Donnerstag, 28. März 2024

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Brände am Mittelmeer
Feuerökologe: Nicht nur Klimawandel begünstigt Wald- und Buschbrände

Neben dem Klimawandel würden auch sozioökonomische und Landnutzungsfaktoren das Risiko von Bränden begünstigen, sagte Feuerökologe Johann Goldammer im Dlf. Durch das Abwandern in die Städte gebe es statt Ackerbau und Weidewirtschaft vermehrt Busch- und Waldentwicklung - und dadurch eine höhere Entflammbarkeit.

Johann Goldammer im Gespräch mit Britta Fecke | 03.08.2021
ANTALYA, TURKEY - AUGUST 03: Works to extinguish the fire near Cardak neighbourhood of Manavgat district of Antalya, Turkey continue on August 03, 2021. Ground and air support works to extinguish the fire are underway. Mustafa Ciftci / Anadolu Agency
Auch in Antalya gab es Evakuierungen wegen der schweren Brände (Mustafa Ciftci / Anadolu Agency)
Nach wie vor wüten die Waldbrände an der Mittelmeerküste in der Türkei, Italien und Griechenland. In der Türkei sind es die schlimmsten Brände seit über einem Jahrzehnt. Am 1. August meldete Italien über 800 Brände, darunter allein 250 auf Sizilien. Auf dem griechischen Peloponnes mussten ebenfalls Einwohner und Touristen in Sicherheit gebracht werden. Viele Dörfer und Hotels mussten zum Teil auch übers Meer evakuiert werden.
Die Feuerwehrleute in zahlreichen Touristenorten kommen nicht zur Ruhe: Wegen der extremen Trockenheit und der stark böigen Winde sind die Löscharbeiten derzeit besonders schwierig. Neben den klimatischen Ursachen, gibt es auch ökologische Faktoren, die das Waldbrandrisiko im Mittelmeerraum erhöhen.
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"Intensität der Kultivierung der Landschaften hat nachgelassen"

Johann Goldammer vom Global Fire Monitoring Center in Freiburg ist Feuerökologe. Im Dlf-Gespräch sagte er, dass die Zunahme der Brände verschiedenen Ursachen zugeschrieben werden könnte: Neben dem Klimawandel würden auch sozioökonomische und Landnutzungsfaktoren die Entflammbarkeit und das Risiko von heftigen Feuern begünstigen.
Viele junge Menschen im Mittelmeerraum würden Dörfer verlassen und in die Städte ziehen. "Das bedeutet: Die Dörfer überaltern und die Intensität der Kultivierung der Landschaften hat nachgelassen", so Goldhammer. Dadurch spiele sich in vielen Regionen das ab, was ökologische Sukzession genannt werde. Dort wo früher Ackerbau und Weidewirtschaft betrieben wurden, käme es zu Busch- und Waldentwicklung. "Und das macht diese Landschaften ungeheuer empfänglich oder empfindlich für Feuer", sagte Goldhammer.
Aber auch wenn Ökosysteme wie Wälder unberührt gelassen würden, um Biodiversität oder die Kohlenstoffspeicherung zu erhöhen, könnten sie empfindlicher gegenüber Feuer werden. "Und wenn das Feuer dann eintrifft, dann ist das Ergebnis so, dass im Grunde genommen alles das, was man vorher angestrebt hat an Veränderungen, schlagartig zunichte gemacht wird."
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Das Interview im Wortlaut:

Britta Fecke: Herr Goldammer, hat die Zahl und das Ausmaß der Waldbrände in den Ländern des Mittelmeers zugenommen?
Johann Goldammer: Guten Tag, Frau Fecke! Ja, tatsächlich. Was wir in den letzten Jahren beobachten, ist eine Zunahme, und die kann sehr unterschiedlichen Faktoren zugeschrieben werden. Es ist einmal natürlich das Wetter, bedingt durch den Klimawandel. Es sind aber auch sozioökonomische und Landnutzungsfaktoren, die die Brennbarkeit, die Entflammbarkeit und das Risiko von heftigen Feuern begünstigen.
Landschaften werden durch "ökologische Sukzession" empfindlich für Feuer
Fecke: Was sind das für sozioökonomische Gründe?
Goldammer: Zum einen beobachten wir ja im Mittelmeerraum, auch in Südosteuropa, auf dem Balkan, in der Türkei die Landflucht, die dazu führt, dass viele ländliche Siedlungen, Dörfer verlassen werden, dass traditionelle Methoden des Landbaus aufgegeben werden, weil die jüngere Bevölkerung in die Städte migriert. Das bedeutet, die Dörfer überaltern und die Intensität der Kultivierung der Landschaften hat nachgelassen.
Dadurch spielt sich in vielen Regionen das ab, was wir ökologische Sukzession nennen, Busch- und Waldentwicklung dort, wo früher Ackerbau und Weidewirtschaft betrieben wurde, und das macht diese Landschaften ungeheuer empfänglich oder empfindlich für Feuer. Das sehen wir nicht nur in der Türkei; das sehen wir auch in Ländern wie auf dem Balkan, in Griechenland, in Spanien, Italien.

