Wolfgang Bosbach: Guten Morgen Herr Spengler!
Spengler: Herr Bosbach, nach der Einigung im Grundsatz, kann noch etwas anbrennen oder wird es im Juni einen gemeinsamen Gesetzentwurf geben?
Bosbach: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns einigen werden und dass wir auch das gesteckte Ziel 30. Juni erreichen können. Aber bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Jetzt kommt es darauf an, dass die angestrebten gesetzlichen Regelungen auch so formuliert werden, dass die Ziele, über die man sich gestern geeinigt hat, erreicht werden können und dass die Regelungen insbesondere im Sicherheitsbereich auch in der ausländerrechtlichen Praxis wirksam werden.
Spengler: Dass Sie persönlich und Ihr grüner Konterpart Volker Beck nicht mehr dabei sein werden beim Aushandeln der Details, macht das die Verhandlungen leichter?
Bosbach: Manchmal sind die Verhandlungen wahrscheinlich deshalb leichter, wenn die Fachleute nicht dabei sind. Das ist jetzt keine Spitze gegen den Bundeskanzler und die beiden Parteivorsitzenden, die gestern verhandelt haben, aber sie haben ja verhandelt auf einem schon in 70 Stunden erarbeiteten Verhandlungsergebnis. Jetzt wird man in den nächsten Wochen feststellen, wie schwierig die Verhandlungen dann werden, wenn es konkret wird. Meine Trauer, dass ich nicht unmittelbar dabei bin, hält sich in Grenzen. Wir haben jetzt 12 Verhandlungsrunden hinter uns und 70 Verhandlungsstunden und wir haben genügend andere Arbeit, aber Sie können ganz sicher sein, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch an der Erarbeitung der Gesetzestexte beteiligt sein wird.
Spengler: Das war ja gestern Abend ein toller Erfolg des Kanzlers. Da war er wieder der große Kommunikator. Gratulieren Sie?
Bosbach: Wir freuen uns natürlich, dass es Gerhard Schröder gelungen ist, die Blockadehaltung der Grünen zu durchbrechen. Ich darf mal an einen Umstand erinnern, der jetzt in der öffentlichen Darstellung kaum noch eine Rolle spielt. Wir sind noch im Februar dieses Jahres aufgefordert worden, den gesamten Sicherheitsbereich auszuklammern. Rot/grün war vor drei Monaten noch nicht einmal bereit, mit uns über diese Themen in den Verhandlungsrunden zu sprechen. Jetzt sind wesentliche Forderungen der Union übernommen worden. Darüber können wir uns nur freuen. Das können wir nicht beklagen.
Spengler: Wenn man aber die Stellungnahmen der Opposition verfolgt hat, dann hat man den Eindruck, es sei Ihnen mehr um ein Abschiebe- als um ein Zuwanderungsgesetz gegangen.
Bosbach: Ja, aber mit Verlaub, diese Argumentation erfüllt den Tatbestand des groben Unfugs. Wir hatten an der Klausurtagung 30. April, 1. Mai die 12. Verhandlungsrunde. In den ersten 10 Runden haben wir über Arbeitsmigration, humanitäre Zuwanderung, Integration gesprochen und ja auch in weiten Teilen Einigung erzielt. Erst in den beiden letzten Verhandlungsrunden haben wir über das Thema Sicherheit gesprochen und dieses Thema kann man doch nicht ausklammern aus einem Zuwanderungsgesetz. Solange es Ausländerrecht in Deutschland gibt, wird im Ausländerrecht auch geregelt, wer nicht nach Deutschland kommen darf unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr und wer unser Land wieder verlassen muss, beispielsweise weil er Straftaten begangen hat als politischer Extremist oder mutmaßlicher Terrorhelfer. Wo sollen wir das denn sonst regeln, wenn nicht im Ausländerrecht. Im Alterseinkünftegesetz geht das bestimmt nicht.
Spengler: Ja, aber da wir jetzt hier die Stunde der Selbstkritik haben, muss die Union nicht ihren Wählern auch ein bisschen klarer machen als bislang, mehr jedenfalls als bislang, dass Deutschland Zuwanderung benötigt?
