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Bombendetektor mit Weitblick

Wie sicher kann Technik unseren Alltag machen? Im ersten Teil der Sendereihe "Schutz durch Technik" geht es um einen Bombendetektor, der mithilfe von Infrarotlaser Sprengstoff aufspürt.

Von Ralf Krauter | 08.03.2010
    Ein herrenloser Koffer an einem Bahnsteig sorgt heute für Hektik. Die Fundstelle wird abgeriegelt, Sprengstoffexperten rücken an. Evakuierung oder Entwarnung? Um das zu entscheiden, müssen Fachleute das verdächtige Gepäckstück bislang aus nächster Nähe unter die Lupe nehmen. Das zu ändern, ist Ziel des Forschungsvorhabens Irldex. Das Kürzel steht für Infrarotlaser gestützte abbildende Detektion von Explosivstoffen, erklärt Projektkoordinator Professor Joachim Wagner.

    "Sicherlich eines der ersten Einsatzszenarien ist das verlassene Gepäckstück am Flughafen. Im Augenblick ist es so, dass der gesamte Gatebereich mit zum Teil Hunderten Passagieren geräumt werden muss, bevor das Bombenräumkommando anrücken kann, den Gegenstand entfernen kann. Wenn es jetzt mit diesem Verfahren, das wir im Rahmen von dem Irldex-Projekt entwickeln, mir gelingt, auf Entfernung von einem halben Meter, einen Meter optisch abzutasten den Gegenstand und dann schon Ergebnisse gewinnen, 'Explosivstoffverdacht ja oder nein?', dann kann ich gegebenenfalls sehr viel flexibler reagieren, muss weniger den ganzen Betrieb am Flughafen unterbrechen."

    Joachim Wagner ist stellvertretender Leiter des Freiburger Fraunhofer-Instituts für Angewandte Festkörperphysik, zu dessen Expertise die Entwicklung chipbasierter Halbleiterbauteile wie Laser und Sensoren zählt. Und genau die spielen bei dem neuartigen Verfahren zur Ferndetektion von Sprengstoffspuren eine Schlüsselrolle.

    "Das Ganze passiert auf der Erkenntnis von Kollegen vom Bundeskriminalamt, dass wenn sie improvisierte Sprengkörper herstellen, sie mit hoher Wahrscheinlichkeit geringe Spuren von Explosivstoff auf der Oberfläche des Behältnisses hinterlassen werden."

    Um diese Sprengstoffspuren sichtbar zu machen, beleuchten die Forscher das verdächtige Objekt mit Wärmestrahlung verschiedener Wellenlängen und messen mit einer Infrarot-Kamera, was reflektiert wird. Explosivstoffe erzeugen verräterische Muster in diesen Infrarotspektren. Projektleiter Dr. Frank Fuchs zeigt auf eine schwarze Metallplatte mit einem Gewirr von Linsen, Spiegeln und Kabeln darauf.

    "Wenn sie hier von der Seite schauen, sehen sie hier so ein goldenes Teilchen, wenn sie hier so zwischen rein gucken. Der eigentliche Laser ist gerade mal drei Millimeter lang und 15 Mikrometer breit, also schmaler als ein Haar eigentlich."

    Das Besondere an dem eigens entwickelten Infrarotlaser: Über einen externen Resonator lässt sich seine Farbe in Sekundenbruchteilen in einem weiten Bereich verstellen. Das erlaubt es, besonders breitbandige Spektren aufzunehmen. Und genau die sind nötig, um Fehlalarme zu vermeiden.

    "TNT zum Beispiel: Die spektroskopische Hauptsignatur ist ganz in der Nähe von Aceton und Ethanol. Und da haben sie ganz schnell ein Problem. Wir wollen ja keine Alkoholfahne dann als Falschalarm-Auslöser haben. Das heißt, wir müssen also jemanden, der mit Alkohol zu tun hat – sei es, dass er mit einem Parfüm sich eingesprüht hat, sei es, dass er vielleicht morgens schon mal ein Bier getrunken hat – das wollen Sie ja unterscheiden. Da kommt man sensorikmäßig ganz schnell in große Herausforderungen."

    Testmessungen an mit Sprengstoffspuren verunreinigten Stoffproben und Metallplatten belegen, dass sich Mikrogramm-Konzentrationen gängiger Explosivstoffe aus zehn Metern Entfernung nachweisen lassen. Ein praxisreifer Schnüffler, der einmal Spürhunden Konkurrenz machen könnte, sei aber noch drei bis fünf Jahre entfernt, räumt Frank Fuchs ein.

    "Also das ist noch Zukunftsmusik. Hunde können sehr, sehr gut riechen. Die nehmen Pikogramm wahr. Allerdings nur, wenn sie trainiert sind. Und die machen das nur über den Spieltrieb. Und nach 20 Minuten haben die keine Lust mehr. Unser Laser kann Tag und Nacht und immerzu."

    Deshalb könnte der Bombendetektor mit Weitblick wohl tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen. Zu glauben, die wäre von Dauer, wäre allerdings naiv. Denn natürlich sei es Bösewichten im Prinzip möglich, den Sprengstoffscanner zu überlisten – es wäre halt nur mit großem Aufwand verbunden, sagt Joachim Wagner.

    "Es wird sicherlich immer auch einen technologischen Wettlauf geben zwischen den Verfahren zur Detektion von Gefahren und denen, die absichtlich diese Gefahr herbei führen wollen."




    Mit einem verfeinerten Infrarot-Schnüffler wäre es künftig durchaus denkbar, an Flughäfen alle Passanten eines Korridors ohne deren Wissen auf Sprengstoffspuren zu untersuchen. Pikant ist das deshalb, weil sich so nicht nur Bombenbastler ausfindig machen ließen, sondern auch Drogenkonsumenten. Auch unsichtbare Kokainkrümel auf dem Hemd liefern verräterische Infrarot-Signaturen.

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