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Brandschutz in Hochhäusern
Welche Brandschutzmaßnahmen gibt es in Deutschland?

Nach dem verheerenden Brand in einem Londoner Hochhaus verweisen deutsche Brandschutzexperten auf strengere Brandschutzregeln hierzulande, fordern jedoch unter anderem eine Überprüfung älterer Gebäude. Auch richtiges Verhalten - nicht erst im Brandfall - könne Leben retten.

Von Dieter Nürnberger | 15.06.2017
    Feuerwehrleute stehen vor einem Hochhaus in Stutensee bei Karlsruhe. Das Feuer war in einer Wohnung im siebten Obergeschoss des 13-stöckigen Mehrfamilienhauses ausgebrochen.
    In Deutschland gelten strengere Brandschutzregeln als in Großbritannien (dpa/Uli Deck)
    Noch liegen verlässliche und endgültige Erkenntnisse über die Ursachen des Londoner Flammeninfernos nicht vor. Allerdings gibt es Mutmaßungen, dass die rasant schnelle Ausbreitung des Feuers mit der Fassade zusammenhängen könnte. Auch in Deutschland wird diese Annahme von den meisten Experten geteilt. Beispielsweise von Reinhard Ries, dem Chef der Feuerwehr in Frankfurt am Main, der Stadt mit den meisten Hochhäusern in Deutschland. Wie viele seiner Kollegen schaute auch Ries gestern die Fernsehbilder aus Kensington, er äußerte sich im ZDF:
    "Was wir deutlich erkennen können: Das Feuer ist sehr schnell über die Fassade gelaufen. Das heißt: Die Fassaden müssen brennbar gewesen sein. Deshalb kann sich das Feuer schnell ausbreiten - es konnte schnell über die Fenster in alle Etagen einfallen. Deshalb ist das ganze Gebäude sehr schnell dem Feuer zum Opfer gefallen."
    Je höher das Haus, desto aufwendiger der Brandschutz
    Die Frage ist nun, kann eine solche Feuerkatastrophe auch hierzulande passieren? Aus London ist zu hören, dass Anwohner des 24 Stockwerke hohen Wohntowers schon länger auf Defizite und mögliche Gefahrenquellen aufmerksam machten. Experten in Deutschland verweisen auf strengere Brandschutzregeln. Je höher das Gebäude, desto aufwendiger sei der Brandschutz, sagt auch Reinhard Ries.
    "In Deutschland können wir fast stolz darauf sein. Denn wir haben hier schon seit den 80er-Jahren in Hochhaus-Richtlinien verankert, dass die Fassade nicht brennbar ausgeführt wird. Es dürfen also keine Dämmstoffe verwendet werden, die brennen können. Weshalb eine Feuer-Weiterleitung über brennbares Material unmöglich ist."
    Bis 22 Meter Höhe gelten weniger strenge Vorschriften
    Hierzulande gelten Gebäude ab einer Höhe von 22 Metern als Hochhäuser. Sie brauchen beispielsweise einen zweiten Fluchtweg - dieser muss zudem mit einer Anlage ausgestattet sein, die im Fall der Fälle den Luftdruck erhöht, damit kein Rauch eindringen kann. Löschwasser wird über fest installierte Steigleitungen und Pumpen auch in höhere Stockwerke transportiert. Hinzu kommen Vorschriften zu Sprinkleranlagen, Rauchwarnmeldern etc. Vorschrift ist hier auch eine unabhängige Notstromversorgung.
    Die genannte Höhe von 22 Metern ist nicht zufällig gewählt, denn bis dahin reichen in den meisten Fällen die Drehleitern der Feuerwehren. Allerdings gilt auch, dass die Vorschriften für Gebäude bis zu dieser Höhe weniger streng sind. Darauf macht der Berliner Landesbranddirektor Wilfried Gräfling im rbb aufmerksam: "Bei Gebäuden darunter wird eben zur Dämmung auch brennbares Material verwendet. Das ist uns schon ein Dorn im Auge, das müssen wir wirklich sagen. Aber bis dato konnten wir uns da noch nicht durchsetzen."
    Stets geschlossene Brandschutztüren können Leben retten
    Die Berliner Feuerwehr drängt nun auf schärfere Vorschriften bei Brandschutz für Gebäude unterhalb der 22-Meter-Grenze. Hier verwendetes Dämmmaterial sei zwar schwer entflammbar, aber es sei eben brennbar. Mineralische Dämmstoffe, die nicht brennen würden, seien deshalb das Gebot der Stunde. Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes fordert zudem eine Überprüfung älterer Gebäude. Dort gebe es in der Regel weder Sprinkleranlagen noch Notrufeinrichtungen.

    Ein weiteres Augenmerk gilt dem richtigen Verhalten im Brandfall. Denn jede Vorschrift greife nur, wenn sie vor Ort auch befolgt werde, sagt Berlins Feuerwehrchef Wilfried Gräfling: Er nennt Türen, die aus Brandschutzgründen geschlossen sein müssen, als Beispiel:
    "Das ist kein Kavaliersdelikt. Denn wenn tatsächlich mal etwas passiert, dann kann genau diese Tür die lebensrettende Tür sein - weil sich der Rauch nicht ausbreiten kann. Und so kann jeder etwas tun: keine brennbaren Materialien in Fluren! Wir reden hier von notwendigen Fluren, die für die Rettung oder Flucht der Mieter oder Bewohner erforderlich sind. Ein ganz wichtiger Appell an alle: Machen Sie sich vorher darüber Gedanken. Wenn es bei mir brennen würde, wo wäre der Weg, über den ich fliehen könnte?"