Archiv


Borsellino gegen Berlusconi

Sie ist 55 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und Schwester des berühmten Mafia-Jägers Paolo Borsellino, der 1992 in Palermo ermordet wurde. Jetzt zieht es Rita Borsellino in die Politik: Bei Vorwahlen in Sizilien wurde sie zur Spitzenkandidatin für das Amt des Regionalpräsidenten gekürt. Eine Kampfansage an Silvio Berlsuconi? Karl Hoffmann berichtet.

    Noch vor ein paar Wochen galt sie als absoluter Außenseiter, ein Paradiesvogel im harten politischen Geschäft Siziliens. Doch seit Sonntag ist Rita Borsellino nicht mehr die Schwester des ermordeten Anti-Mafia Richters, sondern der Vorbote eines politischen Frühlings im italienischen Süden, der schlimmer den je gebeutelt ist von Vetternwirtschaft, von üblen Machenschaften zwischen Politikern, zwielichtigen Funktionären und den Vertretern der Mafia. Hier hatte Silvio Berlusconi vor viereinhalb Jahren einen beispiellosen Sieg errungen: absolute Mehrheit in sämtlichen sizilianischen Wahlkreisen. Jetzt, mit Rita Borsellino als temperamentvolle Gegnerin wird sich das Blättchen wenden.

    "Man wird sich nun zusammensetzen an dem zukünftigen Regierungsprogramm in Sizilien arbeiten und dann die eigentlich Wahl angehen. Dabei müssen eine Menge Differenzen abgeklärt werden, aber dadurch wächst man."

    Die Differenzen sind vielfältiger Natur. Rita Borsellino wurde nämlich nicht von Parteifunktionären gekürt sondern durch so genannte Primarie, Vorwahlen, bei denen die Wähler selbst über die angebotenen Kandidaten bestimmen können. In Sizilien haben immerhin fast 200.000 Menschen ihre Stimme bei dieser Kandidatenwahl abgegeben, zwei Drittel davon für Rita Borsellino.

    Ihr Erfolg beim Publikum hat allerdings für Ärger in der Mitte-Links-Koalition gesorgt, für die sie antreten will. Denn sie verkörpert Eigenschaften wie Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Bürgersinn, die allen sizilianischen Politikern eher fremd sind. In Sizilien, so sagt man, regiert die PUS, Partito Unico Siciliano – die sizilianische Einheitspartei. Links und Rechts lassen sich oft schwer unterscheiden, alle arrangieren sich mit der Mafia um die nötigen Stimmen für ihre Wahl zu bekommen. Wie etwa Toto Cuffaro, der bisherige Regionspräsident, der sogar unter Anklage steht. Was ihn aber nicht daran hindert nächstes Jahr gegen Rita Borsellino anzutreten:

    "Natürlich werde ich wieder kandidieren, weil ich das so will und weil meine Koalition mich einstimmig zum Kandidaten nominiert hat."

    Der Mafiaverdächtige Cuffaro ist derzeit die einzige Chance für Silvio Berlusconi, die gleichzeitig mit den sizilianischen Regionalwahlen stattfindenden Parlamentswahlen zu gewinnen. Denn ohne die Stimmen der Sizilianer gibt es keine Mehrheit in Rom. Das gilt schon seit den Zeiten des vielmaligen Regierungschef Giulio Andreotti. Er hatte seine Hausmacht immer in Sizilien, auch er kam deshalb in den Ruch, mit Mafiabossen gemeinsame Sache gemacht zu haben.

    Die Mafia hat immer noch die Macht, viele Wählerstimmen zu manipulieren, mit Arbeitsplätzen, Wahlgeschenken oder auch mit unverhüllten Drohungen. Rita Borsellino wird sich nicht mit der Mafia arrangieren und hofft auf die vielen Bürger, die schon einmal für eine Wende gesorgt haben, als Leoluca Orlando Bürgermeister von Palermo wurde und in Rom zum ersten Mal eine Mitte-Links-Koalition ans Ruder kam. Die Vorzeichen stehen günstig:

    "Ich bin sehr zufrieden mit der breiten Zustimmung der Bürger, ich habe lange daraufhin gearbeitet, jetzt gibt es konkrete Ergebnisse."

    Rita Borsellino hat gute Chancen auf einen Wahlsieg in Sizilien. Die kleine rundliche stets freundlich lächelnde Dame könnte der Anfang vom Ende der jetzigen Regierungsmehrheit in Rom sein. Und die Wende im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.