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Botschaften aus der verkehrten Welt

Mit Liedern wie "Tauben vergiften im Park" oder "Zwei alte Tanten tanzen Tango" feierte er Erfolge. Nun ist der österreichische Chansonnier Georg Kreisler im Alter von 89 Jahren in Salzburg gestorben.

Von Beatrix Novy |
    Wer sagt da, den Bluntschli gäb's gar nicht?

    Hier ist er doch: im Liederkosmos des Georg Kreisler. Der Blunschli ist die geniale Kreuzung aus Nonsense, Witz, Ironie und tieferer Bedeutung, die sich als jüdische, amerikanische und nolens volens auch wienerische Schichten in Georg Kreislers Biografie und Persönlichkeit abgelagert hatten – glückhaft kombiniert mit einer frappierenden Musikalität.

    Gerade diese Begabung hatte den 1922 geborenen Rechtanwaltssohn zum Außenseiter in der eigenen Familie gemacht: Seine Eltern waren respektable Mitglieder des assimilierten jüdischen Bürgertums und hatten mit einem zum Künstlertum tendierenden Kind offensichtlich nicht gerechnet. Er durfte schließlich doch aufs Konservatorium, aber auf den stabilisierenden Trost einer glücklichen Kindheit konnte der junge Kreisler nicht zurückblicken, als 1938 sein junges, talentiertes Leben durch den Einmarsch der Nazis in Österreich abgeschnitten wurde. Erst nach langen, unendlich demütigenden Schikanen konnte die Familie in die USA auswandern, nach Los Angeles, wo Georg sich und zeitweise auch die Eltern mit einer Unzahl von kleinen Jobs für die Filmindustrie durchschlug. Die erste feste Anstellung bekam er in New York, als Barpianist; und dort schrieb er die ersten Lieder nach Kreisler-Art

    Der Rat an die Geliebte, sie möge ihren Gatten erschießen, kam in den USA so schlecht an, dass die amerikanischen Lieder erst 30 Jahre nach ihrer Entstehung aus der Versenkung gehoben wurden. Als Georg Kreisler schon längst eine europäische Berühmtheit war. Nicht nur Liedermacher, auch Schriftsteller, Bühnenautor, sogar Opernkomponist – wenngleich ein relativ glückloser. Wohnhaft in Wien oder München oder Salzburg oder Basel, heimisch aber nirgends.

    "Es gibt den schönen Satz, wer einmal emigriert ist, kommt nie zurück, auch wenn er zurückkommt. Man verliert dieses Stück Heimat, ohne es je wiederzufinden."

    In Wien, im losen Kreis des 50er-Jahre-Kabaretts um Gerhart Bronner und Louise Martini, hatte Kreisler nach seiner Rückkehr aus Amerika schließlich Karriere gemacht, mit den bösen, musikalisch wie sprachlich so präzis geschliffenen Liedern, die in Amerika keiner hatte hören wollen.

    "Wie ich nach Wien zurückgekommen bin, habe ich bald bemerkt, dass sich wenig geändert hat, die Leute waren Antisemiten, nationalsozialistische Österreicher geblieben, und man hätte angriffigere Lieder machen können."

    Tatsächlich hat der Wiener Humor etwa eines Qualtinger dem gold'nen Wiener Herzen ärger mitgespielt als Kreislers markerschütternde Botschaften aus der verkehrten Welt.

    Gerade die Fähigkeit zum verkehrt Denken, zum Unerwarteten, Schnurrigen, Parodistischen, gerade das, was Georg Kreisler jedem anderen voraushatte, empfand er früh als unpolitische Kulinarik. Aber die Direktheit der politischen Anklage vieler späterer Lieder traf nur einen ungenauen, allzu allgemeinen Ton. In diesem und in den vielen melancholisch-poetischen Tönen seines Lebenswerks fand sich freilich auch die Geschichte seines Leidens an der Welt; ein Leiden, in dem sich immer die Spuren einer traurigen Vergangenheit fanden.