Heute ist Dubai eine hypermoderne Millionen-Stadt aus 20- bis 60-stöckigen Glaspalästen – viereckig, rund, ellipsen- oder segelförmig in die Höhe ragend; schimmernd in strengem Dunkelblau oder dekoriert mit goldglitzernden Arabesken. – Steinerne und gläserne Pracht, gebrochen durch Parkanlagen aus Palmen, Blumenrabatten und makellos geschorenem Rasen; künstlich bewässert, versteht sich.
Zum Zeitvertreib trifft sich die "bessere Gesellschaft" auf der Pferderennbahn, einem weiten Oval aus kunstvoll angelegten Rasenflächen, Teichen und Wasserspielen; flankiert von einem lila beleuchteten Tribünen-Komplex in futuristischer Architektur. – Heute wird der "World Cup" ausgetragen; sieben Rennen mit 20 Millionen Dollar Preisgeld.
Beleibte Damen in Designer-Kleidern und reichlich Goldschmuck plaudern über Karrieren ihrer Kinder und lohnende Reiseziele. Ein junger Mann blickt angestrengt durchs Fernrohr, derweil ältere Herren bei edlen Häppchen Geschäftliches besprechen. – Schließlich naht der Höhepunkt des Abends – das letzte Rennen, bei dem es um sechs Millionen Dollar geht.
Wenige hundert Meter haben die Pferde noch vor sich, die ganze Loge ist aufgestanden, alle schreien wie von Sinnen. – Dann hat wieder mal Dubai gesiegt – genauer: ein Pferd aus dem Stall des Kronprinzen Scheich Mohammed Maktoum. Reitpferde sind das Hobby des Scheichs. Mehrere hundert hält er in klimatisierten Luxus-Ställen – betreut von den besten indischen Trainern und europäischen Jockeys.
In Dubai, bis 1971 britisches Protektorat, wurde 1966 Öl gefunden – nicht viel Öl allerdings. 80 Prozent des Öls der "Vereinigten Arabischen Emirate" gehören dem Nachbar-Emirat Abu Dhabi, nur acht Prozent Dubai.
Scheich Rashid Maktoum indes, damals Herrscher des – wirtschaftlich bis heute unabhängigen Dubai – sah sehr früh die Endlichkeit des Ölsegens. Und er sah, dass es im Mittleren Osten weit und breit keine wirklich funktionsfähige Handelsmetropole gab – kein Singapur oder Hongkong in einer Region mit 1,5 Milliarden potentiellen Kunden.
Und so bunkerte Rashid Maktoum sein Ölgeld nicht, wie so viele Scheichs, auf Schweizer Banken; er investierte stattdessen in internationalen Handel und Tourismus. Ende der 70er Jahre begann Rashid, Dubai zu einem Traum-Standort des internationalen Business zu machen – mit erstklassiger Infrastruktur, mit großzügigen Steuer- und Visabestimmungen für ausländische Investoren und für ausländische Arbeitnehmer, auf die man angewiesen war – wegen des damals niedrigen Bildungsstands der einheimischen Bevölkerung.
Dubai, unbeirrt von ringsum immer wieder aufflackernden Krisen, machte sich auf den mit zweistelligen Wachstumsraten gepflasterten Weg zum wirtschaftlichen Erfolg.
Der Hafen von Dubai, dreimal größer als der größte Indiens. Zwischen kilometerlangen Reihen gestapelter Container wuseln Sattelschlepper – sekundenschnell be- und entladen von Kränen der Ladebrücken. 2002 wurden hier 4,2 Millionen 20-Fuß-Container bewegt.
Der Hafen gehört zu Dubais größter Freihandelszone, Jebel Ali: Entlang vierspuriger Straßen reihen sich, wie auf einer Perlenschnur, Lager- und Produktionshallen, kleine Fabriken für Fahrzeugteile, Unterhaltungselektronik, Gemüsekonserven. – Bislang 2.400 internationale Firmen mit 50.000 Mitarbeitern haben sich in Jebel Ali angesiedelt; 2002 kamen 380 hinzu.
Der Deutsche Norbert Wirth arbeitet für "Trucktec International", einen saarländischen Hersteller von Auto-Ersatzteilen, der in Dubai 20 Mitarbeiter beschäftigt.
Wir haben Kunden in dieser Region, hauptsächlich Saudi-Arabien. Und wir hatten uns überlegt, näher bei den Kunden zu sein, da a) die Lieferzeit von Deutschland, bis produziert worden ist und zum nächsten Hafen geschickt worden, verschifft worden ist, zum Beispiel nach Damam und von dort aus nach Riad per LKW geht, vergehen fünf, sechs Wochen. Von hier aus innerhalb einer Woche ist die Ware beim Kunden. Das ist der eine Vorteil. Zweiter Vorteil ist, dass wir den Kunden regelmäßig beliefern können mit kleineren Mengen. Wenn wir dem Kunden diesen Service bieten, können wir natürlich auch mehr Umsatz machen mit dem Kunden, das ist ganz klar.
