Sonntag, 12. Mai 2024

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Botschafter einer besonderen Freundschaft

Das arabische Viertel in der Altstadt von Jerusalem – enge Gassen mit kleinen Läden, Teestuben und Ständen fliegender Händler - ein akustisches und optisches Durcheinander voller fremdartiger Gerüche. Von diesem ganz und gar orientalischen Ambiente nur einen Steinwurf entfernt bereitet sich in der christlichen Begegnungsstätte Paulus-Haus eine Gruppe von jungen Deutschen auf ihren Einsatz in Israel vor.

Elisabeth Dopheide | 23.12.2003
    Erst vor zwei Tagen sind sie eingetroffen, um für mehrere Monate, manche auch für ein ganzes Jahr, als Freiwillige in sozialen Einrichtungen des Landes mitzuhelfen. Noch wissen sie nicht genau, was auf sie zukommt, sind aber voll zuversichtlicher Erwartungen.

    Ich hoffe, dass ich am Ende von meinem Einsatz eben hebräisch kann, also dass ich mich mit den Leuten unterhalten kann, dass ich das Judentum einfach verstehe und Israel besser verstehe, und dass ich – ja – nach Deutschland heimkommen kann und den Leuten erzählen kann, wie es wirklich ist Israel.
    Ich möchte einen Versöhnungsdienst machen mit dem jüdischen Volk, mit Israel. Ich denke, das ist ne ganz wichtige Sache, wenn mer jetzt die Vergangenheit sieht, was da war, der ganze Holocaust. Also ich erhoffe, dass mein Horizont ganz ganz erweitert wird und auch, dass man so ne Internationalität erreicht und dadurch später auch mal selber in gewisser Weise Brücken bauen kann.


    Die jungen Leute im Alter zwischen 18 und 24 Jahren sind mit "Dienste in Israel", auch "Ha Goschrim" – "die Brückenbauer" genannt, ins Land gekommen. Eine christliche Organisation, die ihr Engagement entsprechend begreift – was aber keinesfalls bedeutet, dass ihre Freiwilligen in Israel Bekehrungsarbeit leisten sollen, betont die Theologin und Sozialarbeiterin Ingrid Erb, Ha Goschrim-Koordinatorin vor Ort.

    Wir stehen im christlich-jüdischen Dialog, und wir wollen dem jüdischen Volk zeigen, dass wir als Christen ne tiefe Achtung vor ihnen haben, sie nicht als Konkurrenz oder als Missionsopfer sehen, sondern dass wir in ihnen die Wurzeln von unserem Glauben sehen, und wenn wir unsere Wurzeln erkennen, dass wir dann auch erkennen, wer wir wirklich sind. Und da das viel zu lange in der Kirche brach lag und sich keiner darum gekümmert hat, wollen wir jetzt Kontakt und Kommunikation zwischen Juden und Christen fördern.

    Ha Goschrim ist eine von rund 20 Trägerorganistationen, die derzeit deutschen Volontären Einsatzorte in Israel vermitteln, wobei "Volontär" der Oberbegriff ist für Zivildienstleistende, Praktikanten, Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres, die sich im Heiligen Land für bedürftige Menschen engagieren.

    Die Motive für einen solchen Einsatz sind unterschiedlich – manche Volontäre kommen aus religiösen Gründen, andere aus einer gewissen Abenteuerlust oder weil sie die schwierige Situation in Nahost aus eigenem Anschauen besser verstehen möchten. Auf jeden Fall aber wollen sie helfen, wo sie gebraucht werden.

    Sechs Uhr morgens im Heim Saint Vincent in Ain Kerim nahe Jerusalem. Der deutsche Zivildienstleistende Till Magnus Steiner und zwei weitere Helfer machen die sieben kleinen Bewohner von Kinderzimmer 5c fertig für den Tag – da heißt: waschen, wickeln, anziehen, füttern.

    Saint Vincent, geführt von einem internationalen christlcihen Orden, ist eine Einrichtung, in der rund 70 schwerstbehinderte Kinder im Alter bis zu 18 Jahren betreut werden – Kinder, die bei allem Hilfe brauchen. Das Heim ist dringend auf die Mitarbeit von Volontären angewiesen, erklärt die Leiterin Schwester Katharina Fuchs, denn der staatliche Schlüssel, der eine Betreuungsperson für acht Kinder vorsieht, ist hier schlichtweg nicht anwendbar.

