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Bonner OB schlägt Opern-Fusion vor

Mit seinem "Denkanstoß" stieß der Bonner Oberbürgermeister Nimptsch den Kulturfreunden in seiner Stadt vor den Kopf: Die Bonner Oper solle mit der Kölner Oper fusionieren. Jetzt wurde darüber öffentlich diskutiert - Vertreter der Stadt trauten sich jedoch nicht auf die Bühne.

Von Dorothea Marcus | 12.12.2010
    Angemeldet war zwar der neue Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher. Doch er war durch eine Beerdigung verhindert. Natürlich ist das ein ernst zu nehmender Grund - aber er hätte doch wenigstens einen Stellvertreter schicken können. Auch der Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und der Stadtkämmerer glänzten durch Abwesenheit und hatten offenbar nicht den Mut, die radikale Sicht der Stadt zu vertreten. Und so traf man auf dem Podium ausschließlich Vertreter der Theaterwelt, die natürlich gegen jegliche Kürzung eintreten und unter der Leitung von FAZ-Redakteur Andreas Rossmann einmütig Argumente sammelten.

    Der Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bollwin:

    "Müssen wir wirklich über die Fusion von Köln und Bonn nachdenken angesichts der Tatsache, dass zwei Prozent der öffentlichen Budgets in Deutschland in die Theater und Orchester fließen? Das sind zwei Milliarden Euro von einer Billion. Glaubt irgendeiner, dass die Etatsituation in der Bundesrepublik Deutschland, wenn dann hier in Köln und Bonn, wenn dann von diesen zwei Milliarden vielleicht drei Millionen gespart werden, dass dann die Finanzsituation in Deutschland einer Morgenröte entgegenströmt?"

    Eine Fusion der Kölner und Bonner Oper wäre allein schon deshalb sinnlos, weil ja die Kölner Oper bereits eine Platzauslastung von 90 Prozent hat, versicherte der Kölner Intendant Uwe Eric Laufenberg sogleich in einem Interview. Für die Bonner, sagte er, könnten ja dann die Notsitze dienen. Ohnehin sei es um die Theaterversorgung in Nordrhein-Westfalen ja nicht zum besten bestellt, so der Intendant des Deutschen Theaters Ulrich Khuon:

    "In NRW gibt es pro 1000 Bewohner 6,7 Theaterplätze. In Baden-Württemberg sind es doppelt so viel, in Bayern sind es elf, und da muss man sagen: Was ist das Problem? Sollen es noch weniger werden, sollen es drei werden, weil man sagt: Man kann doch kurz von der einen Stadt in die andere fahren? Es ist ja gar nicht genügend Platz im Theater, um die ganzen Besucher aufzunehmen. Und zweitens verlieren die Theater ihre Bindung an die Städte und diese direkte Verknüpfung."

    Angeblich, ruderte der Bonner OB einige Tage später öffentlich zurück, sei sein Vorschlag nur ein "provokatives Denkmodell" gewesen. Dass man ausgerechnet in der Geburtsstadt Beethovens auf die Oper verzichten will, schädigt zweifellos massiv das Image der Stadt, die ohnehin seit der Wende mit Identitätsproblemen zu kämpfen hat. Der Intendant der Frankfurter Oper Bernd Loebe erzählt, wie er früher mit Herzklopfen in die Bonner Oper fuhr. Und heute:

    "Dadurch, dass dieses Theater seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten, der Prototyp eines Theaters ist, wo gespart werden muss, wo der Intendant den Job nur kriegt, wenn er den Job mit noch mehr Sparen hinkriegt, muss ich sagen, ist von diesem empathischen Gefühl nicht mehr so viel übrig geblieben. Das ist ein Paradebeispiel dafür, dass von einem guten Image des Theaters etwas Schlimmes mit diesem Image anstellt. Irgendwann muss mit diesem schleichenden Sägen an den Stuhlbeinen aufgehört werden."

    Tatsächlich hat das Theater Bonn im vergangenen Jahrzehnt bereits 14 Millionen Euro und 320 Mitarbeiter eingespart, dabei gingen die Tanzsparte und das internationale Festival Biennale verloren.

    Dass in der reichen, bürgerlichen Boomtown nun ein noch viel weitergehender kultureller Flächenbrand droht, ist wohl vor allen Dingen der absurden Tatsache zu verdanken, dass die Stadt Finanzbetrügern aus Korea auf den Leim ging und nun mit zwei gigantischen, millionenschweren Bauruinen konfrontiert ist, dem World Conference Center und dem Festspielhaus am Rhein. Eine aufgebrachte Zuschauerin im voll besetzten Saal bringt es auf den Punkt:

    "Die Einwohnerzahl ist gestiegen, die Zahl der Arbeitsplätze ist gestiegen, alles seit dem Abzug der Regierung. Die Zahl der Firmen ist gestiegen, die Zahl der Geburten ist gestiegen – also wenn die Stadt viel Geld in fragwürdigen Projekten verloren hat, kann sie das ja nicht auf dem Rücken der Oper austragen."