Wirth lobt die Infrastruktur der Freihandelszone – bedarfsgerechte Büro-, Lager- und Produktionsräume zu günstigen Preisen; reichlich Wasser aus gigantischen Entsalzungsanlagen, beste Strom- und Internet-Leitungen, rund um die Uhr geöffnete Behörden.
"Zentraler Grund, uns in der Freihandelszone anzusiedeln, war allerdings", sagt Wirth, "dass wir hier nicht, wie im Landesinnern, einen einheimischen Partner ins Boot nehmen mussten. Unser Betrieb gehört zu hundert Prozent uns; wir zahlen weder Steuern noch Zoll."
Die Ware kommt hier – Luftlinie – ein, zwei Kilometer von uns an, der Container, und wird dann zu uns hierher geliefert. Das heißt, es fallen keine teuren Inlandstransporte, nichts an. Wir bekommen zum Beispiel die Container aus Deutschland, können die hier bei uns umladen, bei uns einlagern, und können von hier aus per Truck weiter liefern in unsere Kernländer, wie zum Beispiel Saudi-Arabien auch.
Für den Waren-Vertrieb ist Dubai ein geradezu idealer Standort, erklärt Jürgen Friedrich von der lokalen Deutschen Handelskammer.
Der kürzeste Weg nach Zentralasien geht über Dubai. Sie haben von hier aus einen schnellen Zugang zum Sudan. Firmen berichten, dass sie aus Dubai schneller bestimmte Standorte im Westen Indiens erreichen können als von der indischen Vertretung. Einfach, weil hier die Umschlagszeiten so kurz sind. Man garantiert Ihnen hier beim Umschlag zwischen Luft- und Seefracht weniger als vier Stunden. Es ist also ein hochmoderner Logistikstandort entstanden, der also Ihnen Möglichkeiten schafft, die reichen eben bis runter nach Südafrika, wo es also auch sehr starke Beziehungen gibt, und enden nicht mal in Ostasien.
Die meisten Arbeitskräfte stammen vom indischen Subkontinent, Sri Lanka und den Philippinen; hochqualifizierte Fachkräfte auch aus Europa, insbesondere Großbritannien. Asiaten verdienen ein Mehrfaches ihres heimatlichen Lohns, auch Europäer deutlich mehr als zuhause, weil sie keine Einkommensteuer zahlen. Die Gesundheitsversorgung ist kostenlos; es gibt gute Schulen, vielerlei Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Inzwischen leben viermal mehr Ausländer als Einheimische im Emirat.
Dubai sieht sich heute, sagt Jürgen Friedrich, in einer Region der Krisen als Oase der Stabilität und auch deshalb als Handelszentrum der Region – mit zuletzt über zehn Prozent Wachstum pro Jahr.
Sie müssen sich vorstellen, dass es angefangen vom Iran-Irak-Krieg, der acht Jahre lang blutig geführt wurde, über den Golf-Krieg, die Afghanistan-Krise und jetzt Irak schon eine sehr lange Zeit gibt, in der diese Region damit gelernt hat, umzugehen. Und Dubai ist also am Rande dieser Krisen hervorragend in der Lage gewesen, sich a) politisch aus den Brennpunkten der jeweiligen Entwicklungen herauszuhalten und als Handelsplatz nicht Schaden zu nehmen, sondern im Gegenteil sogar zu profitieren. Das, was dann Länder wie Iran oder Irak nicht leisten konnten an Handel, an Infrastruktur entwickeln konnten, das stellt Dubai zur Verfügung. Und das geht so weit, dass man zum Beispiel jetzt in Jebel Ali in der Free Zone ein Logistikzentrum für die Vereinten Nationen einrichtet, nach dem Motto: Wenn wir schon ringsum Krisenherde haben, dann machen wir doch dafür die Versorgung.
Die Versorgung natürlich auch für den Zukunftsmarkt Irak. Jebel Ali mit seinem Hafen ist der ideale Umschlagplatz für Waren, die von hier aus leicht den einzigen irakischen Hafen, Um Kasr, erreichen können.
Dubais Flughafen. Die Sandpiste der 60er Jahre ist einem der modernsten Flughäfen der Welt gewichen. 2002 wurden 16 Millionen Passagiere abgefertigt, das jährliche Wachstum liegt bei 18 Prozent. Der Duty-free-Bereich, wo Gold kaum halb so viel kostet wie bei uns, machte 2002 300 Millionen-Dollar Umsatz.
