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Bonpflicht
Eine App gegen die Papierflut?

Seit Jahresbeginn müssen in Deutschland alle Einzelhändler ihren Kunden Kassenzettel ausgeben. Dies soll Steuerbetrug eindämmen. In der Praxis sorgt es aber vor allem für zusätzlichen Papermüll - und Frust bei Verkäufern. Ein Bremer Programmierer könnte eine digitale Lösung parat haben.

Von Felicitas Boeselager | 14.02.2020
Verschiedene Quittungen liegen auf einem Tisch
Seit 1. Januar 2020 müssen in Deutschland grundsätzlich Kassenbons ausgehändigt werden (dpa/Jörg Carstensen)
Die Glasfront des Kiosks von Ahmed Gazouly an einer viel befahrenen Kreuzung in Bremen ist ein Blickfang. Hunderte Kassenbons kleben hier an der Scheibe, in der Mitte steht auf einem Schild: "Wir produzieren ungewollt Sondermüll." Es sind die Bons von nur einem Tag, erzählt Gazouly:
"Wir verbrauchen ungefähr eine Rolle pro Tag, die kostet ungefähr 2,50 Euro. Du kannst das mal 30 oder 25 Tage im Monat rechnen, also Unkosten brauchen wir nicht."
Kiosk in Bremen - sämtliche Kunden lehnen Kassenzettel ab
Ausnahmslos alle Kunden würden die Kassenzettel für Kaugummis, Zigaretten, Zeitungen etc. ablehnen, erzählt Gazouly weiter. Und manche von ihnen haben sich von seiner Aktion am Ladenfenster anstecken lassen:
"Ein Kunde hat mir zum Beispiel gesagt, er sammelt die Kassenbons und dann schickt er sie zum Finanzamt. Also das finde ich auch eine coole Idee."
Kampf gegen Steuerbetrug / "Kassenbonpflicht schießt weit über das Ziel hinaus"
Ab 1. Januar gilt Kassenbonpflicht. Das Kassengesetz schreibe aber gleichzeitig eine Software vor, die Kassen manipulationssicher mache, sagte Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland im Dlf.
Gazouly kann zwar nachvollziehen, dass die neue Regelung Steuerhinterziehung eindämmen soll, trotzdem wäre es ihm sehr recht, wenn das Gesetz zur Kassenbonpflicht wieder abgeschafft würde. Oder sich eine andere Lösung fände. Wie zum Beispiel die Idee von Amir Karimi, der nur wenige hundert Meter weiter in seinem Büro eine digitale Lösung für Kassenbons entwickelt hat: Admin heißt seine App, die das Ausdrucken der Zettel in Zukunft überflüssig machen soll. Auf die Idee, eine solche App zu entwickeln, sei er vor drei Jahren gekommen. Damals stand er in einer langen Schlange in einem Laden und beobachtete, wie eine Kassiererin mühselig die Kassenbon-Rolle austauschte.
"Warum nicht einen digitalen Kassenzettel?"
"Da habe ich gedacht, in Zeiten von Digitalisierung, wir reden über viele Themen die mit Digitalisierung zu tun haben, warum gibt es nicht einen digitalen Kassenzettel? Zumindest für Menschen, die das Bedürfnis haben, ihn auch mitzunehmen."
Denn schließlich gäbe es viele Menschen, die im Nachhinein nochmal kontrollieren wollen, ob alles richtig abgerechnet wurde. Wenn die Vermarktung seiner App so läuft, wie Karimi es sich vorstellt, soll das System, das er mit seinem Team entwickelt hat, flächendeckend in Deutschland einsetzbar sein.
"Sie laden die Admin-App runter, registrieren sich, haben einen persönlichen QR-Code, das ist ihr persönlicher Fingerabdruck. Wenn sie an der Kasse vorbei gehen, zeigen sie diesen QR-Code dem Kassierer, der Kassierer scannt das von ihrem Handy und dann wird dieser Kassenzettel auf ihrer Cloud gespeichert und sie können das immer abrufen."
Das ist zum Beispiel auch in Garantiefällen praktisch, oder für die Steuererklärung, denn dann sind alle Kassenzettel an einem Ort gesammelt, außerdem spart es Papier. Nicole Mertgen von der Verbraucherzentrale in Bremen hält eine digitale Lösung an sich für eine gute Idee, man müsse aber wie bei allen Apps auf Folgendes achten:
Sorge um Datenschutz - Konkurrenz unter App-Entwicklern
"Wie sieht der Datenschutz aus? Was für Daten gebe ich überhaupt preis? Und am Ende des Tages: Möchte ich das auch wirklich? Weil jede App auch einen gewissen Datenleck mit sich führen kann."
Karimi versichert, dass seine Firma keine Daten verkaufen und auch keine Werbung schalten will. Die App soll für die Nutzer kostenfrei sein. Händler, die sein System anbieten wollen, bezahlen pro gescannten Kassenbon einen Cent. Dafür müssen sie in ihren bisherigen Kassensystemen eine Software installieren, brauchen keine speziellen Scanner anschaffen. Karimi ist nicht der einzige Entwickler, der an einer solchen App bastelt. Es gibt noch ein paar andere Anbieter, zum Beispiel in Regensburg, Hannover oder Düsseldorf. Bei manchen kann man die ausgedruckten Kassenbons zusätzlich einscannen, oder seine Finanzen verwalten. Bisher ist keine der Apps so weit, dass man sie bei genug Händlern einsetzen kann. Letztlich wird sich wahrscheinlich die App durchsetzen, die in den meisten Geschäften funktioniert. Ahmed Gazouly würde sich über eine digitale Lösung freuen und sie gerne in seinem Kiosk einsetzen. Aber bis es soweit ist, heißt es noch eine Weile:
"Wollen Sie einen Kassenzettel?"
"Nein, den können Sie gerne wegschmeißen."