Bosbach: Das ist doch nicht die Frage. Wir hatten in unserer Geschichte Zuwanderung; wir werden sie auch in Zukunft haben. Denken Sie alleine daran, dass sich die Europäische Union um 10 Länder erweitert hat und auch die Arbeitnehmer genießen in einigen Jahren, in spätestens 7 Jahren Arbeitnehmerfreizügigkeit. Kaum ein Land der Welt nimmt jedes Jahr so viele Menschen auf wie die Bundesrepublik Deutschland. Es ging doch nie um die Frage Zuwanderung ja oder nein, sondern um die Lösung praktischer Probleme, beispielsweise wie können wir es verhindern, dass so wie in den vergangenen Jahren weit überwiegend Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfindet und nicht auf freie Arbeitsplätze, und wie können wir das Entstehen von Parallelgesellschaften, von Gettobildung verhindern, wie können wir mehr für Integration tun. Ich freue mich gerade darüber, dass es gelungen ist, auch den Durchbruch bei dem wichtigen Thema Integration zu erzielen, zumal der Bund jetzt endlich das akzeptiert hat, was er jahrelang verweigert hat, nämlich die Kostenübernahme. Das ist eine gute Nachricht für die Kommunen, denn dort findet die Integration statt, aber die Kommunen können wir nicht mit weiteren Kosten belasten.
Spengler: Herr Bosbach, wenn wir das ganze Verfahren noch einmal Revue passieren lassen, mit den diversen Zuwanderungskommissionen, mit Entscheidung von Bundestag, Bundesrat, Verfassungsgericht, Vermittlungsausschuss, großer Arbeitsgruppe, kleiner Arbeitsgruppe, und wenn man dann sieht, dass am Ende der Kanzler die Parteichefs zur Kungelrunde bittet und dann hast du nicht gesehen den Kompromiss aus der Kiste holt nach dem Motto "der Papa wird's schon richten", ist das nicht für einen engagierten Abgeordneten wie Sie beschämend?
Bosbach: Nein, es ist es nicht, denn ich darf mal daran erinnern, dass jetzt erst die eigentliche Arbeit beginnt. Derjenige, der bei den 70 Verhandlungsstunden nicht dabei war, kann von außen gar nicht nachvollziehen, welche Mühe es tatsächlich gekostet hat, Punkt für Punkt so abzuarbeiten, dass man am Ende sagen kann wir sind uns einig, wir lösen Probleme und schaffen ein besseres Zuwanderungs- und Integrationsrecht. Ich will jetzt kein Wasser in den Wein gießen, aber wir haben gestern politische Zielvereinbarungen verabredet. Die müssen jetzt erst mal in einen Gesetzestext so eingearbeitet werden, dass wir am Ende sagen können wir haben auch eine Einigung im Gesetzentwurf erzielt. Dafür brauchen wir noch einige Wochen. Sonst hätte man sich ja auch nicht das Ziel 30. Juni setzen können. Sonst hätten wir ja heute schon den Vermittlungsausschuss einberufen und zustimmen können. Es ist eben ein Unterschied, ob man sich auf höchster politischer Ebene über Ziele verständigt, oder ob man sich in der Kernarbeit des politischen Alltags um Formulierungen bemühen muss, die dann von allen Parteien mitgetragen werden. Diese Arbeit liegt noch vor uns.
Spengler: Das ist schon klar. Nur ist es nicht merkwürdig, dass man diese ganzen Details, dass Sie diese ganzen Details - und darum beneidet Sie wahrscheinlich keiner, auch nicht unsere Hörer -, diese 70 Stunden hinter sich bringen und dass dann am Ende erst die Ziele definiert werden?
Bosbach: Es gab natürlich auch politische Grundsatzentscheidungen, die zu treffen waren. Nehmen Sie beispielsweise mal die Integrationskosten. Da spielen natürlich auch die Haushaltssituationen in den Ländern und in den Gemeinden eine Rolle, nicht nur im Bund. Wir haben ja stets gefordert, dass der Bund die Kosten trägt und sie nicht teilweise auf Länder und Kommunen abwälzt. Wenn jetzt der Kanzler zum Schluss kommt und sagt OK, der Bund zahlt, dann können wir uns doch darüber nicht beklagen.
Wir haben die wirkliche politische Kernarbeit gemacht. Das sage ich für alle Kolleginnen und Kollegen auch aus anderen Fraktionen mit, die in den letzten Monaten verhandelt haben. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jetzt der Bundeskanzler und die beiden Vorsitzenden von CDU/CSU sagen, wir drei, wir haben den Durchbruch geschafft. Diesen Erfolg gönne ich ihnen.
Spengler: Sie wissen wo die wahren Väter sitzen?
Bosbach: So ist es!