Superlative zählen auch zum Alltag der 1985 gegründeten Fluggesellschaft "Emirates". Mit derzeit 45 Flugzeugen erzielte "Emirates" 2001/2002, im "annus horribilis" der Branche, einen satten Gewinn von 127 Millionen Dollar. "Wir haben den weltweit vielleicht besten Bord-Service" erklärt Manager Nigel Page den Gewinn. "Und unsere Märkte waren von den Ereignissen nach dem 11. September 2001 kaum berührt."
Ab 2004 will "Emirates" neben Asien und Europa auch die USA ins Flugprogramm aufnehmen: "Dubai – San Francisco non-stop" zum Beispiel in siebzehneinviertel Stunden. Kürzlich hat die Gesellschaft gleich 22 Exemplare des doppelstöckigen "Airbus 380" fest bestellt – aus gutem Grund, sagt Page.
Es steht für mich außer Frage, dass viele große Flughäfen dieser Welt recht bald damit konfrontiert sein werden, die Zahl der Flugbewegungen begrenzen zu müssen. Andererseits wird jedoch der Flugmarkt expandieren, im Tourismus- wie im Businessbereich. Drittens schließlich dürften die Gewinnmargen im Passagier- und Frachtverkehr weiter sinken. Wer als Airline deshalb auch in Zukunft profitabel arbeiten will, muss die Kosten pro Sitz senken, und er muss pro Flugbewegung mehr Passagiere zu und von den großen Flughäfen transportieren als bisher.
Wir befinden uns in einer unserer Standard-Suiten, die wir Beduinen-Suiten nennen, weil sie von der Gestaltung her an die Zelte arabischer Beduinen angelehnt sind. Hier das komfortable Kingsize-Bett, das luxuriöse Bad, dort auf der Holzveranda ein kleiner Pool, umgeben von Sanddünen. Manchmal trauen sich Antilopen ganz nah an die Suiten heran – mag sein, gerade dann, wenn Sie als Gast auf Ihrer Veranda ein romantisches Dinner genießen.
Das Interieur der Suite ist in edlem Holz gehalten, in den Pastellfarben lindgrün, rauchblau, sandgelb. Betreuerin Devie Alde deutet auf Aquarellpinsel und Fernrohr; nicht weit entfernt labt sich eine Herde der vor 20 Jahren fast ausgestorbenen, schneeweißen Oryx-Antilopen an einem künstlichen Wasserloch.
"Al Maha" – 45 Minuten außerhalb von Dubai City; ein Hotel der absoluten Luxusklasse mitten in einem 20 Quadratkilometer großen Wüstenreservat. 28 unauffällig wirkende Zeltbauten, 105 Mitarbeiter für maximal 60 Gäste; Ruhe für die Sinne und Natur hautnah – für den, der es sich leisten kann: Die Preise beginnen bei 1.200 Dollar pro Nacht.
"Tourismus" heißt das zweite wirtschaftliche Standbein Dubais. Fünf Millionen Gäste bevölkerten im letzten Jahr die 300 Hotels mit 22.000 Zimmern; Dubai hat als Reiseziel Ägypten überrundet. 2010 sollen 15 Millionen Besucher Wüstensafaris unternehmen, Tennis oder Golf spielen oder an den Stränden des Emirats surfen.
Weil es an Stränden fehlt in Dubai, werden neue ganz einfach produziert. So bauen internationale Experten derzeit zwei künstliche Inseln in der Form von Palmen – je elf mal elf Kilometer groß. Lastkähne schaffen Felsbrocken aus dem Küstengebirge eines Nachbaremirats heran, die nach genau berechnetem System aufeinander geschichtet werden. Spezialschiffe spucken 5.000 Tonnen Sand pro Stunde auf die neuen Inseln. Allein Landgewinnung und Infrastruktur kosten pro Insel 1,5 Milliarden Euro.
Pro Insel, die wir aus dem Meeresboden stampfen, benötigen wir rund 100 Millionen Kubikmeter Sand und Steine. Mit diesem absolut außergewöhnlichen Projekt schenken wir Dubai 160 Kilometer neuer wunderschöner Strände. Wir schaffen neue Strände und Freizeitmöglichkeiten für all jene, die die Sonne lieben, für unsere Freunde aus Deutschland und der Schweiz zum Beispiel. Ihnen legen wir dieses gigantische Projekt zu Füßen, ein Projekt, das einzigartig ist in der Welt und im Grunde ein Weltwunder.
50 Themenhotels sollen auf jeder Insel entstehen – sagt Projektmanager Saif Shamsi. Auf der Insel "Jumeirah Palm" seien die Hotel-Plots, 1.200 Villen und 2.400 Appartments bereits ausverkauft.– Dass der Tourismus-Boom, unterbrochen allenfalls durch ein paar Krisendellen, weitergeht, steht für Hans Haensel, Tourismus-Manager bei "Emirates", außer Frage.
