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Bonner Kulturszene wehrt sich gegen Kürzungen

Protestnoten der Schauspieler, Solidarisierung der Zuschauer: Das Bonner Theater kämpft gegen Einsparungen von über sechs Millionen Euro. Ende September soll der rot-grün-gelbe Stadtrat die Sparmaßnahmen beschließen - die Bonner wollen dann mit einem Bürgerbegehren dagegen vorgehen.

Von Dorothea Marcus | 28.08.2006
    Kurz vor der Sommerpause, damit auch ja kein Protest der übermüdeten Theaterarbeiter mehr zu befürchten stand, wurde es von der Bonner Oberbürgermeisterin verkündet:

    "Zwei Tage vor unserem Sommerurlaub erhielten wir die Mitteilung seitens der Stadt, dass der Theateretat um 5,1 und der Orchesteretat um 1 Millionen reduziert wird..."
    Die Ensemblesprecherin des Bonner Theaters, Anjara Bartz verlas beim gestrigen, offiziellen Saisonstart des Bonner Theaters die öffentliche Erklärung der Theatermitarbeiter, die bereits 30000 Unterschriften gesammelt haben - und ein Bürgerbegehren anstrengen, wenn die Sparforderungen von 6,1 Millionen Euro an das Bonner Theater Ende September die rot-grün-gelbe Stadtratsmehrheit finden.

    Nun ist sicher das Bonner Theater kein Hauptstadttheater mehr - die luxuriösen 49,8 Millionen Etat, die unter dem Vorgängerintendanten Manfred Beilharz zur Verfügung standen, kamen vor allem aus Bundesmitteln zustande, die nach dem Berlin-Umzug nicht mehr nötig sind. Dennoch wurden in fünf Jahren bereits kräftig gespart: 150 Arbeitsplätze fielen weg, das Schauspielensemble wurde von ehemals 55 Schauspielern auf 28 reduziert, das Opernensemble hat gar nur noch 14 Sänger. Das es weitergehen musste, war allen klar - doch die nun geforderten 6,1 Millionen scheinen eine haarsträubende Zahl. Intendant Klaus Weise:
    "Seit ich hier bin, habe ich den Etat des Theaters um 11,5 Mio reduziert. Das ist ziemlich sensationell. Weil wir haben so viel gespart wie an keinem anderen bundesdeutschen Theater. Gravierende Kürzungen sind durch Strukturänderungen nicht mehr machbar, das heißt es geht ans Eingemachte, ans Personal. Und dann kann man das Theater wie es ist, nicht mehr erhalten... dann muss man ein Einspartenhaus machen oder ich weiß nicht was."
    Wie das in der Bundesrepublik einzigartige Sparziel erreicht werden soll, darüber gehen die Meinungen noch auseinander - die ursprünglich angekündigte Schließung des Schauspielhauses in Bad Godesberg, der florierenden Hauptspielstätte mit sieben Premieren im Jahr und 85 Prozent Auslastung, ist erst einmal vom Tisch. Stattdessen soll nun ensuite, also am Stück gespielt werden, weil das Umbauten und Techniker reduziert.

    Und natürlich muss weiter Personal gespart werden. Ob die rund 500 Mitarbeiter des Theaters überhaupt gekündigt werden können, ist allerdings fraglich, da ein Großteil an die Verträge des öffentlichen Dienstes gebunden ist. Die einzig kündbaren Verträge sind wie üblich die der Künstler - doch selbst wenn man die 26 Schauspieler, 16 Tänzer und 16 Sänger kündigt, hat man noch lange nicht 5,1 Millionen Euro erreicht. Wie selbstverständlich eingestellt wird jedoch - wie üblich - die dritte Tanzsparte. Dazu die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Bärbel Richter, die der Mehrheitsfraktion im Bonner Stadtrat angehört und die Kürzungsvorschläge vertritt:
    "Das Tanztheater hat in Bonn in den letzen Jahren sicher nicht so reüssiert, wie sich das alle vorgestellt haben, die Überlegungen gehen jetzt dahin, dass man sagt, wir wollen weiter Tanztheater in Bonn spielen, allerdings nicht mit eigenem Ensemble, sondern es gibt Überlegungen über eine Kooperation mit Köln... Herr Grosse-Brockhoff redet von einem Rheinschienenensemble. Wir müssen sicher darüber reden, dass mehr Oper gespielt wird, dass die Einnahmen erhöht werden und das sind ja auch in gewisser Weise Einsparungen für den Etat der Stadt. Aber ich sag es nochmal: Die Zahlen, die jetzt vorliegen sind Zahlen die wir als Zielzahlen erstmal formuliert haben, der Kämmerer hätte noch ganz andere Ideen gehabt. Insofern hört es sich komisch an, bin ich als kulturpolitische Sprecherin erstmal froh, dass wir nicht über 9 Millionen reden, sondern über 5,1 Millionen."
    Dass sich das Theater Bonn darüber freuen darf, mit 5,1 Millionen Sparankürzungen davonzukommen, hört sich zynisch an - in einer Stadt, die sich, wie kürzlich verkündet, an unerwarteten Steuereinnahmen von 309 Millionen Euro freuen kann. Zudem gibt es in der Stadt Bonn noch andere kulturpolitische Baustellen: soeben wurde der Kulturdezernent Ludwig Krapf von den Kürzungsverhandlungen entbunden, der Personaldezernent führt sie weiter. Weder gibt es bisher einen Nachfolger für den scheidenden Generalmusikdirektor Roman Kofmann, noch ist der Vertrag von Klaus Weise bisher verlängert - im Sparplan gab es sogar Vorschläge, ganz auf einen Generalintendanten zu verzichten. Mutwillig scheint man hier ein gut funktionierendes Theater zu zerstören. Ist das der Anfang vom Ende des Stadttheaters? Klaus Weise:
    "Natürlich kann man immer mehr wegnehmen, und dann gibt es eben diese Form des Theaters nicht mehr. Da muss man sich in Deutschland halt fragen: will man das öffentlich finanzierte Theater überhaupt noch?"