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Braune Wissenschaft

Längst nicht alle deutschen Universitäten haben sich mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandergesetzt. Nach Freiburg, Göttingen, Hamburg, München - um nur einige zu nennen - legt heute die Universität Jena eine umfangreiche Publikation zu diesem Thema vor. Der Titel "Kämpferische Wissenschaft" soll auf die besondere Ausrichtung der thüringischen Hochschule hinweisen - Professoren und Dozenten legten nicht nur ideologische Grundlagen für den Nationalsozialismus, sie unterstützten auch aktiv den Rassenwahn und den Ostfeldzug.

Claudia van Laak |
    Das dunkle Kapital begann in Jena bereits lange vor der Machtergreifung Hitlers. Ab 1922 wurden die ersten vier Bankreihen in den Hörsälen für Arier freigehalten, 1930 errichtete die Uni Jena als erste in Deutschland einen Lehrstuhl für "Rassefragen und Rassenkunde". Von einer Gleichschaltung nach 33 könne man eigentlich nicht reden, sagt der Historiker Jürgen John, es habe sich vielmehr um eine Selbst-Gleichschaltung gehandelt. Die These, seriöse Wissenschaftler hätten sich von der Politik fernhalten können und seien deshalb nicht belastet, verweist er in das Reich der Mythen.

    Das sind Legenden, die Beispiele zeigen, das eben nicht die Ideologen gefragt waren, sondern das die Wissenschaftler gefragt waren, man kann keinen Generalplan Ost erarbeiten als Scharlatan, dazu braucht man exaktes Know-how.

    Das exakte Know How stammte in diesem Fall von Felix Boesler, Finanzwissenschaftler an der Uni Jena. Der Schreibtischtäter Boesler unterstützte direkt die NS-Bevölkerungs- und Rüstungspolitik.

    Es ist das Verdienst der Jenaer Studie, das sie sich nicht auf die Universität beschränkt, sondern versucht, Netzwerke aufzuzeigen. Verbindungen zwischen der Hochschule und der NS-Gauleitung in Weimar, den Rüstungswerken von Zeiss und dem Konzentrationslager Buchenwald. Geologen und Geographen waren an der Planung des KZ mitbeteiligt, das Hygienische Institut wurde bei Hygienefragen kontaktiert. Der Historiker Uwe Hossfeld:

    Die Jenaer Universität sorgte eben nicht nur für den ideologischen Überbau, sondern fungierte auch als Dienstleister für das NS-System. Die Hochschule hatte einen hohen Gebrauchswert für die Nazis, sagt der Geschichtsstudent Oliver Lemuth. Er ist Mitherausgeber des fast 1000seitigen Studienbandes.

    Die Universität leistet mit ihrem Know hoc, mit der Physik und Chemie, Dienstleistungen für NS-Stellen, zum Beispiel der Wehrmacht, die NS-Stellen sind zum Beispiel auch Finanziers der Forschung.

    Die Universitätsleitung hat die Erarbeitung des umfangreichen Bandes über die NS-Geschichte unterstützt, allerdings waren nicht alle Fakultäten kooperativ. Deshalb gewannen die Herausgeber zum Beispiel für die Aufsätze über die theologische und philosophische Fakultät auswärtige Historiker.

    Beim Thema Studentenschaft zur NS-Zeit gibt es überraschende Befunde. Als die meisten männlichen Studierenden eingezogen wurden, füllten sich die Hörsäle nämlich mit Frauen - ganz im Gegensatz zur NS-Ideologie, die die Frauen am Herd sah. Jürgen John.

    Ein Kapitel fehlt in dem 1000-Seiten-Band - es ist das Kapitel über den Widerstand gegen den Nationalsozialismus an der Universität Jena. Ganz einfach, sagt Professor Jürgen John, den gab es nicht. Er ist überzeugt: Die deutsche Ordinarienuniversität konnte kein Ort des Widerstands gegen den Nationalsozialismus sein.