Wir sind also direkt im Zentrum zwischen Ost und West – sechs Stunden Flug nach Frankfurt, sieben Stunden Flug nach Singapur. Das ist ein riesiger Einzugsbereich. Der Mittlere Osten selbst hat praktisch eine potentielle Kundenzahl von 220 Millionen Menschen. Also ein Drittel unseres Geschäfts kommt vom Mittleren Osten, ein Drittel von Europa und ein Drittel von Asien, Afrika, Australien. Also durch dieses Einzugsgebiet sind wir also schon optimistisch, dass man ein jährliches Wachstum zwischen 17 und 20 Prozent erreichen kann.
In dieser Zeit also laufen die Touristen überall, und wenn wir grade gucken, draußen, da ist wenig los. Obwohl Sie können spüren, wie sicher die Stadt ist. Ich will nur mal sagen, dass wir 1.500 Kilometer, 1.600 Kilometer weit weg sind von Kuwait, das ist richtig weit weg. –Die Strandhotels sind 35 Prozent belegt. In den nächsten Wochen wissen wir nicht, ob das weniger wird oder so bleibt.
Reiseführer Walid Mohammed, der in Kairo Germanistik studiert hat, kann den Optimismus der Manager, zumindest im Moment, nicht nachvollziehen. Wenn die vielen vom Irak-Krieg verschreckten Touristen nicht bald wiederkommen, muss Walid um seinen Job bangen.
Dubai als Zuhause. Rund 800.000 Ausländer leben zusammen mit 200.000 einheimischen Arabern. – Jürgen Friedrich, Chef der deutschen Handelskammer, fühlt sich wohl im – für arabische Verhältnisse – überaus liberalen Dubai, wo Hindu-Tempel und Kirchen neben Moscheen stehen, wo europäische Frauen ungezwungen wie in London oder Paris durch die Stadt gehen.
Ins Grübeln bringt Friedrich allenfalls die Situation der Arbeiter vom indischen Subkontinent. Viele dieser Arbeiter hausen, um Geld für die Familie zu sparen, zu viert in einem Zimmer. Für sie gelten Visa-Regeln, die den Nachzug der Familie unmöglich machen; bei kleinstem Anlaß wird ausgewiesen.
Die Spielregeln sind allen bekannt und werden auch streng angewandt, für uns als Europäer zum Teil in einer sehr unsozialen Weise. Es gibt in der täglichen Praxis dann immer auch wieder Beispiele, dass zum Beispiel ein Hausmädchen, das schwanger wird, innerhalb von wenigen Monaten das Land verlassen muss, weil es eben nicht die erforderliche Höhe des Einkommens aufweisen kann, um eine Familie zu ernähren.
Dass Demonstrationen, Gewerkschaften und Parteien verboten sind unter der absoluten Monarchie Dubais, scheint insbesondere die Staatsbürger des Emirats wenig zu stören. Sie leben in einer sozialen Hängematte, die es so wohl nur am Persischen Golf gibt:
Alle Gesundheitsdienste und ein erstklassiges Bildungsangebot sind kostenlos; junge Leute bekommen zur Hochzeit ein Stück Bauland vom Staat und 130.000 Euro, was für den Bau eines ordentlichen Hauses reicht. Dubaier zahlen keinen Cent für Strom; ihr Pensionsfond wird vom Staat derart massiv bezuschußt, dass keiner als Rentner weniger bekommt als im Arbeitsleben.
Eine goldene Nase verdienen sich viele Dubaier nicht zuletzt damit, dass sie als Pflichtpartner all der ausländischen Investoren auftreten, die außerhalb der Freihandelszonen operieren. Der 26jährige Ali Abdulwahab zum Beispiel verfügt über ein erkleckliches Zweiteinkommen.
Neben meinem Job bei der Regierung bin ich zu 40 Prozent an einer Marmorfabrik hier in Dubai beteiligt. Viele Einheimische halten ähnliche Beteiligungen. Sie haben in ein von Ausländern geführtes Geschäft investiert oder treten zumindest als dessen Sponsor auf.
Mit einem einheimischen Partner baut der Deutsche Rolf Weber den "21st Century Tower", das mit 269 Metern vierthöchste Gebäude Dubais. "Ewig kann das hier nicht so weitergehen", hat Rolf Weber gesagt. "Irgendwann kommt der große Knall."
Seit fünf Jahren, wo ich also hier jetzt bin, da überlege ich mir jedes Jahr wieder aufs neue, wer in diesen ganzen Häusern und diesen Hochhäusern und diesen Villen, wer da wohnt. Ich meine, dieses Jahr wurden glaube ich im ganzen schon 6.000 Villen wieder vergeben, wo gebaut werden, und Hochhäuser jede Menge ausgeschrieben. Ich glaube jetzt, in den nächsten zwei Jahren oder so, sind 60 Hochhäuser wieder geplant, wo auch zur Ausführung kommen. Da muss man sich wirklich fragen, wer darin wohnt. Aber wenn man die Reports und die Zeitungsberichte glauben kann, dann sind die meisten schon verkauft.
