Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Branchentreff für Medienschaffende

Was als Mitteldeutsche Medientage kurz nach der Wende in Leipzig begann, hat sich nach einigen Durststrecken nach Köln und München zum drittgrößten Branchentreff entwickelt. Mit kräftiger Hilfe dreier Landesmedienanstalten und mittlerweile gut zwei Dutzend Sponsoren haben die neuen Organisatoren, ein junges Leipziger Medienbüro, den Medientreffpunkt Mitteldeutschland binnen weniger Jahre fest im Veranstaltungskalender etabliert. In dieser Woche wurde wieder nach Leipzig gerufen und 1.400 Medienschaffende kamen - soviel wie noch nie.

Von Claus Stäcker | 14.05.2005
    Die durchaus hochkarätige Teilnehmerrunde vom dpa-Chefredakteur bis zum ZDF-Intendanten schätzt die kurzen Wege in dem Leipziger Hotel, die guten Parties in historischem Ambiente am Abend - und natürlich die hohe Außenwirkung der Veranstaltung - kein anderer Medienkongress macht es den Machern so leicht, in die Schlagzeilen zu kommen. Und es werden durchaus brisante Fragen diskutiert: "Parolen in der Politik" war eines der 40 Podien überschrieben. Es versuchte, den goldenen Weg im Umgang mit Rechtsextremen zu finden. Denn als die NPD in den sächsischen Landtag einzog, die etablierten Volksvertreter die Kameras einfach den neuen Provokateuren überließen, und schließlich der überforderten ARD-Reporterin auch noch das Wort entzogen wurde, entstand, wie MDR-FS-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich es formulierte:

    " Eine situative Katastrophe, muss man sagen "

    ... aus der ausnahmslos alle Journalisten der Runde, inklusive Michel Friedman, die Konsequenz ableiteten, Rechtsextreme nicht totzuschweigen, sondern ihnen im Gegenteil mehr Platz und bessere Sendezeiten zu widmen. Thüringens Regierungschef Dieter Althaus sagte:

    " Ich fände es wichtig, wenn dies auch die Lehre dieser Tage ist, dass wir uns als Politiker dieser Auseinandersetzung sehr offen stellen und uns, Zweitens, auch vorbereiten auf solche Auseinandersetzungen. Dass wir auch selber Bescheid wissen über die Strukturen, über die Inhalte, die vermittelt werden, auch auf die Personen hin - denn viele, die rechtsradikale Parteien wählen, sind nicht rechtsradikal von sich aus schon. "

    Der Qualität im Fernsehen wurde in Leipzig überraschend einhellig eine Renaissance bescheinigt, was die Programmchefs von ARD und ZDF, Günter Struve und Thomas Bellut, natürlich nur unterstrichen. Aber selbst der neutrale Uwe Kammann sah bei seinem ersten öff. Auftritt als neuer Chef des Grimme-Instituts das deutsche Fernsehen auf Weltniveau:

    " Nur es ist anders verteilt. Es ist eben sortiert. In den Spartenprogrammen 3sat, arte, Phönix, KiKa findet man viel von dem, was man zu bestimmten Zeiten, wo wir wach sind, nicht hat. Da sehe ich eine Schwachstelle. Aber in der Summe, in der Addition dessen, was man haben könnte, ist das heutige Angebot sicher besser denn je. "

    Auch diese Runde produzierte Schlagzeilen, verkündete doch Struve, dass von den sechs politischen Magazinen im Ersten kein einziges gestrichen werde. Aber wegen der geplanten Verschiebung der Tagesthemen auf 22:15 würden Monitor, Fakt und co wohl oder übel um eine Viertelstunde gekürzt werden müssen. Bellut kündigte Gegenschritte des ZDF an, ließ sich in Leipzig aber keine Einzelheiten entlocken. - Neuen Trends spürte der Medientreffpunkt nach: Digital-Fernsehen, na klar, Mehrwertdienste für Radios und Handys, aber auch alternative Verbreitungswege - Weblogs etwa, online-Tagebücher, die schnell zu journalistischen Quälgeistern werden und Politikern wie Unternehmen einige Kopfschmerzen bereiten können. Jede Woche kommen rund 400 neue Logs dazu, wie das des jungen Dresdners Martin Röll, der überrascht war, wie schnell sein Tagebuch zum alternativen Forum wurde.

    " Weblogs geben Jedem eine Stimme. Er muss kein Journalist sein, er muss keinen Chefredakteur kennen. Er muss sich nicht hinsetzen und einen schönen Artikel schreiben. Wenn er irgendetwas zu sagen hat, irgendwas mitzuteilen hat, kann er das machen: auf seiner eigenen Seite. Er kann ins Netz gehen und er kann es bereitstellen. Er wird dann wahrscheinlich gelesen werden, vielleicht nur von drei, vier Leuten, die ihn kennen, vielleicht aber auch von ganz vielen. Dafür sorgt das Netzwerk von Weblogs, das ihm Besucher zuführt, wenn er was Interessantes zu sagen hat. Das ist was, wo Weblogs wirkungsvoll werden. Jeder kann jetzt schreiben, jeder kann potenziell gelesen werden. "

    Schwerpunkt in Leipzig aber war mit gleich drei Foren die aktuelle Debatte um die Rundfunkgebühren: Während ARD und ZDF ankündigten, dass sie im Juni über eine Verfassungsklage gegen die Art und Weise der jüngsten Gebührenfestsetzung entscheiden wollen - so war es doch vor allem der blaue Brief aus Brüssel und die 77-seitige Antwort der Bundesregierung darauf, der die Gemüter erhitzte. MDR-Intendant Udo Reiter sprach von einer unheiligen und explosiven Allianz aus deutschen Medienkonzernen und machtgeilen Brüsseler Bürokraten. Und Bernhard Vogel, der einst als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz den Privatfunk anschob, pochte nun darauf, das duale Rundfunksystem gegenüber Brüssel zu verteidigen:

    " Dabei ist meiner Ansicht nach die Achillesferse, dass Brüssel von Anfang an eigentlich Medien stärker unter wirtschaftlichen Aspekten gesehen hat - und sieht - als unter kulturellen. Und die Schlacht muss geschlagen werden zu Gunsten unserer Auffassung, Medien sind in erster Linie kulturelle Veranstaltungen. Und das zweite ist, dass wir darauf bestehen müssen, dass die Rundfunkgebühr keine Beihilfe ist. "