber immer auch noch Staatsexamina. Also 100 Prozent haben wir noch nicht, so wie andere Länder das haben. Wird das angestrebt?
    Hippler: Da kann ich nicht viel zu sagen, ob das so angestrebt wird oder nicht, denn das Interessante ist ja, dass das Staatsexamina sind, und dass sozusagen da die Länder in der Verantwortung auch noch sind, weil sie ja auch diese Prüfung abnehmen. Und das Interessante an der ganzen Geschichte ist eigentlich, dass die einzigen Studiengänge, die tatsächlich zu einem Beruf ausbilden, nämlich Lehrer, Mediziner und Juristen, an den Hochschulen, dass diese Studiengänge sozusagen ausgenommen sind von der europäischen Studienreform, dass die immer noch nicht sozusagen im Bachelor-Master-System angebunden werden.
    Man kann sich fragen, warum, aber ich glaube, das hat auch gewisse Gründe, weil sozusagen in den Fächern … Medizin sozusagen, wenn es wirklich in Richtung eines Mediziners geht, der Arzt werden will oder Arzt wird – da kann man mit einem Bachelor relativ wenig tun. Das ist beim Lehrer, der sozusagen nur drei Jahre studiert hat, eigentlich auch nicht möglich, sozusagen Fachwissen und pädagogisches Wissen sich anzueignen.
    Maleike: Ein letztes Wort noch zum Masterzugang: Sie wissen, dass es gerade aktuell wieder sehr viele studentische Proteste gibt gegen den eingeschränkten Masterzugang. Warum ist das eigentlich nicht mitgedacht worden, dass alle, die einen Bachelor machen, auch einen Master machen können?
    Hippler: Warum es nicht mitgedacht worden ist, das wissen Sie doch genauso gut wie ich: weil das Geld kostet. Jeder Studienplatz kostet Geld. Und die Idee ist ja gewesen, dass man mit einem Bachelor eine hinreichende Persönlichkeit entwickelt hat, dass man sich im Berufsleben dann auch zurechtfinden kann, und das sehen viele junge Leute und Studierende eben nicht so: Die möchten da eigentlich noch ein bisschen mehr wissen und sich weiterbilden. Und an dieser Stelle ist die ganz große Frage, warum man denen nicht die Chance gibt. Ich halte das insofern für viele Fächer absolut notwendig, dass man einen 100-prozentigen Übergang hat vom Bachelor zum Master, das gilt ganz besonders für die MINT-Fächer.
    Maleike: Sagt der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Prof. Horst Hippler hier in "Campus und Karriere". Herr Hippler, vielen Dank für das Gespräch!
    Hippler: Ja, vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.