Unberührte Wälder "empfindlicher gegenüber Feuer"

Fecke: Das klingt aber so, als würden zwei Interessen gegeneinander laufen, denn für den Naturschutz ist ja eine aufgegebene Agrarlandschaft oft viel besser und viel artenreicher.
Goldammer: Das ist durchaus richtig. Aber hier beißen sich mehrere Dinge. Während wir insgesamt ja auch hier bei uns, in Mitteleuropa und in Deutschland danach rufen, dass wir bestimmte Ökosysteme, Wälder darunter, unberührt lassen, um Biodiversität zu erhöhen, oder auch, um die Kohlenstoffspeicherung zu erhöhen, ist es andererseits so, dass solche Standorte dann sehr viel empfänglicher und empfindlicher gegenüber Feuer werden. Und wenn das Feuer dann eintrifft, dann ist das Ergebnis so, dass im Grunde genommen alles das, was man vorher angestrebt hat an Veränderungen, schlagartig zunichte gemacht wird.
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Fecke: Das heißt, platt gesagt, der Olivenhain brennt nicht so schnell wie ein Föhrenwald?
Goldammer: Das ist genau richtig und hier haben wir doch den kritischen Punkt. Gerade das Beispiel der Olivenhaine oder des sehr intensiven Anbaus von Korkeichen, wo die Wälder doch systematisch gepflegt wurden, durchaus beweidet wurden – das sind ja Dinge, die sich nicht widersprechen.
Wenn Sie einen Baumbestand haben und unter diesem Baubestand Waldweide durchgeführt wird, dann hat das dazu geführt, dass solche Standorte, solche intensiv genutzten, nennen wir es durchaus Plantagenwälder viel weniger gegenüber Feuer empfänglich waren. Mit Aufgabe dieser intensiven Nutzung steigt das Risiko der sehr zerstörerischen Feuer. Das sehen wir tatsächlich überall im mediterranen Raum und in den Nachbarregionen.

Goldammer: Interesse an Landwirtschaft steigt an

Fecke: Wie müssten dann so widerstandsfähige Landschaften aussehen? Sie können ja jetzt nicht alle jungen Menschen wieder zurück aufs Land schicken, damit sie die Bauernhöfe und die Flächen wieder bewirtschaften.
Goldammer: Es ist ganz interessant, und hier hat die Pandemie doch auch einiges bewirkt. Wir beobachten in der Mittelmeerregion, in Südosteuropa und durchaus vergleichsweise hier bei uns in Deutschland, dass die Pandemie zu einem Umdenken geführt hat, dass viele die überlasteten, überhitzten, lauten und teuren städtischen Räume wieder verlassen und zurück aufs Land gehen.
Das bedeutet zunächst noch nicht unbedingt, dass dort wieder intensive Landbewirtschaftung stattfindet. Wenn ich meinen Laptop von der Stadt mit ins Land nehme und mein Büro dort aufmache, dann ändert sich zunächst nichts an der Landnutzung. Wir sehen aber, dass das Interesse der jungen Generation, jetzt doch wieder in die Landwirtschaft, in die Weidewirtschaft einzusteigen, langsam wieder ansteigt, und so könnte die Pandemie und diese ganzen Entwicklungen in den überlasteten Metropolen dazu führen, dass vielleicht doch wieder ein Umdenken kommt. Da sind die ersten zarten Signale zu sehen.
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"Aufforstung ist sehr problematisch"

Fecke: In der Türkei wird auch schon über Aufforstung gesprochen. In welchen Gebieten ist die Aufforstung überhaupt sinnvoll?
Goldammer: Aufforstung ist durchaus sehr problematisch. Nehmen wir mal das Beispiel Portugal. Das ist ja ein Land, wo gerade diese Landnutzungsänderung, die Landflucht dazu geführt hat, dass ganz großflächig Eukalyptus- und Kiefernplantagen aufgebaut wurden – mit dem Argument, hier die Wirtschaft zu stärken, Zellstoff-Industrie und so weiter. Es sind genau diese Wälder, die extrem heftig und desaströs brennen.
Das gleiche ist im Moment die Politik der griechischen Regierung, Aufforstungen zu tätigen, anstelle etwas anders herum zu denken und die traditionellen Landnutzungssysteme, wie ich sie eben erwähnt hatte, den Anbau zum Beispiel von Oliven, von anderen Baumarten, kombiniert mit der traditionellen Schaf- oder Ziegen- oder auch Viehbeweidung, dass man das wieder einführt und nicht einfach sagt, wir bauen jetzt hier große Waldplantagen auf. In der Türkei sehen wir genau das, dass im Moment diese Plantagenwälder ganz extrem und heftig brennen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.