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Brandstiftung für Baugrund

Die verheerenden Waldbrände in Griechenland sind weitgehend unter Kontrolle, aber noch immer regnet es Asche über Athen. Auch diesmal hält sich ein böses Gerücht: dass Bodenspekulanten die Brände gelegt hätten, um teures Bauland in der Nähe der Hauptstadt zu gewinnen.

Von Alkyone Karamanolis | 25.08.2009
    Im Athener Stadtzentrum könnte man fast meinen, es sei ein Tag wie jeder andere, wären da nicht die Unterhaltungen – auf der Straße, in den Geschäften, in den Cafés und auf den Plätzen der Stadt:

    "Diese Brände sind nicht aus Fahrlässigkeit entstanden. Sie sind gewollt. Sie sind absichtlich gelegt.""

    Sagt der 90-jährige Herr Kostas, der mit seinen Freunden zusammensitzt und über die Lage diskutiert. Enttäuscht sind sie – und wütend.

    Wenn die Politiker wollten, sagt auch sein Freund, Herr Sotiris, könnten sie die Brandstifter doch fassen. Aber es gebe offenbar kein Interesse daran.

    Fassungslos beobachten die Athener alle paar Jahre die gleichen Szenen: riesige Waldbrände, die wichtige Naherholungsgebiete in Staub und Asche verwandeln. Dabei hatten die Experten gewarnt, zuletzt nach den schlimmen Feuern auf dem Peloponnes 2007. Es bräuchte einen Richtungswechsel, mahnten sie. Und so kam etwa auch für den Forstexperten Konstantinos Liarikos vom WWF, dem World Wildlife Fund, die neuerliche Katastrophe nicht überraschend.

    ""Es herrscht in Griechenland eine etwas brachiale Herangehensweise vor, die auf Quantität statt auf Qualität setzt, also mehr Löschflugzeuge zum Beispiel. Dabei geht es doch gar nicht darum. Wichtig wäre es, die Prävention zu stärken. Im Augenblick gibt Griechenland 400 Millionen Euro jährlich fürs Feuerlöschen aus, für Feuerprävention dagegen stehen nur 16 Millionen zur Verfügung. Das ist haarsträubend, aber eine politische Entscheidung."

    So sind die Forstbehörden weiterhin dramatisch unterbesetzt – rund 40 Prozent des nötigen Personals fehlt hier; etwa um Forste zu lichten. Doch Vorsorge ist etwas, was man nicht sieht – und was sich daher auch kaum zum Stimmenfang eignet, so Liarikos Vermutung. Aus demselben Grund, so der WWF-Experte, komme auch das Waldkataster nicht voran. Waldgebiete dürfen nicht bebaut werden, so sieht es das Gesetz vor. Doch ohne ein Waldkataster kann nach einem Feuer niemand genau sagen, wo vorher Wald war und wo nicht:

    "Wenn die Politiker wollten, und ich meine alle Parteien, die von Zeit zu Zeit dieses Land regieren, wäre diese Frage längst geregelt. Aber ganz offensichtlich ziehen sie Profit aus der bestehenden Situation. Wir sehen es doch vor jeder Wahl: da werden bestehende Schwarzbauten gesetzlich anerkannt, Grundstücke jenseits von Städten und Kommunen werden zur Bebauung frei gegeben. Es gibt also eine Verschiebemasse an Immobiliengrund, die die Politiker zum Stimmenfang benutzen."

    So waren auch die meisten Gegenden, die nun abgebrannt sind, in den 90er-Jahren noch dichte Kiefernwälder – die abbrannten und somit über Nacht zu Baugrund wurden. Weil der Bausektor indes einer der Motoren der griechischen Wirtschaft ist, lassen die Politiker den Grundstücksspekulanten freie Hand, vermutet man in Griechenland nicht nur beim WWF. Und noch etwas irritiert Konstantinos Liarikos und seine Kollegen vom WWF:

    "Es ist bezeichnend, dass es bis heute keine amtliche Bilanz über die Brandkatastrophe von 2007 gibt. Aus dem Ausland sind wiederholt Experten gekommen, um die Ereignisse des Sommers 2007 zu studieren, doch hier hat sich nichts geändert."

    Auf den Plätzen der Hauptstadt suchen die Menschen am Abend etwas Abkühlung. Sie brauchen keine amtlichen Zahlen, um zu verstehen, dass sie mit den Waldbränden vor den Toren der Stadt wieder ein Stück Lebensqualität eingebüßt haben:

    "Wir haben das ja leider schon oft erlebt. Es wird noch wärmer werden in der Stadt. Früher hatte doch kein Mensch in Athen eine Klimaanlage – jetzt kann ich mir nicht einmal mehr mein Auto ohne Aircondition vorstellen."