Zum Zeitvertreib trifft sich die "bessere Gesellschaft" auf der Pferderennbahn, einem weiten Oval aus kunstvoll angelegten Rasenflächen, Teichen und Wasserspielen; flankiert von einem lila beleuchteten Tribünen-Komplex in futuristischer Architektur. – Heute wird der "World Cup" ausgetragen; sieben Rennen mit 20 Millionen Dollar Preisgeld.
Beleibte Damen in Designer-Kleidern und reichlich Goldschmuck plaudern über Karrieren ihrer Kinder und lohnende Reiseziele. Ein junger Mann blickt angestrengt durchs Fernrohr, derweil ältere Herren bei edlen Häppchen Geschäftliches besprechen. – Schließlich naht der Höhepunkt des Abends – das letzte Rennen, bei dem es um sechs Millionen Dollar geht.
Wenige hundert Meter haben die Pferde noch vor sich, die ganze Loge ist aufgestanden, alle schreien wie von Sinnen. – Dann hat wieder mal Dubai gesiegt – genauer: ein Pferd aus dem Stall des Kronprinzen Scheich Mohammed Maktoum. Reitpferde sind das Hobby des Scheichs. Mehrere hundert hält er in klimatisierten Luxus-Ställen – betreut von den besten indischen Trainern und europäischen Jockeys.
In Dubai, bis 1971 britisches Protektorat, wurde 1966 Öl gefunden – nicht viel Öl allerdings. 80 Prozent des Öls der "Vereinigten Arabischen Emirate" gehören dem Nachbar-Emirat Abu Dhabi, nur acht Prozent Dubai.
Scheich Rashid Maktoum indes, damals Herrscher des – wirtschaftlich bis heute unabhängigen Dubai – sah sehr früh die Endlichkeit des Ölsegens. Und er sah, dass es im Mittleren Osten weit und breit keine wirklich funktionsfähige Handelsmetropole gab – kein Singapur oder Hongkong in einer Region mit 1,5 Milliarden potentiellen Kunden.
Und so bunkerte Rashid Maktoum sein Ölgeld nicht, wie so viele Scheichs, auf Schweizer Banken; er investierte stattdessen in internationalen Handel und Tourismus. Ende der 70er Jahre begann Rashid, Dubai zu einem Traum-Standort des internationalen Business zu machen – mit erstklassiger Infrastruktur, mit großzügigen Steuer- und Visabestimmungen für ausländische Investoren und für ausländische Arbeitnehmer, auf die man angewiesen war – wegen des damals niedrigen Bildungsstands der einheimischen Bevölkerung.
Dubai, unbeirrt von ringsum immer wieder aufflackernden Krisen, machte sich auf den mit zweistelligen Wachstumsraten gepflasterten Weg zum wirtschaftlichen Erfolg.
Der Hafen von Dubai, dreimal größer als der größte Indiens. Zwischen kilometerlangen Reihen gestapelter Container wuseln Sattelschlepper – sekundenschnell be- und entladen von Kränen der Ladebrücken. 2002 wurden hier 4,2 Millionen 20-Fuß-Container bewegt.
Der Hafen gehört zu Dubais größter Freihandelszone, Jebel Ali: Entlang vierspuriger Straßen reihen sich, wie auf einer Perlenschnur, Lager- und Produktionshallen, kleine Fabriken für Fahrzeugteile, Unterhaltungselektronik, Gemüsekonserven. – Bislang 2.400 internationale Firmen mit 50.000 Mitarbeitern haben sich in Jebel Ali angesiedelt; 2002 kamen 380 hinzu.
Der Deutsche Norbert Wirth arbeitet für "Trucktec International", einen saarländischen Hersteller von Auto-Ersatzteilen, der in Dubai 20 Mitarbeiter beschäftigt.
Wir haben Kunden in dieser Region, hauptsächlich Saudi-Arabien. Und wir hatten uns überlegt, näher bei den Kunden zu sein, da a) die Lieferzeit von Deutschland, bis produziert worden ist und zum nächsten Hafen geschickt worden, verschifft worden ist, zum Beispiel nach Damam und von dort aus nach Riad per LKW geht, vergehen fünf, sechs Wochen. Von hier aus innerhalb einer Woche ist die Ware beim Kunden. Das ist der eine Vorteil. Zweiter Vorteil ist, dass wir den Kunden regelmäßig beliefern können mit kleineren Mengen. Wenn wir dem Kunden diesen Service bieten, können wir natürlich auch mehr Umsatz machen mit dem Kunden, das ist ganz klar.
