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Brauchen Kühlschränke eine Firewall?

Mit dem neuen Internetprotokoll in Version 6 gibt es genug Internetadressen, um jedes Garagentor und jeden Kühlschrank im Netz anzumelden. Wie die Vernetzung der Dinge die Gesellschaft verändern wird, haben Experten auf der BMBF-Konferenz "Zukünftiges Internet" in Berlin debattiert.

Von Manfred Kloiber | 06.07.2011
    Mit einer fast schon apokalyptischen Warnung schwor Professor Jürgen Mittelstraß beim Kongress zukünftiges Internet in Berlin das Plenum auf die kritische Distanz ein: "Die Instrumente", warnte der Konstanzer Philosoph "lösen sich von ihren Nutzungsfunktionen, sie verselbstständigen sich, kommunizieren untereinander." Mittelstraß sprach von den Cyber Physical Systems, einer neuen Klasse von Computer, die die Akademie der Technikwissenschaften acatech gerade erst zum strategischen Forschungsgegenstand der nächsten Internet-Generation erklärte.

    "Es ist eigentlich die Verschmelzung von der physikalischen, realen Welt, die wir ja täglich anfassen - Messgeräte, Steuergeräte, Kameras - mit der virtuellen Welt, also dem Cyberspace. Daher der Name", "

    erklärt Professor Henning Kagermann, acatech-Präsidiumsmitglied und SAP-Mitbegründer das Konzept der Cyber Physical Systems. Was früher ein einfacher Temperaturfühler in einem Raumthermostat war, ist heute zur Klimakontrolleinheit im Hausnetz geworden. Ein einfacher Öldrucksensor wird zum Melderechner im Fabriknetz. Darum müsse man sich mit den Cyber Physical Systems so dringend beschäftigen:

    " "Das liegt daran, weil zunehmend Steuerung des täglichen Lebens durch Software passiert, weil Intelligenz in jedes Objekt des Alltages kommt und wir jetzt gucken müssen, dass wir beim Design nicht als getrennte Welten sehen, sondern als eine Einheit, die man integrativ behandelt."

    Bislang sind die zahlreichen autonomen Klein-Rechner oft Eigenbrötler - ohne jeden Kontakt zu Außenwelt. Demnächst aber bekommen sie alle einen Anschluss - einen drahtlosen. So rechnen die extremen Visionäre unter den Nachrichtentechnikern mit einem Verhältnis von 1 zu tausend in den nächsten 15 Jahren. Schon 2017 soll es auf sieben Milliarden Erdenbürger bis zu sieben Billionen dieser kleinsten Minicomputer geben. Das versetzt Professor Gerhard Fettweis von der TU Dresden regelrecht in Euphorie. Analog zum Web 2.0, dem Internet der sozialen Netzwerke, spricht er vom Thing 2.0:

    "Was ich damit meine ist: Heute haben wir im Web 2.0, zum Beispiel Facebook, Menschen, die ihr Innerstes der Welt preisgeben und Communitys bilden. In Zukunft haben wir Sensoren überall, über 100 Milliarden Sensoren, die vernetzt sein werden in der Welt. Und es wird Communitys geben, die miteinander kommunizieren und sich austauschen."

    Schon heute stecken mindestens zwei, wenn nicht sogar drei oder vier komplette Kommunikationsnetze in jedem Auto. Bislang sind auch sie nur spärlich mit der Außenwelt vernetzt, oft sogar noch untereinander abgeschottet. Doch die Pläne dafür liegen bei allen Herstellern in der Schublade. Erster Schritt: die Umstellung der Autokommunikation auf das Internet-Protokoll. Damit wollen die Hersteller Kosten sparen, weil dann auch im Auto billige Standardnetzwerk-Komponenten eingesetzt werden können. Und der zweite Schritt: Der Anschluss des Autos an die Firmenzentrale, um es online für Servicezwecke Überwachen zu können.

    Doch auch das ist klar. Ein Auto ohne Firewall, ohne Schutz vor Computerschädlingen und Hackern wird es in Zukunft bald nicht mehr geben. Und diese Prämisse gilt nicht nur für das vernetzte Auto oder Kernkraftwerk. In jedem Cyber Physical System muss es sichere Ankerpunkte, "secure anchors" geben, meint Professor Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut für sichere Informationstechnologie in Darmstadt:

    "Die Herausforderung ist: Wie kann die Sicherheit in Hardware hineinbetten, wie kann man es schaffen, dass man Hardware als solche als sicher erkennen kann, mit Identitäten versehen kann. Und wie kann man basierend auf solche "hardware secure anchors" Vertrauen hochziehen und dann sagen die beispielsweise - können verschiedene Maschinen sicher untereinander kommunizieren. Sie wissen, sie gehören zusammen, sie tun das Richtige, sie sind vertrauenswürdig."

    Das allerdings ist eine Mammutaufgabe. Denn schon jetzt ist das Vertrauen in das klassische Internet angesichts der vielen Sicherheitslücken extrem erschüttert. Maschinen, die mit Maschinen reden, machen das Problem nicht kleiner.