Spengler: OK. - Es ist ja nun nichts geworden mit Ihrem Vorschlag einer zweijährigen Sicherungshaft für Ausländer, die man für gefährlich hält, denen man aber strafrechtlich nichts vorwerfen kann. Jetzt sind wir ja unter uns. War das nun künstliche Verhandlungsmasse?
Bosbach: Nein! Sie werden sich vielleicht wundern, Herr Spengler. Ich halte diese Forderung nach wie vor für richtig.
Spengler: Aber es ist doch grundgesetzwidrig?
Bosbach: Nein, es ist nicht grundgesetzwidrig.
Spengler: Sie können doch keinen verhaften oder abschieben, wenn Sie nur einen Verdacht haben?
Bosbach: Ja. Ich darf aber jetzt einmal bitten, folgende Tatsache nur zur Kenntnis zu nehmen. Das Wort Verdacht befindet sich in keinem einzigen Text. Das zweite ist: wir haben in Deutschland die so genannte Abschiebehaft. Die kann bis zu anderthalb Jahre dauern. Ich kenne überhaupt niemanden der behauptet, dass dies verfassungswidrig sei.
Spengler: Ja, aber die würde doch reichen?
Bosbach: Nein, die reicht eben nicht, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Abschiebehaft dann nicht verhängt werden, wenn es ein Abschiebungshindernis gibt. Vorliegend geht es darum, dass die Behörden Tatsachen haben. Beispielsweise wir wissen, dass sich jemand in einem Terror-Camp befunden hat, eine Schießausbildung durchlaufen hat oder sich um den Ankauf von Sprengstoff bemüht, er deswegen als sogenannter Top-Gefährder ausreisepflichtig ist, wir ihn aber nicht abschieben können, weil beispielsweise Folter oder Todesstrafe drohen. Dann steht der Staat vor der unangenehmen Alternative, ihn entweder, was wir nicht wollen, in ein Land zu schicken, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, oder den Betreffenden hier frei rumlaufen zu lassen. Deswegen haben wir, übrigens mit Unterstützung des Bundesinnenministers Otto Schily, vorgeschlagen, die so genannte Sicherungshaft zu ermöglichen und ich hoffe nicht, dass wir eines Tages schmerzlich erfahren müssen, dass es ein Fehler war, die Möglichkeit der Sicherungshaft nicht ins Gesetz aufzunehmen.
Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch! - Das war Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union.
Spengler: Herr Bosbach, nach der Einigung im Grundsatz, kann noch etwas anbrennen oder wird es im Juni einen gemeinsamen Gesetzentwurf geben?
Bosbach: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns einigen werden und dass wir auch das gesteckte Ziel 30. Juni erreichen können. Aber bekanntlich steckt der Teufel im Detail. Jetzt kommt es darauf an, dass die angestrebten gesetzlichen Regelungen auch so formuliert werden, dass die Ziele, über die man sich gestern geeinigt hat, erreicht werden können und dass die Regelungen insbesondere im Sicherheitsbereich auch in der ausländerrechtlichen Praxis wirksam werden.
Spengler: Dass Sie persönlich und Ihr grüner Konterpart Volker Beck nicht mehr dabei sein werden beim Aushandeln der Details, macht das die Verhandlungen leichter?
Bosbach: Manchmal sind die Verhandlungen wahrscheinlich deshalb leichter, wenn die Fachleute nicht dabei sind. Das ist jetzt keine Spitze gegen den Bundeskanzler und die beiden Parteivorsitzenden, die gestern verhandelt haben, aber sie haben ja verhandelt auf einem schon in 70 Stunden erarbeiteten Verhandlungsergebnis. Jetzt wird man in den nächsten Wochen feststellen, wie schwierig die Verhandlungen dann werden, wenn es konkret wird. Meine Trauer, dass ich nicht unmittelbar dabei bin, hält sich in Grenzen. Wir haben jetzt 12 Verhandlungsrunden hinter uns und 70 Verhandlungsstunden und wir haben genügend andere Arbeit, aber Sie können ganz sicher sein, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch an der Erarbeitung der Gesetzestexte beteiligt sein wird.
Spengler: Das war ja gestern Abend ein toller Erfolg des Kanzlers. Da war er wieder der große Kommunikator. Gratulieren Sie?
Bosbach: Wir freuen uns natürlich, dass es Gerhard Schröder gelungen ist, die Blockadehaltung der Grünen zu durchbrechen. Ich darf mal an einen Umstand erinnern, der jetzt in der öffentlichen Darstellung kaum noch eine Rolle spielt. Wir sind noch im Februar dieses Jahres aufgefordert worden, den gesamten Sicherheitsbereich auszuklammern. Rot/grün war vor drei Monaten noch nicht einmal bereit, mit uns über diese Themen in den Verhandlungsrunden zu sprechen. Jetzt sind wesentliche Forderungen der Union übernommen worden. Darüber können wir uns nur freuen. Das können wir nicht beklagen.