Wirth lobt die Infrastruktur der Freihandelszone – bedarfsgerechte Büro-, Lager- und Produktionsräume zu günstigen Preisen; reichlich Wasser aus gigantischen Entsalzungsanlagen, beste Strom- und Internet-Leitungen, rund um die Uhr geöffnete Behörden.
"Zentraler Grund, uns in der Freihandelszone anzusiedeln, war allerdings", sagt Wirth, "dass wir hier nicht, wie im Landesinnern, einen einheimischen Partner ins Boot nehmen mussten. Unser Betrieb gehört zu hundert Prozent uns; wir zahlen weder Steuern noch Zoll."
Die Ware kommt hier – Luftlinie – ein, zwei Kilometer von uns an, der Container, und wird dann zu uns hierher geliefert. Das heißt, es fallen keine teuren Inlandstransporte, nichts an. Wir bekommen zum Beispiel die Container aus Deutschland, können die hier bei uns umladen, bei uns einlagern, und können von hier aus per Truck weiter liefern in unsere Kernländer, wie zum Beispiel Saudi-Arabien auch.
Für den Waren-Vertrieb ist Dubai ein geradezu idealer Standort, erklärt Jürgen Friedrich von der lokalen Deutschen Handelskammer.
Der kürzeste Weg nach Zentralasien geht über Dubai. Sie haben von hier aus einen schnellen Zugang zum Sudan. Firmen berichten, dass sie aus Dubai schneller bestimmte Standorte im Westen Indiens erreichen können als von der indischen Vertretung. Einfach, weil hier die Umschlagszeiten so kurz sind. Man garantiert Ihnen hier beim Umschlag zwischen Luft- und Seefracht weniger als vier Stunden. Es ist also ein hochmoderner Logistikstandort entstanden, der also Ihnen Möglichkeiten schafft, die reichen eben bis runter nach Südafrika, wo es also auch sehr starke Beziehungen gibt, und enden nicht mal in Ostasien.
Die meisten Arbeitskräfte stammen vom indischen Subkontinent, Sri Lanka und den Philippinen; hochqualifizierte Fachkräfte auch aus Europa, insbesondere Großbritannien. Asiaten verdienen ein Mehrfaches ihres heimatlichen Lohns, auch Europäer deutlich mehr als zuhause, weil sie keine Einkommensteuer zahlen. Die Gesundheitsversorgung ist kostenlos; es gibt gute Schulen, vielerlei Sport- und Freizeitmöglichkeiten. Inzwischen leben viermal mehr Ausländer als Einheimische im Emirat.
Dubai sieht sich heute, sagt Jürgen Friedrich, in einer Region der Krisen als Oase der Stabilität und auch deshalb als Handelszentrum der Region – mit zuletzt über zehn Prozent Wachstum pro Jahr.
Sie müssen sich vorstellen, dass es angefangen vom Iran-Irak-Krieg, der acht Jahre lang blutig geführt wurde, über den Golf-Krieg, die Afghanistan-Krise und jetzt Irak schon eine sehr lange Zeit gibt, in der diese Region damit gelernt hat, umzugehen. Und Dubai ist also am Rande dieser Krisen hervorragend in der Lage gewesen, sich a) politisch aus den Brennpunkten der jeweiligen Entwicklungen herauszuhalten und als Handelsplatz nicht Schaden zu nehmen, sondern im Gegenteil sogar zu profitieren. Das, was dann Länder wie Iran oder Irak nicht leisten konnten an Handel, an Infrastruktur entwickeln konnten, das stellt Dubai zur Verfügung. Und das geht so weit, dass man zum Beispiel jetzt in Jebel Ali in der Free Zone ein Logistikzentrum für die Vereinten Nationen einrichtet, nach dem Motto: Wenn wir schon ringsum Krisenherde haben, dann machen wir doch dafür die Versorgung.
Die Versorgung natürlich auch für den Zukunftsmarkt Irak. Jebel Ali mit seinem Hafen ist der ideale Umschlagplatz für Waren, die von hier aus leicht den einzigen irakischen Hafen, Um Kasr, erreichen können.
Dubais Flughafen. Die Sandpiste der 60er Jahre ist einem der modernsten Flughäfen der Welt gewichen. 2002 wurden 16 Millionen Passagiere abgefertigt, das jährliche Wachstum liegt bei 18 Prozent. Der Duty-free-Bereich, wo Gold kaum halb so viel kostet wie bei uns, machte 2002 300 Millionen-Dollar Umsatz.
Superlative zählen auch zum Alltag der 1985 gegründeten Fluggesellschaft "Emirates". Mit derzeit 45 Flugzeugen erzielte "Emirates" 2001/2002, im "annus horribilis" der Branche, einen satten Gewinn von 127 Millionen Dollar. "Wir haben den weltweit vielleicht besten Bord-Service" erklärt Manager Nigel Page den Gewinn. "Und unsere Märkte waren von den Ereignissen nach dem 11. September 2001 kaum berührt."
