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Brand in Apollo Masters Fabrik
Schallplattenindustrie in Gefahr

Seit die US-amerikanische Lackfolienfabrik Apollo Masters im Februar abbrannte, fehlt es weltweit an Rohlingen für die Vinylherstellung. Engpässe drohen, unter denen viele Labels in den nächsten Monaten leiden werden. Geht dem wachsenden Geschäft mit den Schallplatten bald die Puste aus?

Von Andreas Robertz | 18.04.2020
Schallplatten
Im Feuer der Apollo Masters Fabrik ging auch die Formel zur Herstellung von Vinyl-Rohlingen verloren (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
Die kalifornische Stadt Banning ist vielen Schallplattenliebhaberinnen und -liebhabern ein Begriff: dort war bis Anfang des Jahres die Apollo Masters Fabrik ansässig. In einem komplizierten Verfahren wurden hier die Rohlinge erstellt, die existenziell sind für die Herstellung von Masterscheiben, mit denen man dann die Vorlagen, sogenannte Stempel, für die eigentliche Vinylplatten Herstellung presst. Das änderte sich am 6. Februar 2020 schlagartig:
"Es gab plötzlich eine laute Explosion und das ganze Gebäude erzitterte", zuckt Manager Sam Smith hilflos mit den Schultern. Die Formel für die Herstellung der Rohlinge sei zusammen mit der Fabrik verbrannt.
"Es war heftig. Verschiedene Labels sind dadurch betroffen, je nach dem ob sie von Apollo beliefert wurden. Und jetzt kommt auch noch die Pandemie dazu, ein Schlag nach dem anderen", beschreibt Cheryl Pawelski, eine Musikproduzentin aus Los Angeles, die Auswirkungen des Brands auf die Schallplattenindustrie.
Der Weltmarktführer ist plötzlich verschwunden
Apollo Masters belieferte 70 Prozent des Weltmarktes - vor allem Rock, Pop und Independent - während klassische Musik und Jazz meist auf die Rohlinge der japanischen Firma MDC zugreifen, weil diese eine bessere Qualität haben. Ob Apollo Masters wieder aufgebaut wird, scheint bisher eher unwahrscheinlich - gestiegene Standards in den Umweltschutzgesetzen in Kalifornien machen die Zulassung einer neuen Fabrik unwahrscheinlich.
"Ich höre Gerüchte, dass andere Hersteller bereit sind, einzuspringen und ihr eigenes Lack-Verfahren zu testen. Durch den Virus müssen sie erstmals warten. Wir werden sehen, aber es gibt genug Enthusiasten mit viel Energie. Es ist eine Chance für jemanden", so Produzentin Pawelski.
Dass bislang noch niemand eingesprungen ist, liegt auch am komplizierten Herstellungsverfahren der Rohlinge: "Das wirkliche Problem ist der Kodierungsprozess, also das Auftragen des Lacks", erklärt Tom Fine, Toningenieur aus New York.
"Das muss alles sehr präzise sein, die Temperatur und wie der Lack trocknet. Es muss super gleichmäßig sein. Manchmal sieht alles gut aus, aber dann gibt es Probleme mit den unteren Schichten. Sind sie unregelmäßig getrocknet, erzeugt das Geräusche, manchmal gibt es Luftblasen. Es ist wirklich schwierig."
Engpässe bedrohen die Schallplattenindustrie
Für Tom steht die ganze Branche unter einem enormen Zeitdruck. "Ich glaube, eine neue Fabrik muss innerhalb von ein paar Monaten hochgezogen werden, nicht innerhalb von Jahren. Sonst wird es zu Engpässen kommen."
Dazu passt ein Gerücht, das man von Brancheninsidern immer wieder hört: Der französische Magnetkarten Hersteller Mulann wolle eine neue Fabrik etablieren und so das Geschäft nach Europa ziehen. In einer Email bestätigt Jean-Luc Renou, der Chef von Mulann, die Pläne. Man sei aber auch bedingt durch die Pandemie nicht in der Lage, noch in diesem Jahr die Produktion aufzunehmen. Und auch bei Mulann habe man Probleme mit der richtigen Formel.
In den nächsten Monaten sollte der Brand in der Apollo Masters allerdings noch keine Auswirkungen haben - viele Aufnahmestudios haben noch genug Rohlinge gelagert und der japanische Hersteller MDC hat seine Produktion deutlich angezogen.
Weltweit nur noch ein Vinyl-Rohling-Produzent
Die Abhängigkeit von nur einem einzigen Produzenten weltweit verschiebt das Problem nur, meint Roe Peterhans vom Label 'Third Man Pressing' in Detroit: "Jetzt sind wir alle in Gefahr durch einen Engpass. Es muss doch nur irgendetwas dort passieren und plötzlich gibt es gar nichts mehr."
Im Moment habe die gesamte Industrie erst mal mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen, aber es sei wichtig, das Problem nicht aus den Augen zu verlieren, so Peterhans.
"Wir hoffen, dass die Nachfrage nach Vinyl weiter steigt und sich entweder mehrere Leute zusammentun und in etwas Neues investieren oder die, von denen man so hört, wirklich kurz davor sind, eine Lösung zu finden."