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Bonanza in der Tiefsee

Rohstoffforschung. - Es wird ernst mit dem Tiefseebergbau. Staaten und Unternehmen setzen auf einen baldigen Beginn bei Manganknollen.In Kingston, Jamaika, diskutieren in diesem Monat die Vertragsparteien der UN-Seerechtskonvention über Regeln für ihren Abbau. Doch Manganknollen sind nicht die einzige Ressource. Am lukrativsten scheinen die Mangankrusten - eine noch weitgehend unerforschte Kategorie, an deren Erschließung jedoch rund um die Welt gearbeitet wird.

Von Dagmar Röhrlich |
    Es sind unsichtbare Riesen: In der Dunkelheit der Tiefsee ragen Seeberge Tausende von Metern schroff aus den weiten, endlosen Schlammebenen des Meeresgrunds auf. Meist sind es Vulkane, die seit Millionen von Jahren erloschen sind. Auf ihnen wachsen Tiefwasserriffe, und Fische versammeln sich, um zu fressen, sich auszuruhen, Partner zu finden. Auf manchen dieser Seeberge gibt es Lagerstätten:

    "Zwischen 400 und 7000 Metern Wassertiefe wachsen auf jedem Felsen oder Stein, den es dort gibt, Mangankrusten. Meist lohnt sich eine Förderung nicht, aber auf Seebergen im äquatorialen Pazifik gibt durchaus abbauwürdige Krusten. Das ist der älteste Teil des Meeres, und die Mangankrusten dort sind sehr metallreich."

    James Hein vom USGS. Mangankrusten wachsen in den entlegensten Zonen der Ozeane mit einer Geschwindigkeit von einem bis fünf Millimetern pro Million Jahre. Hein:

    "Die älteste Kruste, die wir bislang datiert haben, bringt es auf 72 Millionen Jahre und ist mehr als 20 Zentimeter mächtig. Die dickste je gefundene ist 26 Zentimeter dick. Alle Metalle, die darin stecken, stammen direkt aus dem Meerwasser. Das Gros sind Eisen- und Manganoxide, und daran werden die vielen seltenen Metalle der Platingruppe und der Seltenen Erden absorbiert."

    Ein reicher Lagerstättentyp: In ihm steckt alles, was die Hightech-Gesellschaft braucht, und zwar in Mengen, wie sie kaum in den besten Lagerstätten an Land vorkommen. Technologisch allerdings ist der Abbau eine Herausforderung. James Hein:

    "Derzeit arbeiten Tausende von Ingenieuren rund um die Welt an einem Trick, wie man von einem Schiff aus über 2000 Meter Wassersäule hinweg eine vielleicht zehn Zentimeter dicke Kruste abkratzen könnte - möglichst ohne Nebengestein zu fördern."

    Mangankrusten könnten mechanisch abgeraspelt werden. Oder man löst sie mit Ultraschall und Wasserstrahlschneidern. Ideen gibt es viele. Doch Seeberge sind auch so etwas wie Oasen in der Tiefsee und Rückzugsgebiete für bedrohte Fische. Deshalb fordern Meeresbiologen wie Alex David Rogers von der University of Southampton, die Ökosysteme schnellstens zu untersuchen, bevor die Bergbaufirmen ihre Claims auch hier abstecken:

    "Die Biodiversität an den Seebergen ist sehr hoch. Sie sind wichtige Sprungbretter für die Besiedlung anderer, oft weit entfernter Gebiete. Ursprünglich hatten wir auch angenommen, dass es an ihnen sehr viele endemische Arten gibt, also Arten, die nur dort vorkommen. Aber dem ist anscheinend nicht so."

    Obwohl das Wissen über die Seeberge derzeit noch gering ist, argumentieren Befürworter des Tiefseebergbaus, dass sich die Umweltfolgen in Grenzen halten: Zwar überlebten die Tiefseekorallen den Abbau nicht, aber direkt neben Abbaugebieten könnten biologische Schutzzonen gelassen werden - und weil es auch nach dem Abbau noch Gestein als fester Siedlungsgrund gebe, kehrten die Arten wohl schnell zurück. Alex David Rogers ist sich dessen nicht so sicher:

    "Der Abbau der Mangankrusten ist mit Sicherheit zerstörerisch, und wir können derzeit die Folgen einfach nicht abschätzen. Wo die Tiefseefischerei die Ökosysteme auf den Seebergen zerstört hat, sehen wir auch nach Jahrzehnten keine Erholung. Vermutlich wird der Bergbau auf Mangankrusten zwar kleinere Gebiete zerstören als die Tiefseefischerei. Für Pauschalurteile über die Widerstandsfähigkeit dieser Lebensgemeinschaften ist es jedoch noch zu früh."

    Auch James Hein vom USGS fordert, die ökologischen Folgen der Mangankrustenförderung schnell zu erforschen. Schließlich werde der Metallbedarf sprunghaft steigen: Tantal, Molybdän, Selen, Indium, Lithium oder Tellur - sie sind knapp und heiß begehrt. Und so lockt der Metallschatz der Tiefsee.

    Hinweis: Zum Thema Tiefseebergbau sendet der Deutschlandfunk am Sonntag, 14.07., 16:30 Uhr, in der Sendung "Wissenschaft im Brennpunkt" das Feature Der Schatz am Meeresgrund.