    Wir können nicht acht Kinder auf einmal versorgen. Das geht vielleicht in anderen Heimen, wo die Kinder selbst ‚n bisschen was tun – da geht’s vielleicht,und da geht’s schon schlecht, aber bei uns geht das überhaupt nicht. Wir können es mit eins zu vier kaum machen – und so können wir diesen Schlüssel ein bisschen besser aufteilen, wenn wir Volontäre haben.

    Kaum eines der Kinder in Saint Vincent kann sich in Worten artikulieren, einige sind nahezu bewegungsunfähig, andere blind. Trotzdem nahm Till Magnus Steiner - wie auch die anderen Volontäre im Heim – die schweren Behinderungen seiner Schützlinge schon bald nicht mehr wahr. Für ihn sind es mittlerweile ganz normale Kinder geworden, die er ins Herz geschlossen hat, und die ihm umgekehrt – auch ohne Worte – mit einem Lachen oder einem Blick sehr wohl zeigen können, wie gern sie ihn haben.

    Daheim in seiner Kirchengemeinde in einem kleinen Ort nahe Bielefeld hatte Till Magnus Steiner bereits viel mit Kindern gearbeitet. Deshalb wollte er das auch während seines Zivildienstes tun und zwar unbedingt im Ausland. Dass er in Saint Vincent nun mit schwerstbehinderten Kindern zu tun hat, sieht Till als eine Herausfoderung, an der er bereits gewachsen ist.

    Ich merk einfach durch die Arbeit, dass ich viel Verantwortung habe, merk ich, dass ich mich dadurch auch sehr entwickel, …. – durch die Arbeit mit den Kindern sehr entwickele, weil die Kinder einem sehr viel geben, das heißt, auch so n bisschen ne Weiterentwicklung auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, man kriegt n Touch davon, was das leben bedeutet, wenn man mit behinderten Kindern arbeitet. Und durch das Leben hier in Israel – ist unglaublich, wenn man in ner anderen Kultur ist, lernt man sehr viel über seine eigene Kultur kennen, über sein eigenes Menschenbild – lernt n anderes Menschenbild kennen.

    Saint Vincent ist in gewisser Weise ein Mikrokosmos, ein Abbild der israelischen Gesellschaft im Kleinen. Hier werden Kinder jüdischer, muslimischer und christlicher Eltern betreut, hier arbeiten Juden, Araber und Christen Seite an Seite.

    In den Monaten, die er bereits im Land ist, hat Till Magnus Steiner viele Freundschaften geschlossen – mit Menschen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, die er manchmal zusammenbringt.

    Man kann eben als Deutscher so n bisschen die Kulturen mischen. Das ist schon komisch, wenn man mit Arabern auf ein komplett jüdisches Fest geht, was meistens der einzige Araber, der auf dem Fest dann ist – oder andersrum, wenn man mit Juden auf ein arabisches Fest geht, ist das der einzige Jude – aber es ist ganz schön, und man merkt auch, dass es nicht soviel Konfliktpotential zwischen normalen Menschen gibt. Also dadurch, dass ich mit beiden Seiten – arabischen und jüdischen Leuten zusammen bin, ist mein Bild dadurch sehr geprägt worden. Man lernt beide Seiten kennen, und man lernt, dass es auf beiden Seiten viele Buh-Männer gibt, und dass man für keine Seite Partei ergreifen sollte.

    Tills Volontärkollegin Martina Merz aus Wilhelmsdorf macht sich unterdessen nach einigen Monaten in Israel ihre Gedanken, ob das, was in den westlichen Ländern zum Nahost-Konflikt berichtet, beraten und beschlossen wird, den Realitäten vor Ort entspricht.

    Ich denk, vieles wird in den Medien sehr einseitig dargestellt. Ich hab hier in erster Linie mit den arabischen Mitarbeitern zu tun, und das wirft nochmal n ganz anderes Bild .Die arabische Kultur ist einfach ne ganz andere, und viele Entscheidungen, die so auch auf europäischer, amerikanischer Seite getroffen werden, lassen diesen ganzen islamischen Hintergrund völlig beiseite. Und meines Erachtens nach ist das auch mit ein Grund, warum so manche Friedensbeschlüsse und Verträge hier nur aufm Papier verzeichnet sind und wirklich keine besonders große Bedeutung für die Realität haben.

