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Brandstifter für die Forschung

Technik. - Immer wieder gehen Fahrzeuge in Straßentunneln in Flammen auf, entweder wegen eines Unfalls oder einer Panne. Manchmal sind die Folgen katastrophal – wie 1999 im Mont Blanc-Tunnel, als 39 Menschen nach einer Massenkarambolage in den Flammen starben. Schweizer Ingenieure testen ihre neuen Brandschutztechniken daher unter sehr realen Bedingungen - in einem eigens geschaffenen Stollen.

Von Frank Grotelüschen |
    Es ist nur ein Test, eine Probesprengung. Doch die Druckwelle ist so stark, dass einem der Atem stockt, die Hosenbeine flattern und die Hemdsärmel zittern. Detonationen wie diese sind hier reine Routine: Im Versuchsstollen Hagerbach im schweizerischen Flums wird im Dienste der Forschung gesprengt – und zwar um die Stabilität und Sicherheit von Straßentunneln zu verbessern.

    "Das ist ein Versuchsfeld für den Untertagebau. Wir haben insgesamt ein Stollennetz von fünf Kilometern. Unseres Wissens nach ist das eine Anlage, die in der Art weltweit einzigartig ist."

    Volker Wetzig leitet bei Hagerbach die Forschung und Entwicklung. Er zeigt auf einen Plan des Stollennetzes – ein Labyrinth, indem man sich nur ungern verlaufen würde. Ein Schwerpunkt der Tunnelforscher ist die Brandsicherheit. Feuer in einem Straßentunnel, sagt Wetzig, ist eine tückische Angelegenheit: Oft nämlich unterschätzen die Autofahrer die Gefahr. Der Grund:

    "In den ersten fünf Minuten hat man eigentlich den Eindruck, es passiert überhaupt nichts. Es raucht ein bisschen aus der Motorhaube. Aber dann ist die Zündtemperatur von den ganzen Kunststoffen im Fahrzeug erreicht, und es steht blitzartig im Vollbrand. Und diese Kunststoffe ergeben dann eine intensive, schwarze Rauchwolke, die den Tunnel blitzartig mit Rauch füllt. Und man verliert dann sehr schnell die Orientierung."

    Vor allem ist der schwarze Rauch extrem giftig. Schon nach wenigen Atemzügen raubt er das Bewusstsein, das Opfer erstickt. Um das zu vermeiden, versuchen die Tunnelbetreiber einen Brandherd möglichst schnell zu erkennen. Dazu setzen sie unter anderem auf Hightech-Feuermelder, die mit Lasern funktionieren. Ein solches System will die Firma Siemens nun im Hagerbach-Stollen testen – in einen engen Gang, kaum drei Meter hoch. An der Wand hängen diverse Monitore. Einige zeigen Kamerabilder, andere Messkurven. Das "Opfer" ist eine Autoattrappe aus rostigem Blech. Sie ist etwa so groß wie ein Autoskooter und steht weiter hinten im Tunnel. Siemens-Ingenieur Manfred Mägerle öffnet die Haube und zeigt in den Motorraum.

    "Wir haben vorne Brandmatten gelegt, die wir in Brand setzen. Im hinteren Bereich haben wir zwei bis vier Liter Benzin, das dann in Brand geraten wird, sobald diese Matten angezündet sind."

    Dann begeben wir uns zurück zu den Monitoren, in sichere Entfernung. Ein Kollege von Mägerle zückt das Feuerzeug, und schon qualmt es aus der Motorhaube.

    "Man sieht es brennen. Aber es brennt im Innenraum und ist abgeschottet nach draußen."

    Ein Blick auf den Monitor, er zeigt die Werte eines Lasersensors an: Die Warnleuchte steht auf grün, die Messkurve verharrt bei einer Temperatur von 15 Grad. Das bedeutet: Noch ist die Hitze im Auto eingeschlossen. Dann aber schießt eine Stichflamme aus der Attrappe.

    "So – jetzt sind die Tanks in Brand geraten. Wir sehen jetzt: Alarm gegeben."

    Die Anzeige ist umgesprungen von grün auf rot, die Temperaturkurve auf dem Monitor zeigt ausgeprägte Beulen. Das Bild der Kameras aber ist schwarz – so dick ist der Rauch, der aus dem Vehikel quillt. Dann hat Mägerle genug und setzt die Löschanlage in Betrieb. Mit zehnfachem Atmosphärendruck schießt das Wasser von der Tunneldecke auf die Flammen nieder. Nach zwei Minuten ist das Feuer zwar noch nicht aus. Aber das Wasser hat den Rauch weggewaschen und den Brand auf ein erträgliches Maß gekühlt.

    "Wir haben Temperaturen bis 140 Grad gehabt. Das ist jetzt auf etwa 50 Grad. Das sind die bekannten 50 bis 60 Grad, wo die Feuerwehr intervenieren kann. Also kein Problem mehr, um nahe ans Feuer zu gehen."

    Die Hochdrucklöschung ist zwar effektiv. Aber es gibt sie bislang in kaum einem Tunnel. Den meisten Betreibern ist sie schlicht zu teuer. Anders der Feuermelder auf Laserbasis, den Siemens entwickelt hat. Er findet sich schon in manchem Tunnel in Europa – ein Glasfaserkabel, installiert an Tunnelwand oder Tunneldecke, sagt Manfred Mägerle.

    "Der große Vorteil ist, dass das System wartungsfrei ist. Und großer Vorteil ist, dass wir ortsgenau sind. Wir können die Temperatur ortsgenau angeben mit Ausbreitung, mit Richtung, und so weiter ."

    Für Straßentunnel habe sich das System bereits bewährt, sagt Mägerle. Nun arbeiten er und seine Kollegen daran, den Hightech-Feuermelder auch an anderer Stelle einzusetzen – zum Beispiel in Hochregallagern, oder auch in Flugzeughangars.