Spengler: Wenn man aber die Stellungnahmen der Opposition verfolgt hat, dann hat man den Eindruck, es sei Ihnen mehr um ein Abschiebe- als um ein Zuwanderungsgesetz gegangen.
Bosbach: Ja, aber mit Verlaub, diese Argumentation erfüllt den Tatbestand des groben Unfugs. Wir hatten an der Klausurtagung 30. April, 1. Mai die 12. Verhandlungsrunde. In den ersten 10 Runden haben wir über Arbeitsmigration, humanitäre Zuwanderung, Integration gesprochen und ja auch in weiten Teilen Einigung erzielt. Erst in den beiden letzten Verhandlungsrunden haben wir über das Thema Sicherheit gesprochen und dieses Thema kann man doch nicht ausklammern aus einem Zuwanderungsgesetz. Solange es Ausländerrecht in Deutschland gibt, wird im Ausländerrecht auch geregelt, wer nicht nach Deutschland kommen darf unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr und wer unser Land wieder verlassen muss, beispielsweise weil er Straftaten begangen hat als politischer Extremist oder mutmaßlicher Terrorhelfer. Wo sollen wir das denn sonst regeln, wenn nicht im Ausländerrecht. Im Alterseinkünftegesetz geht das bestimmt nicht.
Spengler: Ja, aber da wir jetzt hier die Stunde der Selbstkritik haben, muss die Union nicht ihren Wählern auch ein bisschen klarer machen als bislang, mehr jedenfalls als bislang, dass Deutschland Zuwanderung benötigt?
Bosbach: Das ist doch nicht die Frage. Wir hatten in unserer Geschichte Zuwanderung; wir werden sie auch in Zukunft haben. Denken Sie alleine daran, dass sich die Europäische Union um 10 Länder erweitert hat und auch die Arbeitnehmer genießen in einigen Jahren, in spätestens 7 Jahren Arbeitnehmerfreizügigkeit. Kaum ein Land der Welt nimmt jedes Jahr so viele Menschen auf wie die Bundesrepublik Deutschland. Es ging doch nie um die Frage Zuwanderung ja oder nein, sondern um die Lösung praktischer Probleme, beispielsweise wie können wir es verhindern, dass so wie in den vergangenen Jahren weit überwiegend Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme stattfindet und nicht auf freie Arbeitsplätze, und wie können wir das Entstehen von Parallelgesellschaften, von Gettobildung verhindern, wie können wir mehr für Integration tun. Ich freue mich gerade darüber, dass es gelungen ist, auch den Durchbruch bei dem wichtigen Thema Integration zu erzielen, zumal der Bund jetzt endlich das akzeptiert hat, was er jahrelang verweigert hat, nämlich die Kostenübernahme. Das ist eine gute Nachricht für die Kommunen, denn dort findet die Integration statt, aber die Kommunen können wir nicht mit weiteren Kosten belasten.
Spengler: Herr Bosbach, wenn wir das ganze Verfahren noch einmal Revue passieren lassen, mit den diversen Zuwanderungskommissionen, mit Entscheidung von Bundestag, Bundesrat, Verfassungsgericht, Vermittlungsausschuss, großer Arbeitsgruppe, kleiner Arbeitsgruppe, und wenn man dann sieht, dass am Ende der Kanzler die Parteichefs zur Kungelrunde bittet und dann hast du nicht gesehen den Kompromiss aus der Kiste holt nach dem Motto "der Papa wird's schon richten", ist das nicht für einen engagierten Abgeordneten wie Sie beschämend?
Bosbach: Nein, es ist es nicht, denn ich darf mal daran erinnern, dass jetzt erst die eigentliche Arbeit beginnt. Derjenige, der bei den 70 Verhandlungsstunden nicht dabei war, kann von außen gar nicht nachvollziehen, welche Mühe es tatsächlich gekostet hat, Punkt für Punkt so abzuarbeiten, dass man am Ende sagen kann wir sind uns einig, wir lösen Probleme und schaffen ein besseres Zuwanderungs- und Integrationsrecht. Ich will jetzt kein Wasser in den Wein gießen, aber wir haben gestern politische Zielvereinbarungen verabredet. Die müssen jetzt erst mal in einen Gesetzestext so eingearbeitet werden, dass wir am Ende sagen können wir haben auch eine Einigung im Gesetzentwurf erzielt. Dafür brauchen wir noch einige Wochen. Sonst hätte man sich ja auch nicht das Ziel 30. Juni setzen können. Sonst hätten wir ja heute schon den Vermittlungsausschuss einberufen und zustimmen können. Es ist eben ein Unterschied, ob man sich auf höchster politischer Ebene über Ziele verständigt, oder ob man sich in der Kernarbeit des politischen Alltags um Formulierungen bemühen muss, die dann von allen Parteien mitgetragen werden. Diese Arbeit liegt noch vor uns.