    Israel – ein Land voller Widersprüche. Damit die Volontäre mit ihren Eindrücken und Fragen nicht allein gelassen sind, veranstalten verschiedene Trägerorganistationen regelmäßige Treffen ihrer Freiweilligen. Daneben werden organisationsübergreifende Seminare für alle deutschen Volontäre in Israel angeboten – finanziert vom Bundesministerium für Jugend, so dass den Teilnehmern kaum Kosten entstehen.

    Diese Seminare finden im Wechsel im Kibbutz Nachscholim am Mittelmeer und in der Begegnungstätte Rutenberg in Haifa statt. Während Nachscholim vorwiegend politische Themen behandelt, legt Silvi Behm, Leiterin der deutschen Abteilung des Rutenberg-Instituts, den Schwerpunkt auf kulturelle und religiöse Themen, damit die Volontäre ihr Gastland in allen Aspekten begreifen können.

    Jüdische Religion und Kabbalah, interessant – aber es ist auch wichtig, weil die sind hier ein Jahr oder manchmal etwas länger als ein Jahr, die sehen soviele Dinge, die denen passieren und die wissen auch – warum plötzlich Laubhüttenfest, warum die Laubhütten draußen, die Hannukka-Kerzen usw. Und es ist wie gesagt eine Einführung in die jüdischen Feiertage, jüdische Religion, jüdische Philosophie, Kabbalah und so weiter.

    Früher kamen bis zu dreitausend Freiwillige alljährlich nach Israel. Mit Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 ging diese Zahl jedoch stark zurück und nahm mit dem Irak-Krieg noch einmal ab. Zahlreiche Länder forderten ihre Volontäre auf, Israel zu verlassen. Die Bundesregierung tat das nicht – und die meisten deutschen Freiwilligen blieben im Land.

    Von den rund 300 Volontären, die derzeit noch alljährlich nach Israel kommen, sind 90 Prozent Deutsche. Auf israelischer Seite weiß man das sehr zu würdigen, betont Dan Sheffer, Direktor der Volontärsabteilung im israelischen Ministerium für Arbeit und Wohlfahrt, der zentralen Aufsichtsbehörde für den Einsatz von Freiwilligen.

    Ich denke, das beweist mehr als alles andere, dass ein Freund in der Not ein wahrer Freund ist. Und das ist es, was sie uns gezeigt haben – sie sind wahre Freunde, und wir benötigen ihre Hilfe auch wirklich an all diesen Orten, wo sie sich engagieren.

    Generell hat das Volontärswesen in Israel eine große Bedeutung und eine lange Tradition. Der Aufbau des Landes wäre ohne das Engagement zahlloser freiwilliger Helfer kaum möglich gewesen. Auch der Einsatz von ausländischen Freiwilligen ist in Israel seit Jahrzehnten üblich und wird sehr geschätzt. Damit diese zumeist jungen Leute nicht überfordert werden, sind ihre Einsatzbedingungen genau geregelt. Die Arbeitszeit von Volontären ist auf 35 Stunden pro Woche festgelegt, pro Halbjahr stehen ihnen zwei Wochen Urlaub zu. Sie bekommen freie Unterkunft und Verpflegung und ein Taschengeld.

    Bei seinen Besuchen von Einrichtungen, wo Freiwillige arbeiten, hat Dan Sheffer gerade von den jungen Deutschen eine hohe Meinung gewonnen, die er mit seiner Kollegin Dina Lutati teilt, der General-Koordinatorin aller freiwilligen Helfer im Land. Als eine Art "Volontärs-Mutter" sieht Dina Lutati sich selber und von all ihren "Kindern" liebt sie die Deutschen besonders und zwar für jene preußischen Tugenden, die den Deutschen selber gelegentlich fast ein bisschen peinlich sind.

    Sie kennen doch die Deutschen – Arbeit ist Arbeit und pünktlich ist pünktlich – damit geben sie ein gutes Beispiel. Und die anderen Beschäftigten sind durch diese Volontäre positiv beeinflußt.Die jungen Deutschen kommen, schauen sich alles genau an und wissen nach kürzester Zeit, was zu tun ist. Sie sind diejenigen, die unsere Sprache am schnellsten lernen und sie nach einiger zeit fließend sprechen. Und außerdem sind sie diejenigen, die hier immer Freundschaften schließen.

