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Botulismusgefahr wächst für Mensch und Tier

Clostirudium Botulinum heißt das Bakterium, das für Mensch und Tier zur tödlichen Gefahr werden kann. Sowohl bei Tieren als auch bei Menschen gibt es verschiedene Formen des Botulismus: den akut auftretenden oder den langsam dahin schleichenden. Dr. Benno Neufeldt ist praktischer Tierarzt im württembergischen Allgäu – dort hat er einen großen Rinderbestand als botulismuskrank diagnostiziert.

Von Carolin Hoffrogge |
    Typisch sind Tiere, die einen depressiven Eindruck machen und die auffallend eine geringere Schwanzmotorik haben, als Tierarzt stelle ich die Diagnose, wenn Tiere mit Magen-, Darmproblemen da sind, die zusätzlich noch Kreislaufprobleme haben, Atemprobleme und zusätzlich noch bestimmte Reflexe, wie zum Beispiel der Pupillenreflex deutlich vermindert sind oder sogar aufgehoben sind.

    Außerdem lassen botulismuskranke Rinder und Pferde oftmals ihre Zunge heraushängen und verlagern ihr Gewicht extrem nach vorne, so dass sie mit einem Buckel laufen. An der Universität Göttingen leitet Professor Helge Böhnel ein bundesweites Forschungszentrum, das sich nur mit den Botulismus- Erregern, den Clostridien beschäftigt. Obwohl Böhnel Veterinärmediziner ist, kennt er sich auch mit dem Botulismus beim Menschen aus. So hat er - in einer gemeinsamen Studie mit Humanmedizinern – herausgefunden, dass die Hälfte von 80 Säuglingen, die am plötzlichen Kindstod gestorben sind, eigentlich Botulismus hatten:

    Ein klassisches Symptom ist, wenn Kleinkinder, also bis zu einem Alter von 12 Monaten ungefähr 2 bis 3 Tage keinen Stuhlgang haben, also Verstopfung haben, sollte der Kinderarzt an Botulismus denken. Und dann gibt es noch die klinische Form einer schlaffen Lähmung, die Amerikaner sagen dazu schlappes Baby.

    Diese Schlaffheit rührt von einer Vergiftung her. Im Darm bildet das Clostridium einen Giftstoff, der zu Lähmungen, im schlimmsten Fall auch zum Atemstillstand führen kann. Denn die Stoffwechselprodukte der Bakterien verhindern die Übertragung von Nervenreizen auf die Muskeln. Böhnel macht hier Clostridiensporen im Honig verantwortlich. Das heißt: bekommen Säuglinge vor ihrem 1. Geburtstag Honig gefüttert, kann es zum Botulismus im Darm kommen. Aber Menschen, besonders Landwirte, können sich auch bei ihren Tieren anstecken. Professor Helge Böhnel kennt zur Zeit fünf akute Fälle in Deutschland:

    Die Gefahr besteht durchaus, das ist auch in der wissenschaftlichen Literatur belegt, dass Menschen in Beständen erkranken, wo Botulismus vorkommt, weil der Erreger eben über Staub, über Wasser weiterverbreitet werden kann. Was nun im einzelnen dazu führt, dass ein Mensch in einem solchen Betrieb erkrankt oder nicht, wissen wir nicht, dazu gibt es keine Untersuchungen.

    Das Tückische am Botulismus: die Erreger kommen weltweit überall vor. Sie finden sich in der Erde, in Hundehaufen auf der Straße oder in der Hühnergülle auf dem Feld. Aber auch in der Biotonne hat Professor Böhnel die verantwortlichen Bakterien gefunden:

    Bei Maul- und Klauenseuche kann man einen Bestand sperren, desinfizieren und nach einer bestimmten Zeit wieder neu belegen, das kann man hier nicht, weil ja der Krankheitserreger oder das Bakterium als solches über den Kot als solches ausgeschieden wird und dann auf dem Feld ist, im Futter ist und da wieder zurückkommt. Also, ein Betrieb kann nicht dadurch saniert werden, in dem er, so wie man sich das wünschte, chemisch sterilisiert.

    Hochleistungsmilchkühe sind vom Botulismus besonders betroffen, die Zahl der Fälle ist in den vergangenen fünf Jahren drastisch angestiegen, so Böhnel. Aber auch robuste Fleischrinder trifft es. Woher das kommt, kann sich der Veterinär nicht erklären. In einer Fallstudie an vier botulismusbetroffenen Betrieben in Mecklenburg- Vorpommern hat der Göttinger Veterinär gezeigt, dass die Hygiene und Futterbedingungen auf den Höfen nicht ausschlaggebend für die Erkrankung sind. Helge Böhnel sieht erhöhten Forschungsbedarf, um den Botulismus bei Mensch und Tier einzudämmen:

    Ein Verwandter des Botulismus ist der Tetanus, Tetanus kommt weltweit vor, da sterben auch jedes Jahr 100.000 Menschen oder auch mehr. Tetanus kann man theoretisch impfen und wer geimpft ist, erkrankt nicht, und wir träumen natürlich davon, einen Impfstoff zu entwickeln, so dass die Bakterien neutralisiert werden können, aber da sind wir noch weit weg.