Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Bombensicher
Spritzbeton, der Explosionen widersteht

Um kritische Infrastruktur wie Brücken oder Tunnel vor Anschlägen zu schützen, braucht man besonders zähen Beton. Den erhält man, indem man ihm zum Beispiel viele Stahlfasern beimischt. So wird der Baustoff zwar robust, lässt sich aber nicht mehr so gut verarbeiten. Forscher aus Bochum wollen das ändern. Sie arbeiten an bombensicherem Spritzbeton.

Von Piotr Heller | 26.06.2015
    Die Mülheimer Brücke über den Rhein in Köln
    Gerade bei Brücken wird sehr viel Spritzbeton eingesetzt. (picture alliance / dpa / Marius Becker)
    "Also, Achtung die ist scharf. Ich hupe jetzt zwei Mal, prüfe meine Kollegen und an der Straße auch, ob alles in Ordnung ist. Wenn Ihr sagt "Ok", macht's Bumm.
    Kollegen Sagen: "Ok"
    Videoaufnahmen eines Sprengversuchs am Freiburger Ernst-Mach-Institut für Kurzzeitdynamik. Hier wird getestet, wie Beton einer Explosion widersteht. Kein gewöhnlicher Beton. Es ist Spritzbeton, den Götz Vollmannn mit seinen Leuten entwickelt hat. Der Bauingenieur forscht an der Ruhr Universität Bochum.
    "Spritzbeton wird im Tunnelbau vor allen Dingen zur vorläufigen Sicherung eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete sind Instandsetzung, da ist Spritzbeton ein großes Mittel. Grade bei Brücken wird sehr viel Spritzbeton eingesetzt."
    Man stößt schnell an Grenzen
    Bei der Verarbeitung befördert eine Pumpe den Beton durch einen Schlauch zu einer Düse. Von dort aus fliegt er an seinen Bestimmungort - etwa eine Tunnelwand - und erstarrt. Der Vorteil: Man kann ihn überall anbringen - er passt sich den kompliziertesten Bauformen an. Damit eine solche Betonschicht einen Tunnel gegebenenfalls auch vor Anschlägen und Bränden schützt, muss sie Explosionen aushalten. Keine einfache Aufgabe, denn Beton kann von sich aus nur Druck widerstehen. Bei einer Explosion wird er aber auch gezogen und verbogen. Um das auszuhalten, braucht er einen Stahl-Anteil. Er wird dem Spritzbeton in Form kleiner Fasern beigemischt. Doch da stößt man schnell an Grenzen:
    "Der Weg zwischen Düse und Pumpe, der ist eigentlich das Nadelöhr, durch das irgendwann die Mischung aus Stahlfasern und Beton nicht mehr hindurch will, einfach, weil der Widerstand dieser Faser-Beton-Mischung so groß ist, dass sie nicht mehr durch das Rohr geht."
    Das heißt: Man kann in den Beton nur eine bestimmte Menge an Stahlfasern einbringen. Genau gesagt bis zu 70 Kilogramm Stahl pro Kubikmeter. Das galt zumindest bis jetzt als Grenze, denn der Spritzbeton von Götz Vollmannn enthält die doppelte Stahlmenge.
    "Wir hatten mit allen möglichen Arten von Betonzusatzmitteln herumexperimentiert über einen Zeitraum von zwei Jahren und das war die letzte Idee, die noch jemand hatte, dass wir im Prinzip den Beton aufschäumen und damit so eine Art Kugellager-Effekt erzeugen. Wenn Sie in einer Badewanne einen Badezusatz in Ihr Wasser reinschütten und dann den Wasserhahn aufdrehen, durch das Plätschern des Wassers wird Schaum erzeugt. Und so funktioniert das auch im Beton. Da werden Luftblasen eingetragen durch mechanische Energie und dadurch wird der Beton geschmeidig und fast schon fließfähig."
    Tragfähigkeit in weiteren Studien unter Beweis stellen
    An der Düse fügen die Ingenieure dem Beton dann einen chemischen Entschäumer hinzu, der die Luft wieder entzieht. Doch funktioniert das wirklich? Zurück zum Sprengversuch.
    "Achtung! Drei, Zwei, Eins!
    Wow, Ok, das war nur ein halbes Kilo."
    Götz Vollmann zeigt auf zwei Fotos. Auf dem Ersten ist eine Betonplatte ohne Stahlfasern zu sehen.
    "Sie sehen hier auf dem Bild: Die Platte ist gebogen worden durch die Druckwelle, und der Krater ist entstanden durch die Spallationsbelastung. Hier kann man sehen, wie sich die Bewehrung durchgebogen hat. Das ist schon eine heftige Einwirkung. Und im Vergleich dazu ist das jetzt hier der Krater auf dem Schutzbeton. Hier können Sie schön die vielen Drahtfasern sehen. Aber der Krater ist wesentlich kleiner. Wir waren auch wirklich hoch erfreut, als wir das Ergebnis so gesehen haben."
    Das Ergebnis des Versuchs sieht nicht nur gut aus: Der Schutzbeton behielt nach der Explosion noch 60 Prozent seiner Tragfähigkeit bei. Der Beton ohne Stahlfasern lediglich 20 Prozent. Doch bevor der neue Spritzbeton auf Brückenpfeiler oder Tunnel aufgetragen wird, müssen die Ingenieure erforschen, wie man ihn am besten verarbeitet. Und sie müssen die gute Tragfähigkeit in weiteren Studien unter Beweis stellen. Im Ernstfall könnte die Tragfähigkeit dann den Unterschied machen, ob ein Tunnel einen Anschlag übersteht oder nicht.