    In Israel macht man sich Sorgen, weil die Zahl der Volontäre seit dem Aufflammen des Terrors so stark zurück gegangen ist, schließlich braucht das Land engagierte Helfer heute mehr denn je.

    Da die Kosten für Sicherheit enorm gestiegen sind, musste bei den Ausgaben für Wohfahrt drastisch gekürzt werden. Einrichtungen für Hilfsbedürftige wie Behinderte, Kranke, benachteiligte Kinder, alte Menschen kämpfen mit ihrem geringeren Budget.

    Nun sollen die freiwilligen Helfer zwar kein billiger Ersatz für reguläres Personal sein, aber um viele Einrichtungen wäre es schlecht bestellt ohne Volontäre – ohne das Extra an liebevoller Zuwendung, für das den festangestellten Arbeitskräften oft kaum Zeit bleibt.

    Ein Openair-Konzert zu Gunsten von Kindern, die durch Terror traumatisiert wurden. Der Platz im jüdischen Viertel der Jerusalemer Altstadt ist voll und die Stimmung so locker, als gäbe es keine Terrorangst in Israel.

    Fast hat es etwas Trotziges an sich, wie die Menschen hier ungeachtet der ständigen Attentatsgefahr versuchen, ihren Alltag unbeschwert zu gestalten. Vielen ausländischen Volontären fällt das anfangs schwer. Kaum einer, der nicht mit mulmigen Gefühlen hier ankam. Und viele Eltern daheim in Deutschland leben in beständiger Sorge, solange Sohn oder Tochter in Israel sind.

    Kann man hier tatsächlich halbwegs normal leben? Busfahren etwa ist in Israel unverzichtbarer Teil des Alltagslebens – zugleich sind Busse bevorzugtes Zeil von Selbstmordattentätern. Doch mancher Volontär, der sich geschworen hatte, in diesem Land nie den Bus zu benutzen, muss bald einsehen, dass er gar nicht darum herum kommt. Christian Kraft könnte seine Einsatzorte beispielsweise nur schwer erreichen Bus.

    Anfangs war die Angst sehr groß, also ich hatte ständig n ungutes Gefühl, ständig hab ich mir die Leute im Bus ganz genau angeguckt und – naja, der jetzt einsteigt, das könnte so einer sein. Es ist auch n paar Mal vorgekommen, dass ich dann ausgestiegen bin, weil ich dachte – ha, der ist mir jetzt nicht so ganz geheuer. Und inzwischen bin ich da besser geworden im Verdrängen, glaube ich.

    Das geht den meisten Volontären nach einer gewissen Zeit so; sie lernen mit der ständigen potentiellen Gefahr umzugehen, die Menschen hier im Land tun das schließlich auch.

    Man kriegt einfach auch mit, dass man hier ganz normal leben kann – dass es n wunderschönes Land ist, und dass es mir Spaß macht, hier zu sein, dass dieses Schöne eigentlich auch die ständige Bedrohung überwiegt.

    Christian Kraft aus Potsdam hat sein Studium der Geschichte und Philosophie bereits abgeschlossen. Vorm Eintritt ins Berufsleben wollte er ein Jahr ins Ausland gehen und einen freiwilligen Dienst leisten, der sowohl mit seinem Studium zu tun hatte, wie auch mit ihm persönlich als Deutschem.

    So kam er auf ASF Aktion Sühnezeichen – Friedensdienste, einer Trägerorganisation, die ihr Engagement als Versönungsarbeit vor dem Hintergrund der Nazi-Verbrechen sieht.

    In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sichtet Christian Kraft nun jeden Vormittag Akten in deutscher Sprache, die im Zusammenhang mit der Judenverfolgung stehen, und verfasst eine Inhaltsangabe in Englisch.

    Bei dieser Aufgabe werden generell Volontäre mit Deutsch als Muttersprache eingesetzt, denn andere würden das antiquierte Beamtendeutsch dieser Papiere kaum verstehen. Für Christian Kraft ist die Arbeit in Yad Vashem deshalb so faszinierend, weil er das, was er beim Studium theoretisch über Nazi-Zeit und Holocaust lernte, hier nun in seiner konkreten Auswirkung sieht – wie hinter jedem der nüchternen Papiere ein persönliches Schicksal steckt.