Ab 2004 will "Emirates" neben Asien und Europa auch die USA ins Flugprogramm aufnehmen: "Dubai – San Francisco non-stop" zum Beispiel in siebzehneinviertel Stunden. Kürzlich hat die Gesellschaft gleich 22 Exemplare des doppelstöckigen "Airbus 380" fest bestellt – aus gutem Grund, sagt Page.
Es steht für mich außer Frage, dass viele große Flughäfen dieser Welt recht bald damit konfrontiert sein werden, die Zahl der Flugbewegungen begrenzen zu müssen. Andererseits wird jedoch der Flugmarkt expandieren, im Tourismus- wie im Businessbereich. Drittens schließlich dürften die Gewinnmargen im Passagier- und Frachtverkehr weiter sinken. Wer als Airline deshalb auch in Zukunft profitabel arbeiten will, muss die Kosten pro Sitz senken, und er muss pro Flugbewegung mehr Passagiere zu und von den großen Flughäfen transportieren als bisher.
Wir befinden uns in einer unserer Standard-Suiten, die wir Beduinen-Suiten nennen, weil sie von der Gestaltung her an die Zelte arabischer Beduinen angelehnt sind. Hier das komfortable Kingsize-Bett, das luxuriöse Bad, dort auf der Holzveranda ein kleiner Pool, umgeben von Sanddünen. Manchmal trauen sich Antilopen ganz nah an die Suiten heran – mag sein, gerade dann, wenn Sie als Gast auf Ihrer Veranda ein romantisches Dinner genießen.
Das Interieur der Suite ist in edlem Holz gehalten, in den Pastellfarben lindgrün, rauchblau, sandgelb. Betreuerin Devie Alde deutet auf Aquarellpinsel und Fernrohr; nicht weit entfernt labt sich eine Herde der vor 20 Jahren fast ausgestorbenen, schneeweißen Oryx-Antilopen an einem künstlichen Wasserloch.
"Al Maha" – 45 Minuten außerhalb von Dubai City; ein Hotel der absoluten Luxusklasse mitten in einem 20 Quadratkilometer großen Wüstenreservat. 28 unauffällig wirkende Zeltbauten, 105 Mitarbeiter für maximal 60 Gäste; Ruhe für die Sinne und Natur hautnah – für den, der es sich leisten kann: Die Preise beginnen bei 1.200 Dollar pro Nacht.
"Tourismus" heißt das zweite wirtschaftliche Standbein Dubais. Fünf Millionen Gäste bevölkerten im letzten Jahr die 300 Hotels mit 22.000 Zimmern; Dubai hat als Reiseziel Ägypten überrundet. 2010 sollen 15 Millionen Besucher Wüstensafaris unternehmen, Tennis oder Golf spielen oder an den Stränden des Emirats surfen.
Weil es an Stränden fehlt in Dubai, werden neue ganz einfach produziert. So bauen internationale Experten derzeit zwei künstliche Inseln in der Form von Palmen – je elf mal elf Kilometer groß. Lastkähne schaffen Felsbrocken aus dem Küstengebirge eines Nachbaremirats heran, die nach genau berechnetem System aufeinander geschichtet werden. Spezialschiffe spucken 5.000 Tonnen Sand pro Stunde auf die neuen Inseln. Allein Landgewinnung und Infrastruktur kosten pro Insel 1,5 Milliarden Euro.
Pro Insel, die wir aus dem Meeresboden stampfen, benötigen wir rund 100 Millionen Kubikmeter Sand und Steine. Mit diesem absolut außergewöhnlichen Projekt schenken wir Dubai 160 Kilometer neuer wunderschöner Strände. Wir schaffen neue Strände und Freizeitmöglichkeiten für all jene, die die Sonne lieben, für unsere Freunde aus Deutschland und der Schweiz zum Beispiel. Ihnen legen wir dieses gigantische Projekt zu Füßen, ein Projekt, das einzigartig ist in der Welt und im Grunde ein Weltwunder.
50 Themenhotels sollen auf jeder Insel entstehen – sagt Projektmanager Saif Shamsi. Auf der Insel "Jumeirah Palm" seien die Hotel-Plots, 1.200 Villen und 2.400 Appartments bereits ausverkauft.– Dass der Tourismus-Boom, unterbrochen allenfalls durch ein paar Krisendellen, weitergeht, steht für Hans Haensel, Tourismus-Manager bei "Emirates", außer Frage.
