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Brasilien
Suspendierung von Präsidentin Rousseff wird wahrscheinlicher

Nach dem Abgeordnetenhaus muss nun heute der Senat über das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff entscheiden. An der bevorstehenden Suspendierung gibt es angesichts der Machtverhältnisse kaum noch Zweifel. Doch Rousseff will sich nicht aus dem Amt vertreiben lassen und gegen "diese illoyalen Verräter kämpfen".

Von Julio Segador | 11.05.2016
    Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff vor der Presse nach dem Votum des Abgeordenenhauses für ein Amtsenthebungsverfahren.
    Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff vor der Presse nach dem Votum des Abgeordenenhauses für ein Amtsenthebungsverfahren. (dpa/epa/picture alliance/Fernando Bizerra Jr.)
    Wird es Dilma Rousseffs vorläufig letzter Tag als Präsidentin sein, oder nicht? Sie selbst zeigt sich wenige Stunden vor der entscheidenden Abstimmung im brasilianischen Senat optimistisch und kämpferisch.
    "Ich möchte allen sagen. Der letzte Tag meines Amtes wird der 31. Dezember 2018 sein."
    An diesem Tag endet ihre Amtszeit regulär. Die mögliche – für viele – wahrscheinliche Suspendierung, hat Dilma Roussef nicht auf der Rechnung. Sie werde alle ihr zur Verfügung stehenden legalen Mittel ergreifen um gegen ihre Absetzung zu kämpfen, erklärte die 68-jährige Staatschefin auf einer Frauenkonferenz. Und das heißt zunächst, noch einmal vor dem Obersten Gerichtshof gegen das Amtsenthebungsverfahren zu klagen.
    Es ist Dilma Rousseffs letzte Patrone, und die zielt auf ihren Erzfeind Eudardo Cunha, dem suspendierten Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Er hat das Impeachment gegen Dilma Rousseff vorangetrieben. Mittlerweile aber wurde er vom Obersten Gericht abgesetzt. Rousseffs engster juristischer Berater, Regierungsanwalt José Eduardo Cardozo, hofft nun, dass die Verfassungsrichter das Impeachment noch zu Fall bringen.
    "Eduardo Cunha hat während des Amtsenthebungsverfahrens eine ganze Reihe von fragwürdigen Entscheidungen getroffen, selbst nachdem er vor dem Obersten Gericht angeklagt wurde. Deshalb werden wir die rechtlichen Maßstäbe, die das Oberste Gericht angelegt hat, um Cunha zu suspendieren, nun vorbringen, um das Impeachment zu annullieren."
    Brasiliens Parlamentspräsident Eduardo Cunha vor einer Untersuchungskommission zur Petrobas-Affäre.
    Eduardo Cunha ist für Roussef ein "Putschist". (dpa/picture-alliance/Fernando Bizerra Jr)
    Respektloser Ton von allen Seiten
    Ein Versuch, der kaum Erfolgsaussichten haben dürfte. Verfassungsrichter Gilmar Mendes meinte bereits sarkastisch, von ihm aus könnte die Regierung im Himmel, beim Papst oder beim Teufel Einspuch einlegen.
    Das ist der Ton, der in diesen chaotischen Tagen im politischen Brasilien üblich ist. Es gibt keinen Respekt vor der Präsidentin, keinen gegenseitigen Respekt der Verfassungsorgane. Abgeordnete und Senatoren stehen sich feindselig gegenüber, die Menschen im Land sind zutiefst polarisiert. An der eigentlichen Entscheidung, der bevorstehenden Suspendierung der Präsidentin, gibt es kaum noch Zweifel. Zu klar sind die Mehrheitsverhältnisse im Senat, klärt Herlio Doyle auf, einer der Gründer der Arbeiterpartei PT und langjährige Weggefährte von Dilma Rousseff.
    "Ich sehe keine Möglichkeit mehr. Die Mehrheit der Senatoren hat sich bereits festgelegt. Etwa 55 der 81 Senatoren werden dafür stimmen, sie ihres Amtes zu entheben. Das Impeachment wird angenommen und sie wird aus der Regierung vertrieben."
    Der eigentliche Anlass für das Amtsenthebungsverfahren, angebliche Haushaltstricks, spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Das Impeachment ist eine politische Entscheidung. Auch deshalb spricht Dilma Rousseff inzwischen Klartext. Michel Temer, ihr Vizepräsident und möglicher Nachfolger, und Eduardo Cunha, sind für Dilma Rousseff nichts anderes als Putchisten, von denen sie nicht mehr wissen möchte.
    "Ich bin nicht müde, um mein Amt zu kämpfen. Ich bin es aber leid, von diesen illoyalen Verrätern umgeben zu sein."
    Sollte Dilma Rousseff heute zunächst für 180 Tage suspendiert werden, würde Vizepräsident Michel Temer ihre Position einnehmen. In dieser Zeit würden die Vorwürfe gegen die Präsidentin vom Senat unter dem Vorsitz des Obersten Gerichtshofes juristisch geprüft. Danach müsste der Senat erneut abstimmen.