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Boris gegen Ken

Boris Johnson, Londons konservativer Bürgermeister, will heute gegen seinen Vorgänger gewinnen: Ken Livingstone, Labour-Mann, will dagegen seinen Nachfolger um das höchste Amt der Stadt ablösen. Beide strotzen vor Egomanie - und führten den Wahlkampf alles andere als gentlemanlike.

Von Jochen Spengler | 03.05.2012
    Sieben Kandidaten wollen Bürgermeister werden, aber nur zwei haben eine reelle Chance. Boris und Ken. Bis zur letzten Minute tobt der Kampf der beiden eitlen, profilierten und exzentrischen Egomanen, die das ganze Land beim Vornamen nennt.

    Boris Johnson ist der Platzhirsch; ein 47-jähriges, wuchtiges Original, ein großspuriger Konservativer, dessen Blondschopf immer aussieht, als habe er gerade in die Steckdose gegriffen.

    "Jeder erwartet, dass es ein K.O.-Wettkampf sein wird, weil es eben ein fantastischer Job ist - und ich werde mein Bestes tun, um ihn zu behalten."

    Dabei hat der Bürgermeister, der als faul, aber volksnah gilt, nur allmählich Spaß am Amt gefunden. Wohl auch, weil der aus gutem Haus stammende Eton-Zögling angeblich nach Höherem strebt, an die Spitze der Konservativen und der Regierung.

    Es gebe das Risiko, peitscht der charismatische Boris seine Parteifreunde an, dass London an seinen Konkurrenten Ken falle, also an …

    "… steuerzahlerfinanzierte, Chateuneuf-du-Pape-saufende, die Außenbezirke vernachlässigende, autohassende Trotzkisten und Gelenkbus-Fetischisten."

    Johnson rechnet es sich als Leistung an, die Gelenkbusse aus dem Verkehr gezogen und stattdessen traditionelle Doppelstockbusse bestellt zu haben. Aber so urteilt Politikprofessor Patrick Dunleavy:

    "Es ist in seiner Amtszeit wirklich nicht viel geschehen und es ist auch nicht viel schief gegangen mit Ausnahme der Unruhen im letzten August; die Verantwortung dafür hat er aber auf die Polizei abgewälzt."

    Ob Leihfahrräder, die sogenannten Boris-Bikes, Citymaut, neue U-Bahn- und Buslinien, Schülerfreifahrten oder Olympische Spiele: Boris erntete die Früchte, die sein Vorgänger gesät hatte.

    Der heißt Ken Livingstone; ein profilierter Labour-Mann, Arbeiterkind, 19 Jahre älter als Johnson. Red Ken hat schon gegen Maggie Thatcher gestritten. Acht Jahre lang war er Londons Bürgermeister. Jetzt hätte er gern den Job zurück, den er 2008 an Boris verlor:

    "Es könnte keine klarere Wahl geben. Sie können einen haben wie mich, mit langjähriger Hingabe an London, oder einen, der den Job nur als Zwischenschritt sieht auf dem Weg zum Vorsitzenden der Tory-Partei."

    Das klingt nahezu harmlos. Vor einigen Monaten hatte Ken noch näselnd behauptet, es sei eine Wahl zwischen Gut und Böse, wie seinerzeit zwischen Churchill und Hitler. Livingstones wichtigsten Programmpunkt: die Senkung der U-Bahn-Fahrpreise um sieben Prozent, hält Johnson für nicht finanzierbar. Er will stattdessen die Preise erhöhen und in die Infrastruktur investieren. Ansonsten wurde vorgerechnet, wer wie viele Steuern gezahlt hat, und über Zahlen, Statistiken, gebrochene und künftige Versprechen gestritten. Viel Rhetorik, wenig Substanz meinten Wähler:

    "Boris sage, was er denke, er sei weder Clown noch der übliche 08/15-Politiker".

    Vielen Wählern gilt Ken als zu ernst und alt; Boris dagegen als lustiger Kumpel, dem man auch die zahllosen Affären nicht übel nimmt. Er bringe die Leute zum Lachen, hat auch Rivale Ken im Wahlkampf erfahren:

    "Er hat doch die Fahrpreise erhöht."

    "Ach ja, aber er bringt mich zum Lachen."

    "Wenn dies hier ein Wettbewerb in einer Comedyschau ist, lasse ich Dir den Vortritt. Mach Du das und ich werde Bürgermeister und senke die Fahrpreise."

    Doch Umfragen zufolge liegt Boris Johnson vorn. Ken Livingstone hofft darauf, dass ihn das Popularitätstief der Konservativen rettet. Es ist seine einzige Chance, sagt Wahlforscher Tony Travers:

    "Es wird ein knappes Rennen. Wenn Boris Johnson gewinnt, dann hat allein er es geschafft, und nicht die konservative Partei. Wenn Ken Livingston gewinnt, dann war es das Verdienst der Labour-Partei und nicht das von Ken Livingston."

    Auch die Prognosen für die zeitgleich vielerorts in Großbritannien stattfindenden Kommunalwahlen sind eindeutig. Labour wird siegen, die in Westminister regierenden Konservativen und Liberalen werden Hunderte Gemeinderäte einbüßen.