Während in "Baal" die Titelfigur sich noch als unabhängiges Individuum in der Welt zu behaupten können meint, sucht der aus Krieg und Gefangenschaft heimkehrende Andreas Kragler in "Trommeln in der Nacht" schon nach seinem Platz und seiner Rolle in der Gesellschaft. Zwischen der ersten Druckfassung von 1922 und Brechts Überarbeitung im Jahr 1953 liegt der 2.Weltkrieg mit seiner totalen Desillusionierung, gegen die Brecht seiner Hauptfigur später eine größere Ernsthaftigkeit im Verhalten gegenüber Novemberrevolution und Spartakusaufstand zuschreibt.
Doch so wie Kragler aus privater Enttäuschung sich unter die Aufständischen begibt, weil sich seine Braut gerade einem anderen anverlobt, so entscheidet er sich auch in der 50er-Jahre-Version ganz individualistisch gegen die Revolution und für Braut und bürgerliche Sicherheit. Seine erste Version nannte Brecht "Drama", seine spätere "Komödie", und genau zwischen beidem schwankt Philip Tiedemanns Inszenierung. Es ist eine äußerlich aufgepeppte Inszenierung, die einem der Druckfassung von 1922 weitgehend ähnlichem frühen Typoskript aus Elisabeth Hauptmanns Nachlass folgt. Dabei geben ein Jazzduo und eine auf ausgestellte Bewegungen konzentrierte Regie Tiedemanns Inszenierung Schwung. "Brechtisch" realistisch ist diese Inszenierung in keinem Augenblick, sondern sie verkünstelt und verfremdet mit formalem Geschick das Stück. Bei Tiedemann wird weniger das Stück gespielt als mit dem Stück gespielt. Wenn Anna Balicke mit ihren Eltern, die es als Kriegsgewinnler zu einem schicken Heim gebracht haben, am Essenstisch über ihre Verlobung mit dem Karrieristen Murk und über den vermissten Kragler redet, dann wird jede Bewegung, ob Fingerschnippen oder Auflegen einer Serviette, vom Jazzduo mit Trompeter oder Schlagwerk lautmalerisch begleitet.
Diese Spielweise schafft zwar schöne Effekte, aber keinen inhaltlichen Sinn. Noch beantwortet sie die Frage, warum Tiedemann dieses Stück heute inszeniert. Kraglers Absage an Ideologie und Ideen, "Mein Fleisch soll im Rinnstein verwesen, dass Eure Idee in den Himmel kommt? Seid ihr besoffen?", wird zwar gesprochen, und der rote Mond als Bild für die Dinge, zwischen denen Kragler sich entscheiden muss, nämlich Kommunismus und Liebe, leuchtet bei jedem Auftritt des kaputten Helden. Doch all das sind nur beiläufige Zitate. Der bei Brecht die gesellschaftlichen Ereignisse zynisch kommentierende Journalist wirkt in dieser Inszenierung nur mehr wie ein funktionsloser Mitläufer, und in der Schnapskneipe in der Vorstadt, in der der Revoluzzer keine rote Fahne in der Hand, sondern ein rotes Schnupftuch in der Tasche trägt, wird weder die Ballade vom toten Soldaten richtig gesungen, noch echt brechtisch vom Volk diskutiert. Hier wird auch von skurrilen Typen an schrägen Tischen (Ausstattung Etienne Pluss) in einem Scat-Sing-Sang nichts kontroverses gesagt, sondern nur mit Vokalen jongliert:
So arbeitet diese Inszenierung durchaus einfallsreich mit spielerischen Verfremdungsmitteln. Durchscheinende Wände, Schattenspiel sowie in reine Bewegungsbilder aufgelöste Diskussionen beim Marsch ins Zeitungsviertel schaffen eine zuweilen expressionistisch anmutende Bildlichkeit. Das ist manchmal gut anzuschauen, besitzt aber keinen rechten Spannungsbogen. Wenn der anfangs nur heiser flüsternde Heimkehrer Kragler seine Stimme wieder gefunden hat und verkündet, "Ich bin ein Schwein, und das Schwein geht heim", und sich mit Anna unters weiße Bettlaken begibt, dann sieht man hinterm Gazevorhang die anderen, die Revolutionäre und Opfer, deren letzter Rülpser die Inszenierung beschließt. Kein Happy End für niemand, und trotz viel freundlichem Beifall auch keines für den Regisseur: diese Inszenierung ist zwar bunt, aber letztlich inhaltlich gesichts- und konturlos.