Spengler: Das ist schon klar. Nur ist es nicht merkwürdig, dass man diese ganzen Details, dass Sie diese ganzen Details - und darum beneidet Sie wahrscheinlich keiner, auch nicht unsere Hörer -, diese 70 Stunden hinter sich bringen und dass dann am Ende erst die Ziele definiert werden?
Bosbach: Es gab natürlich auch politische Grundsatzentscheidungen, die zu treffen waren. Nehmen Sie beispielsweise mal die Integrationskosten. Da spielen natürlich auch die Haushaltssituationen in den Ländern und in den Gemeinden eine Rolle, nicht nur im Bund. Wir haben ja stets gefordert, dass der Bund die Kosten trägt und sie nicht teilweise auf Länder und Kommunen abwälzt. Wenn jetzt der Kanzler zum Schluss kommt und sagt OK, der Bund zahlt, dann können wir uns doch darüber nicht beklagen.
Wir haben die wirkliche politische Kernarbeit gemacht. Das sage ich für alle Kolleginnen und Kollegen auch aus anderen Fraktionen mit, die in den letzten Monaten verhandelt haben. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn jetzt der Bundeskanzler und die beiden Vorsitzenden von CDU/CSU sagen, wir drei, wir haben den Durchbruch geschafft. Diesen Erfolg gönne ich ihnen.
Spengler: Sie wissen wo die wahren Väter sitzen?
Bosbach: So ist es!
Spengler: OK. - Es ist ja nun nichts geworden mit Ihrem Vorschlag einer zweijährigen Sicherungshaft für Ausländer, die man für gefährlich hält, denen man aber strafrechtlich nichts vorwerfen kann. Jetzt sind wir ja unter uns. War das nun künstliche Verhandlungsmasse?
Bosbach: Nein! Sie werden sich vielleicht wundern, Herr Spengler. Ich halte diese Forderung nach wie vor für richtig.
Spengler: Aber es ist doch grundgesetzwidrig?
Bosbach: Nein, es ist nicht grundgesetzwidrig.
Spengler: Sie können doch keinen verhaften oder abschieben, wenn Sie nur einen Verdacht haben?
Bosbach: Ja. Ich darf aber jetzt einmal bitten, folgende Tatsache nur zur Kenntnis zu nehmen. Das Wort Verdacht befindet sich in keinem einzigen Text. Das zweite ist: wir haben in Deutschland die so genannte Abschiebehaft. Die kann bis zu anderthalb Jahre dauern. Ich kenne überhaupt niemanden der behauptet, dass dies verfassungswidrig sei.
Spengler: Ja, aber die würde doch reichen?
Bosbach: Nein, die reicht eben nicht, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Abschiebehaft dann nicht verhängt werden, wenn es ein Abschiebungshindernis gibt. Vorliegend geht es darum, dass die Behörden Tatsachen haben. Beispielsweise wir wissen, dass sich jemand in einem Terror-Camp befunden hat, eine Schießausbildung durchlaufen hat oder sich um den Ankauf von Sprengstoff bemüht, er deswegen als sogenannter Top-Gefährder ausreisepflichtig ist, wir ihn aber nicht abschieben können, weil beispielsweise Folter oder Todesstrafe drohen. Dann steht der Staat vor der unangenehmen Alternative, ihn entweder, was wir nicht wollen, in ein Land zu schicken, wo die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, oder den Betreffenden hier frei rumlaufen zu lassen. Deswegen haben wir, übrigens mit Unterstützung des Bundesinnenministers Otto Schily, vorgeschlagen, die so genannte Sicherungshaft zu ermöglichen und ich hoffe nicht, dass wir eines Tages schmerzlich erfahren müssen, dass es ein Fehler war, die Möglichkeit der Sicherungshaft nicht ins Gesetz aufzunehmen.
Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch! - Das war Wolfgang Bosbach, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union.
