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Brandstopper im Fadenkreuz

Umwelt. - Angesichts jüngster Brandkatastrophen, die immer wieder zahlreiche Opfer fordern, scheinen Baumittel, die Feuer verzögern, als sinnvolle Vorbeugung. Allerdings bergen auch viele dieser Stoffe selbst große Gefahren: Unter der Hitze setzen etwa bromhaltige Materialien hochgiftige Dioxine frei, die im Körper gut und lange gespeichert werden. Weil Brom-Verbindungen auch ohne Brände immer häufiger in der Umwelt auftauchen, diskutieren jetzt weltweit Experten die Einschränkung ihres Einsatzes.

    Eine Expertenrunde der Weltgesundheitsorganisation WHO sichtet derzeit alle verfügbaren Daten zu bromhaltigen Brandstoppern mit dem Ziel, das gesundheitliche Risiko der Verbindungen einzuschätzen. Im Visier stehen dabei insbesondere so genannte "polybromierte Diphenylether" (PBDE). Die Substanzen stellen die häufigsten Brandverzögerer, die Brom enthalten und Kunststoffen beigemischt werden. Sie finden sich zahlreich beispielsweise in Bildschirmen und Fernsehern, Haushaltsgeräten bis hin zu Teppichen und Textilien.

    "Jedes Jahr werden vor allem in den USA, China, Israel und Japan rund 70 bis 80.000 Tonnen der sehr langlebigen bromhaltigen Materialien hergestellt", konstatiert Gerhard Rimkus, Spezialist für Rückstandsanalytik beim Land Schleswig Holstein. Weil die als krebsfördernd verdächtigten Verbindungen äußerst fettlöslich sind, seien sie inzwischen in der Umwelt weit verbreitet und fänden sich sogar in der Muttermilch des Menschen. Verarbeitet werden vor allem drei PBDE, die sich in der Anzahl der Bromatome im Molekül voneinander unterscheiden: Tetra-, Penta- und Deka-Brom-Verbindungen.

    "Eine Expertenrunde der WHO kam jüngst zu dem Schluss, dass diese Verbindungen jetzt ihr Maximum in der Produktion erreicht haben. Aufgrund der Verzögerung werden wir aber in den kommenden zwei bis drei Jahren noch einen Anstieg dieser Stoffe in der Muttermilch verzeichnen können", berichtet Dieter Schrenk, Professor für Umwelttoxikologie von der Universität Kaiserslautern. Auch die EU-Kommission hat bereits ein Auge auf die bromierten Flammschutzmittel. Allerdings wolle der zuständige Fachausschuss nur einen der drei PBDE EU-weit verbieten, erklärt Gerhard Rimkus: "So sollen Penta-Brom-Verbindungen entfallen, doch das Problem liegt wahrscheinlich viel mehr bei den Deka-PBDE." Welche Verbindung dabei am gefährlichsten ist, wird auch unter Analytikern noch diskutiert: So werden hauptsächlich Dekabromdiphenylether produziert, doch etwa in Fisch-, Muschel und Humanproben taucht dagegen vor allem eine Tetrabrom-Verbindung auf. Das bedeute jedoch nicht, dass Dekabromdiphenylether sich nicht in der Natur anreicherten: Studien hätten etwa gezeigt, dass Sonnenlicht die Verbindungen in Tetra- oder Pentabrome wandeln könne, so Rimkus. Im kommenden Frühjahr will die WHO abschließend beurteilen, wie gefährlich bromierte Brandverzögerer für den Menschen sind.

    [Quelle: Volker Mrasek]