Doch so wie Kragler aus privater Enttäuschung sich unter die Aufständischen begibt, weil sich seine Braut gerade einem anderen anverlobt, so entscheidet er sich auch in der 50er-Jahre-Version ganz individualistisch gegen die Revolution und für Braut und bürgerliche Sicherheit. Seine erste Version nannte Brecht "Drama", seine spätere "Komödie", und genau zwischen beidem schwankt Philip Tiedemanns Inszenierung. Es ist eine äußerlich aufgepeppte Inszenierung, die einem der Druckfassung von 1922 weitgehend ähnlichem frühen Typoskript aus Elisabeth Hauptmanns Nachlass folgt. Dabei geben ein Jazzduo und eine auf ausgestellte Bewegungen konzentrierte Regie Tiedemanns Inszenierung Schwung. "Brechtisch" realistisch ist diese Inszenierung in keinem Augenblick, sondern sie verkünstelt und verfremdet mit formalem Geschick das Stück. Bei Tiedemann wird weniger das Stück gespielt als mit dem Stück gespielt. Wenn Anna Balicke mit ihren Eltern, die es als Kriegsgewinnler zu einem schicken Heim gebracht haben, am Essenstisch über ihre Verlobung mit dem Karrieristen Murk und über den vermissten Kragler redet, dann wird jede Bewegung, ob Fingerschnippen oder Auflegen einer Serviette, vom Jazzduo mit Trompeter oder Schlagwerk lautmalerisch begleitet.
Diese Spielweise schafft zwar schöne Effekte, aber keinen inhaltlichen Sinn. Noch beantwortet sie die Frage, warum Tiedemann dieses Stück heute inszeniert. Kraglers Absage an Ideologie und Ideen, "Mein Fleisch soll im Rinnstein verwesen, dass Eure Idee in den Himmel kommt? Seid ihr besoffen?", wird zwar gesprochen, und der rote Mond als Bild für die Dinge, zwischen denen Kragler sich entscheiden muss, nämlich Kommunismus und Liebe, leuchtet bei jedem Auftritt des kaputten Helden. Doch all das sind nur beiläufige Zitate. Der bei Brecht die gesellschaftlichen Ereignisse zynisch kommentierende Journalist wirkt in dieser Inszenierung nur mehr wie ein funktionsloser Mitläufer, und in der Schnapskneipe in der Vorstadt, in der der Revoluzzer keine rote Fahne in der Hand, sondern ein rotes Schnupftuch in der Tasche trägt, wird weder die Ballade vom toten Soldaten richtig gesungen, noch echt brechtisch vom Volk diskutiert. Hier wird auch von skurrilen Typen an schrägen Tischen (Ausstattung Etienne Pluss) in einem Scat-Sing-Sang nichts kontroverses gesagt, sondern nur mit Vokalen jongliert:
So arbeitet diese Inszenierung durchaus einfallsreich mit spielerischen Verfremdungsmitteln. Durchscheinende Wände, Schattenspiel sowie in reine Bewegungsbilder aufgelöste Diskussionen beim Marsch ins Zeitungsviertel schaffen eine zuweilen expressionistisch anmutende Bildlichkeit. Das ist manchmal gut anzuschauen, besitzt aber keinen rechten Spannungsbogen. Wenn der anfangs nur heiser flüsternde Heimkehrer Kragler seine Stimme wieder gefunden hat und verkündet, "Ich bin ein Schwein, und das Schwein geht heim", und sich mit Anna unters weiße Bettlaken begibt, dann sieht man hinterm Gazevorhang die anderen, die Revolutionäre und Opfer, deren letzter Rülpser die Inszenierung beschließt. Kein Happy End für niemand, und trotz viel freundlichem Beifall auch keines für den Regisseur: diese Inszenierung ist zwar bunt, aber letztlich inhaltlich gesichts- und konturlos.