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Braunkohle in Brandenburg
Es wird weiter abgebaggert

Mit Erleichterung, aber auch mit Enttäuschung reagieren die Brandenburger auf den Kompromiss zum Kohleausstieg. Denn die milliardenschwere Strukturhilfe für die Lausitz ändert nichts daran, dass wahrscheinlich noch ein Dorf abgebaggert wird und Tausende um ihre Jobs bangen müssen.

Von Vanja Budde und Sylvia Belka-Lorenz | 29.01.2019
    Brandenburg, Welzow: Ein Schaufelradbagger trägt Braunkohle im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) ab.
    Braunkohletagebau in Welzow, Brandenburg. (Patrick Pleul/dpa )
    Noch graben die Bagger tiefe Löcher in die Erde der Lausitz, fahren lange Züge wie seit mehr als 100 Jahren das "schwarze Gold" täglich tonnenweise in die Kraftwerke. Doch spätestens in zwanzig Jahren soll Schluss sein mit der klimaschädlichen Braunkohleverstromung. 40 Milliarden Euro Steuergelder soll der Bund laut Vorschlag der Kohlekommission für den Strukturwandel in den vier Revieren einplanen.
    Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke spricht denn auch von einem "guten Ergebnis, für Klimaschutz, Energiesicherheit und akzeptable Strompreise." Der lokalen Nachrichtenplattform "Niederlausitz aktuell" sagte er:
    "Das bedeutet ja, wenn den Empfehlungen gefolgt wird, mehr als 800 Millionen Euro pro Jahr für die Lausitz für die kommenden 20 Jahre. Das ist eine riesengroße Summe. Das heißt, es ist erst einmal eine Basis da, auf der wir diskutieren können."
    Strukturhilfe gezielt einsetzen
    Jetzt seien Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat am Zug, um das viel zitierte "belastbare Energiekonzept" schnell konkret umzusetzen, betont Regierungschef Woidke. Er muss sich am 1. September einer Landtagswahl stellen. Hart bedrängt von der AfD, die in der Lausitz besonders stark ist. Das viele Geld dürfe nicht nach dem Gießkannenprinzip und wahllos ausgegeben werden, mahnt der Landesvater. Es müssten klare Prioritäten gesetzt werden für Schiene und Straße, Wissenschaft, Forschung und Kultur.
    "Wir wollen erst die Arbeitsplätze sehen und dann sind wir bereit Abschaltungen oder der Schließung ganzer Betriebe zuzustimmen."
    Für die Betroffenen in der Lausitz bedeutet das vorgelegte Papier vor allem: Erleichterung. Ein Strukturwandel mit Fingerspitzengefühl für diese Region, in der direkt und mittelbar etwa 25.000 Menschen von der Kohle abhängen. Die zu erarbeitenden Sozialpläne werden die älteren Bergleute weitgehend absichern. Doch die Bundesregierung sei gefordert, auch Perspektiven für junge Männer und Frauen zu schaffen, fordert Wolfgang Rupieper, Vorsitzender des Vereins Pro Braunkohle.
    "Ansonsten sehen sich diese jungen Menschen in anderen Regionen Deutschlands oder Europas nach andern Arbeitsstellen um, sie sind dann für die Lausitz als Facharbeiter oder Fachkräfte verloren und als Grund für neue Industrieansiedlungen sind sie nicht mehr vorhanden. Das heißt, die Lausitz wird als Industrie- und Wirtschaftsregion unattraktiv."
    Zukunft des Dorfes Proschim weiter ungewiss
    Der Vorschlag der Kommission zielt auf einen behutsamen und mittelfristigen Ausstieg aus der Braunkohle. Die betroffenen Familien können aufatmen, nach Jahre langer Angst vor dem Ruin. Aber auf der anderen Seite beklagen Umweltaktivisten, dass der Raubbau an der Natur weiter gehe. René Schuster von der Grünen Liga:
    "Aus Umweltgesichtspunkten ist es so, dass kaum Abstriche von der Planung des Unternehmens gemacht wurden. Ein vorzeitiger Kohleausstieg wäre was anderes. Wir haben eben nicht die Rettung eines bestimmten Dorfes oder einer bestimmten Landschaft, wie im Hambacher Wald, sondern bei uns ist das alles weiter offen."
    René Schuster bezieht sich auf Proschim: Dessen Einwohner können noch nicht aufatmen, denn weiterhin bleibt unklar, ob das Dorf nicht doch noch für die Kohle abgebaggert wird.
    Kraftwerksbetreiber fordert Entschädigung
    Sehr wahrscheinlich ist das nicht, denn für den Betreiber, die LEAG, bedeute der Ausstiegs-Vorschlag sehr wohl einen massiven Eingriff, betont Unternehmens-Sprecher Thoralf Schirmer:
    "Wenn die Bundesregierung nach Prüfung der Kommissionsvorschläge ein Ausstiegsdatum Ende 2038 und die Stilllegung weiterer Kraftwerkskapazitäten in den nächsten Jahren bestätigt, dann würde dies unser Revierkonzept, das nach unseren Planungen bis über 2040 hinausreicht, ernsthaft in Frage stellen."
    Wenn die LEAG den bis in die 40er Jahre genehmigten Abbau vorzeitig beenden muss, werden Entschädigungszahlungen fällig.
    Das gilt auch, wenn das große Braunkohle-Kraftwerk Jänschwalde bei Cottbus früher als geplant vom Netz gehen muss. 900 Menschen arbeiten dort derzeit noch. Es ist eines der größten Braunkohle-Kraftwerke und stößt jährlich 23 Millionen Tonnen CO2 aus.
    "Wenn das Kraftwerk Jänschwalde von weiteren vorzeitigen Stilllegungen von Kraftwerkskapazitäten betroffen ist, nachdem die Sicherheitsbereitschaft ja bereits 1.000 MW dieses Kraftwerks gekostet hat und die dazugehörigen Arbeitsplätze, dann wäre auch das ein Einschnitt in unser Revierkonzept mit erheblichen Folgen, auch in Bezug auf Arbeitsplätze, auch in Bezug auf Wirtschaftskraft und Wertschöpfung in der Region."