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Braunkohlegewinnung
Mit Bakterien gegen Tagebau-Hinterlassenschaften

Biologie. Neben den CO2-Emissionen verursacht die Braunkohlegewinnung im Tagebau noch andere Umweltschäden. Großflächige Gewässerverschmutzung zum Beispiel, wie sie dem Spreewald in Brandenburg droht. Wissenschaftler testen deshalb, ob sie gezielt Bakterien für die Beseitigung der Bergbaufolgen nutzen können.

Von Sven Kästner | 15.07.2014
    Das Kraftwerk Jaenschwalde ist das größte Braunkohlekraftwerk in Deutschland
    Braunkohletagebau kann die Umwelt schädigen: Viele Flussläufe sind mit Eisenocker verunreinigt. (picture-alliance / dpa / Andreas Franke)
    Der Spreewald in Brandenburg, ein hierzulande einzigartiges Biosphärenreservat: Die Spree teilt sich in unzählige kleine Seitenarme. Dazwischen liegt ein Mosaik aus Wiesen, Äckern und Wald. Was nicht zum Naturidyll passt, ist die braune Brühe in einigen der schmalen Flussläufe. Das Wasser ist verunreinigt mit Eisenhydroxid - eine Hinterlassenschaft des Braunkohletagebaus in der Lausitz. Giftig im chemischen Sinne ist dieser sogenannte Eisenocker zwar nicht, aber es beeinträchtigt das sensible Ökosystem.
    Werner Gerwin, BTU Cottbus-Senftenberg: "Rein physikalisch ist es so, dass es einen Film auf den Oberflächen bildet, dass es Blattoberflächen beispielsweise von Unterwasserpflanzen abdeckt, dass es sich auf den Kiemendeckeln und Kiemen der Fische ablagert und auch den Lebensraum letztendlich am Bachgrund, am Grund von den Fließen für andere Gewässertiere verändert."
    Werner Gerwin vom Forschungszentrum Landschaftsentwicklung und Bergbaulandschaften an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Bisher sind vor allem Wasserläufe am südlichen Rand des Spreewaldes betroffen. Dort haben die Wissenschaftler massenhaftes Fischsterben beobachtet. Weil die Wasserpflanzen in ihrer Photosynthese behindert werden, gehen auch sie ein.
    Seit einigen Monaten werden zwei Spreearme bei Vetschau in große Rückhaltebecken umgeleitet. Dort soll sich ein Teil des braunen Eisenocker-Schlammes absetzen, bevor das Wasser in den Spreewald fließt. Diese Lösung ist allerdings kaum praktikabel für all die vielen Flussläufe in der Region.
    Am Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften in Finsterwalde wollen Wissenschaftler deshalb das Problem an der Wurzel packen. Für den Abbau der Kohle war in der Region einst das Grundwasser abgesenkt und in großem Stil die Erde umgegraben worden. Zuvor in fünfzig bis hundert Metern Tiefe liegende Erdschichten kamen an die Luft. Darunter auch im Boden liegendes Pyrit. Dieses Mineral oxidiert, sobald es mit Sauerstoff in Berührung kommt. Dabei zerfällt es in Eisen und Sulfat. Nach dem Ende der DDR wurden viele Tagebaue aufgegeben – und das Grundwasser stieg langsam wieder. Christoph Hildmann, am Finsterwalder Forschungsinstitut zuständig für Gewässersanierung:
    Forscher leiten mit langen Sonden Glyzerin in die Tiefe
    "Mit dem Grundwasserwiederanstieg ist eben auch das gelöste Eisen oder das dort liegende Eisen transportiert worden und wird jetzt in Richtung Spree verlagert."
    In einem Pilotprojekt am Rande eines noch aktiven Lausitzer Tagebaus testen die Wissenschaftler um Hildmann derzeit, ob der Zerfall des Pyrits direkt im Boden rückgängig gemacht werden kann. Bakterien sollen dafür sorgen, dass Eisen und Sulfat wieder eine feste Verbindung eingehen. Der erste Schritt: Die Forscher leiten mit langen Sonden Glyzerin in die Tiefe. Damit sollen bestimmte im Boden vorkommende Mikroorganismen zur Vermehrung angeregt werden.
    "Das Sulfat enthält Sauerstoff. Die Bakterien entnehmen den Sauerstoff. Damit bleibt der Schwefel übrig. Der Schwefel wird dann über Zwischenformen am Ende als Eisensulfit wieder ausgefällt. Verwandelt sich dann über Alterungsprozesse langsam von Eisenmonosulfit zu Eisendisulfit und vielleicht auch weiter. Aber zunächst einmal haben wir damit wieder einen Zustand erreicht, wo das Eisen im Untergrund festliegt."
    Für das Pilotprojekt rechnet Hildmann mit einer Reduzierung der Eisenbelastung von derzeit 500 Milligramm pro Liter Wasser auf etwa 30 Milligramm. Dieser Rest bleibt aus Sicherheitsgründen, damit nicht aus der Bekämpfung des einen Umweltproblems ein neues entsteht. Denn wenn zu viel Glycerin eingeleitet und alles Eisen gebunden würde, könnte eine Substanz entstehen, die giftig für Fische ist.
    "Was theoretisch auftreten könnte, wäre Schwefelwasserstoff. Und der, das weiß man aus anderen Versuchen, würde auftreten, wenn wir zu viel zugeben. Wenn es direkt im Wasser ankommt, wäre das dann Fisch-toxisch."
    Das Pilotprojekt in der Lausitz läuft zunächst auf einem Abschnitt von hundert Metern parallel zur Spree und endet 2016. Erst danach lassen sich Kosten und Wirkung genauer abschätzen. Bis dahin müssen erst einmal die Rückhaltebecken helfen.