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Braunes Fett hält Nachwuchs warm

Säugetiere sind auf der ganzen Erde anzutreffen. Das liegt daran, dass sie ihre Körpertemperatur konstant halten können. Für die Wissenschaft ist noch unklar, wie sich die Warmblütigkeit in der Evolution entwickelt hat. Münchener Forscher haben dafür den Wärmehaushalt der Igeltenrek aus Madagaskar untersucht.

Von Hellmuth Nordwig |
    Auf den ersten Blick könnte man ihn für einen jungen Igel halten, nur die Ohren sind ein bisschen größer. Die Rede ist vom Kleinen Igeltenrek, der ausschließlich auf Madagaskar lebt. Der wichtigste Unterschied zum Igel ist aber von außen nicht erkennbar, erläutert Martin Jastroch vom Münchner Helmholtz-Zentrum.

    "Dass es ein Säugetier ist, aber normalerweise nicht die Körpertemperatur hochhält, wie es bei uns der Fall ist. Sporadisch heizt es mal auf, aber im Grunde genommen bleibt es kalt wie ein Reptil. Es ist also ein Zwischending im Verhalten zwischen Reptil und Säugetier. Und das Interessante ist, dass dieses Säugetier hohe Körpertemperatur halten kann. Und zwar macht es das während der Reproduktionszeit."

    Was den Wärmehaushalt angeht, steht der Igeltenrek also auf einer frühen Stufe der Evolution. Normalerweise ist sein Körper nur so warm wie die Umgebung, zum Beispiel wenn das nachtaktive Tier sich tagsüber in seinen Bau zurückzieht. Doch zur Paarungszeit im Oktober, da werden die Tenreks plötzlich zu Warmblütern. Das erreichen sie, indem sie braunes Fett verbrennen, berichtet Carola Meyer vom Helmholtz-Zentrum.

    "Braunes Fettgewebe ist ganz anders organisiert als weißes Fettgewebe. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es sehr viel Wärme produzieren kann. Das bedeutet, dass im Fett gespeicherte Energie in Form von Wärme abgegeben oder verschwendet werden kann. Für einen Kleinsäuger wie eine Maus oder auch den Igeltenrek hat das einen Vorteil, denn er kann sehr schnell reagieren auf wechselnde Umgebungstemperaturen und kann den Wärmeverlust über die Körperoberfläche ausgleichen durch körpereigene Wärmeproduktion aus dem körpereigenen braunen Fettgewebe."

    Dieses braune Fettgewebe gibt es bei vielen Säugetieren, auch bei Menschen. Die meisten Säugetiere regulieren ihre Körpertemperatur aber nur selten, indem sie diese Energiereserve verheizen, sondern in erster Linie durch Zittern und andere Muskelaktivität. Nicht so der Igeltenrek. Bei ihm fiel den Münchner Forschern dann auch noch eine ungewöhnliche Verteilung des braunen Fettgewebes im Körper auf. Martin Jastroch:

    "Wir haben das und kleine Nagetiere haben es in der Halsregion, auf der Brust und auf dem Rücken. Das ist wie eine Wärmejacke. Das hat auch seinen Sinn, um den Körper zu wärmen. Und bei diesem Tier ist es so, dass die größten braunen Fettstücke oder -gewebe um die Reproduktionsorgane herum angesiedelt waren."

    So liegen bei den Igeltenrek-Weibchen zwei Drittel des braunen Körperfetts rund um die Eierstöcke und die Gebärmutter. Ihre Jungen haben es so im Mutterleib kuschelig warm. Und dadurch wächst der Nachwuchs schneller heran als bei kaltblütigen Tieren. Das könnte dem Stacheltier in der Evolution einen Selektionsvorteil verschafft haben, vermuten die Forscher.

    "Nun hat die Natur dieses erfunden. Und, wenn die Natur dieses braune Fett erfunden hat dafür, dann kann man es auch modifizieren später. Das stellen wir in unserer Studie auch als Modell vor: Wir zeigen, das ist der erste Vorteil gewesen, und dann erst – und das ist gegenüber den Lehrbüchern der Unterschied – dann erst kommt es dazu, dass man das Gewebe auch gebrauchen kann, um weiter nach Norden zu wandern. Denn man hat ja diesen Ofen jetzt erfunden, und den kann man ausweiten – und das haben die Tiere auch gemacht – um nördlichere, kältere Regionen zu erkunden."

    Nicht der Igeltenrek; der hat Madagaskar nie verlassen. Aber zum Beispiel der verwandte Klippschliefer, der in Asien bis in eine Höhe von viereinhalbtausend Metern anzutreffen ist. Und auch andere Säugetiere, bis hin zum Menschen, mobilisieren bei Bedarf die rasch erzeugte Wärme aus dem braunen Fett. Eine Fähigkeit, die wohl ursprünglich dem Nachwuchs zugutekam, und später für die Entwicklung von Warmblütern entscheidend war.