Wir sind also direkt im Zentrum zwischen Ost und West – sechs Stunden Flug nach Frankfurt, sieben Stunden Flug nach Singapur. Das ist ein riesiger Einzugsbereich. Der Mittlere Osten selbst hat praktisch eine potentielle Kundenzahl von 220 Millionen Menschen. Also ein Drittel unseres Geschäfts kommt vom Mittleren Osten, ein Drittel von Europa und ein Drittel von Asien, Afrika, Australien. Also durch dieses Einzugsgebiet sind wir also schon optimistisch, dass man ein jährliches Wachstum zwischen 17 und 20 Prozent erreichen kann.
In dieser Zeit also laufen die Touristen überall, und wenn wir grade gucken, draußen, da ist wenig los. Obwohl Sie können spüren, wie sicher die Stadt ist. Ich will nur mal sagen, dass wir 1.500 Kilometer, 1.600 Kilometer weit weg sind von Kuwait, das ist richtig weit weg. –Die Strandhotels sind 35 Prozent belegt. In den nächsten Wochen wissen wir nicht, ob das weniger wird oder so bleibt.
Reiseführer Walid Mohammed, der in Kairo Germanistik studiert hat, kann den Optimismus der Manager, zumindest im Moment, nicht nachvollziehen. Wenn die vielen vom Irak-Krieg verschreckten Touristen nicht bald wiederkommen, muss Walid um seinen Job bangen.
Dubai als Zuhause. Rund 800.000 Ausländer leben zusammen mit 200.000 einheimischen Arabern. – Jürgen Friedrich, Chef der deutschen Handelskammer, fühlt sich wohl im – für arabische Verhältnisse – überaus liberalen Dubai, wo Hindu-Tempel und Kirchen neben Moscheen stehen, wo europäische Frauen ungezwungen wie in London oder Paris durch die Stadt gehen.
Ins Grübeln bringt Friedrich allenfalls die Situation der Arbeiter vom indischen Subkontinent. Viele dieser Arbeiter hausen, um Geld für die Familie zu sparen, zu viert in einem Zimmer. Für sie gelten Visa-Regeln, die den Nachzug der Familie unmöglich machen; bei kleinstem Anlaß wird ausgewiesen.
Die Spielregeln sind allen bekannt und werden auch streng angewandt, für uns als Europäer zum Teil in einer sehr unsozialen Weise. Es gibt in der täglichen Praxis dann immer auch wieder Beispiele, dass zum Beispiel ein Hausmädchen, das schwanger wird, innerhalb von wenigen Monaten das Land verlassen muss, weil es eben nicht die erforderliche Höhe des Einkommens aufweisen kann, um eine Familie zu ernähren.
Dass Demonstrationen, Gewerkschaften und Parteien verboten sind unter der absoluten Monarchie Dubais, scheint insbesondere die Staatsbürger des Emirats wenig zu stören. Sie leben in einer sozialen Hängematte, die es so wohl nur am Persischen Golf gibt:
Alle Gesundheitsdienste und ein erstklassiges Bildungsangebot sind kostenlos; junge Leute bekommen zur Hochzeit ein Stück Bauland vom Staat und 130.000 Euro, was für den Bau eines ordentlichen Hauses reicht. Dubaier zahlen keinen Cent für Strom; ihr Pensionsfond wird vom Staat derart massiv bezuschußt, dass keiner als Rentner weniger bekommt als im Arbeitsleben.
Eine goldene Nase verdienen sich viele Dubaier nicht zuletzt damit, dass sie als Pflichtpartner all der ausländischen Investoren auftreten, die außerhalb der Freihandelszonen operieren. Der 26jährige Ali Abdulwahab zum Beispiel verfügt über ein erkleckliches Zweiteinkommen.
Neben meinem Job bei der Regierung bin ich zu 40 Prozent an einer Marmorfabrik hier in Dubai beteiligt. Viele Einheimische halten ähnliche Beteiligungen. Sie haben in ein von Ausländern geführtes Geschäft investiert oder treten zumindest als dessen Sponsor auf.
Mit einem einheimischen Partner baut der Deutsche Rolf Weber den "21st Century Tower", das mit 269 Metern vierthöchste Gebäude Dubais. "Ewig kann das hier nicht so weitergehen", hat Rolf Weber gesagt. "Irgendwann kommt der große Knall."
Seit fünf Jahren, wo ich also hier jetzt bin, da überlege ich mir jedes Jahr wieder aufs neue, wer in diesen ganzen Häusern und diesen Hochhäusern und diesen Villen, wer da wohnt. Ich meine, dieses Jahr wurden glaube ich im ganzen schon 6.000 Villen wieder vergeben, wo gebaut werden, und Hochhäuser jede Menge ausgeschrieben. Ich glaube jetzt, in den nächsten zwei Jahren oder so, sind 60 Hochhäuser wieder geplant, wo auch zur Ausführung kommen. Da muss man sich wirklich fragen, wer darin wohnt. Aber wenn man die Reports und die Zeitungsberichte glauben kann, dann sind die meisten schon verkauft.