    Regelmäßig hilft Christian Kraft der Soziologin und Autorin Ester Golan beim Ordnen ihrer Unterlagen. Nach dem Konzept von Aktion Sühnezeichen arbeiten seine Volontäre halbtags in Gedenkstätten, Dokumentationszentren oder sozialen Einrichtungen – und betreuen in der übrigen Zeit alte Menschen, die den Holocaust überlebt haben.

    Ester Golan ist ungeachtet ihrer achtzig Jahre sehr aktiv, engagiert sich in Israel für die Friedensarbeit – und in Deutschland bei Vortragsreisen für Verständigung und Versöhnung. Obwohl ihre Eltern dem Holocaust zum Opfer fielen und sie selbst nur überlebte, weil sie rechtzeitig mit einem der sogenannten Kindertransporte nach England kam, hat Ester Golan heute keine Vorbehalte mehr gegen Deutsche. Die Volontäre von Aktion Sühnezeichen lädt sie auch gern alle zu sich ein.

    Die fragen mich des öfteren – haßt du uns nicht? Sag ich – warum soll ich dich hassen, was haste mir denn getan? Das ist ne ganz andere Generation, die hat damit nix ztu tun. Und wenn die es für richtig halten, hierher zu kommen, dann muss man ihnen auch entgegenkommen. Man muss sich kennenlernen, um sich lieben zu lernen.

    So abgeklärt sehen es nicht alle Israelis. Wenn die jungen Deutschen Einheimischen erzählen, dass sie als Volontäre im Land sind, wird ihnen dafür zwar im allgemeinen Respekt gezollt. Dennoch ist das deutsch-israelische Verhältnis nach wie vor ein sehr spezielles – auch heute noch, zwei Generationen nach dem Holocaust.

    Ich bin 1974 geboren und von daher hab ich jetzt persönlich damit nichts mehr zu tun. Aber es ist hier in Israel so, dass ich ganz deutlich merke, wenn die hören, ich bin Deutscher, dann ordnen die mich ein, und dann ist es ganz häufig so, dass ich dann eben angesehen werde als einer, der für die Sachen einsteht.

    Aktion Sühnezeichen–Friedensdienste begann seine Versöhnungs- und Sühnearbeit in Isarel bereits 1961, zu einem Zeitpunkt also, als es noch keine diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel gab. Seither – so die Länderbeauftragte von ASF, Sabine Lohmann, sind mit dieser Organisation rund 1500 Freiwillige ins Land gekommen.

    Und die haben hier wirklich n Zeichen gesetzt, wie es auch in unserem Namen drinsteht – n Zeichen der Sühne setzen – und Kommunikation mit den Menschen in Gang bringen und kleine Botschafter Deutschlands zu sein und einfach beispielhaft zu zeigen, dass Deutschland sich seiner Vergangenheit bewusst ist.

    Diese Botschafter-Rolle haben die deutschen Volontäre auch heute noch, obwohl es längst einen offiziellen deutschen Repräsentanten in Tel Aviv gibt. Für den Ausbau der zwischenmenschlichen deutsch-israelischen Beziehungen bleiben sie unverzichtbar – meint Dr. Jacob Borut, Direktor der deutschen Archiv-Abteilung in Yad Vashem.

    Ich denke, für uns Israelis ist es wichtig, mit Deutschen in Kontakt zu kommen, speziell mit jungen Deutschen. Von dieser Generation kann man eine Menge über Deutsche lernen, was man nicht in Zeitungen liest und erst recht nicht in unseren Akten in Yad Vashem. Sie repräsentieren Deutschland für uns – die guten Seiten von Deutschland, als Menschen, die sich um Juden bemühen, die sich um die Vergangenheit bemühen und die einfach generell nett sind.

    Dina Lutati, die "Volontärs-Mutter" vom israelischen Wohlfahrtsministerium beobachtert auch, dass die deutschen Freiwilligen alle höchst interessiert daran sind, zu verstehen, was in Israel vor sich geht. Wobei sie sich gleichzeitig nicht scheuen, die offizielle Politik zu kritisieren – in aller Freundschaft, versteht sich.

    Das ist schon drollig. Solange sie hier sind, nehmen sie kein Blatt vor den Mund und sagen ganz offen ihre Meinung. Und sie zeigen sehr demonstrativ, dass sie sagen können, was immer sie wollen – solange sie da sind. Aber in dem Moment, wo sie Israel verlassen, werden sie zu Botschaftern – und zwar für Israel.