Archiv


Brauner Tag

Am Volkstrauertag legen Helfer der Kriegsgräberfürsorge Kränze an den Denkmälern der Weltkriegssoldaten ab. Aber daneben finden sich auch immer öfter Kränze, die aus der rechten Szene kommen zum Heldengedenktag, festgelegt 1934 von den Nazis.

Von Susanne Lettenbauer |
    Der Waldfriedhof im Münchner Süden. Die Bäume ragen fast kahl in den trüben Novemberhimmel. Laub raschelt unter den Füßen. Zwei große Gedenkkränze und eine Pflanzschale stehen einsam vor dem riesigen Kriegsgräberfeld:

    "Die Kriegsgräberstätte München Waldfriedhof ist eine der größten Kriegsgräberstätten in Bayern. Hier liegen 3540 Tote, vor allem Deutsche. Soldaten, Frauen, Kinder, ausländische Kriegstote, also Russen, die im Ersten Weltkrieg in deutscher Kriegsgefangenschaft verstorben sind."

    Respektvoll betritt Gerd Krause vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge das Gräberfeld. Die Reihen der kleinen quadratischen Grabsteine ziehen sich endlos bis zu einem kleinen Wäldchen.

    "Hier liegt eine Frau mit ihren drei Kindern, die beim Bombenangriff ums Leben gekommen ist, hier auch ältere Leute, die als Flüchtlinge in der Stadt waren und zum Teil auch nach dem Krieg noch umgekommen sind."

    Die Schriftzüge auf den Grabsteinen wurden erst im Sommer von einem Camp russischer Jugendlicher fein säuberlich nachgezogen, erzählt Krause. Mit den kyrillischen Buchstaben der russischen Kriegstoten dürften sich die Helfer leichtgetan haben. Die Jugendarbeit sei für den Volksbund ein wichtiger Aspekt, sagt Krause.

    In der Gedenkhalle der Kriegsgräberstätte hing bis vor zwei Tagen noch die Ausstellung vom Jugendcamp. Zeitungsausschnitte von neuen Kriegsgräbern in Russland, von den Gedenkfeiern und Einweihungen, aber auch Ausschnitte aus Feldpostbriefen. Völkerverständigung, Arbeit für den Frieden, Bündnis für Toleranz – diese Schlagworte fallen beim Gespräch über die heutige Aufgabe der Kriegsgräberfürsorge.

    "Wenn Sie mal mit einer Schulklasse auf diesen Friedhof gehen, dann ist das am Anfang eine ganz lockere Atmosphäre, wenn sie dann aber mal durch die Reihen gehen und sie sehen die Geburts- und Sterbedaten, sie sehen die Namen, Vornamen, die vielleicht den eigenen ähneln oder gleich sind, dann fangen sie an darüber nachzudenken, warum liegen die denn hier, was ist denn hier passiert?"

    836 Kriegsgräberstätten betreut der Volksbund seit 1952 in Europa, neue Anlagen werden derzeit in Brandenburg aufgebaut. An vielen Kriegsgräbern in Deutschland werden am kommenden Sonntag Gedenkfeiern abgehalten und Kränze niedergelegt. Am Volkstrauertag gedenkt Deutschland der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft.

    In den vergangenen Jahren war das vielerorts auch ein Termin für die rechte Szene – etwa auf der größten deutschen Kriegsgräberstätte im brandenburgischen Halbe. Hier kam es schon mehrfach zu Neonazi-Aufmärschen am Heldengedenktag – wie schon die Nationalsozialisten den Volkstrauertag bezeichneten. In Bayern sind es vor allem die Gedenkorte für die Gefallenen der beiden Weltkriege, die an diesem Tag zum Anziehungspunkt für Neonazis werden. Regelmäßig liegen im November Kränze der NPD oder der rechten Freien Szene Süd an diesen Denkmälern. Dagegen könne man eigentlich nicht vorgehen, sagt der Bürgermeister des winzigen Örtchens Geisenhausen bei Landshut, Robert Maier, von der Freien Wählergemeinschaft:

    "Das ist ja nichts Ehrenrühriges eigentlich. Jeder kann einen Kranz niederlegen, das ist klar, aber natürlich nicht ungefragt, das ist klar. Man kann es sogar als Hausfriedensbruch bezeichnen. Es ist vielleicht gut gedacht und gut gemeint, das kann durchaus sein. Man weiß nicht, was dahintersteckt. Es könnte eine Provokation sein, aber so schaut's eigentlich nicht aus."

    Im nahen Landshut, wo die rechte Szene jahrelang aktiv war, spielt man das rechtsextreme Heldengedenken am Volkstrauertag herunter. Noch nie sei der Versuch von rechter Seite gestartet worden, hier irgendwelche "Helden-Verehrungen" abzuhalten, heißt es aus dem Rathaus. Ein Interview zu diesem Thema lehnt der Pressesprecher ab. In Hof, in Plattlingen, in Tussenhausen, in Wunsiedel, überall lagen sie aber schon, die unerwünschten Gedenkkränze der Rechtsextremen, zum Großteil schnell und heimlich von der Kommune entfernt. So war es im vergangenen Jahr auch in Freising. Altbürgermeister Dieter Thalhammer:

    "Schützen kann man sich nicht. Man muss mit solchen Situationen rechnen, deshalb überlasse ich nichts dem Zufall, sondern habe dann meine Mitarbeiter, die sehr engagiert in dieser Sache sind, die schon bei der Kirche mit dabei sind, die den Weg von der Kirche zum Kriegerdenkmal absichern und auch das ganze Umfeld vom Kriegerdenkmal in Augenschein nehmen, und dann fällt uns schon auf, wenn irgendwas ist. Wenn da irgendein Aufmarsch sein sollte, muss man eben die Polizei verständigen, aber dieses Gebinde haben wir sofort gesehen und beseitigt."

    Die Bayerische Soldaten- und Kameradschaftsvereinigung BKV unterstützt die Kommunen bei der Entfernung der Heldengedenkkränze. Sie sind es auch, die mit bis zu 75 Prozent die Kriegsgräberfürsorge im Freistaat finanzieren, mit Straßensammlungen, Überweisungsträgern im Postkasten oder Kerzenverkäufen an Schulen. Nur rund 36 Millionen Euro gibt der Bund, in Frankreich und den USA sei das staatliche Engagement wesentlich höher, sagt der Freisinger Altoberbürgermeister. Fünf neue Gräber betreut die Kriegsgräberfürsorge seit einem Jahr in Bayern. Fünf Soldaten, die in Afghanistan gefallen sind.