Dunkle Wolken hängen über Augsburg. Erst nieselt es. In der nächsten Sekunde glänzen Sonnenstrahlen auf, die feuchte Luft wird heiß. Ein paar Minuten später gießt es in Strömen. Ein bisschen wirkt es, als habe das Wetter sich an den Charakter des Festivals angepasst. In kürzester Zeit gibt es von allem ein bisschen, aber das sehr intensiv.
Albert Ostermaier, Kurator des Festivals, Brecht-Kenner und selbst Autor, will bei seinem Festival keine Heldenverehrung und keine Spezialisten, wie er sagt. Er will Menschen, Künstler verbinden, sie über Brecht, den großen Sohn der Stadt Augsburg, die ihn selbst nicht liebte, nachdenken lassen und zeigen, wie aktuell Brecht heute sein kann, der selbst als Kleinstädter nach Berlin kam.
"Brecht hat es schon wunderbar dargestellt, was die Beschleunigung des Lebens in der Stadt angeht, die Gleichzeitigkeit aller Phänomene, und dass man in der Stadt lernen muss, Widersprüche auszuhalten."
Widersprüchlich, vielseitig sind auch die auf eineinhalb Stunden angelegten Lesungen. "Module" heißen sie hier. Jeweils ein Schauspieler liest Brecht. Ein oder zwei zeitgenössische Autoren tragen Teile aus eigenen Texten vor. Ein "Kenner" soll die Dinge aus seiner Sicht beleuchten. Und ein Moderator versucht, die Gedanken zu verbinden. Nicht immer will das ganz gelingen.
""Er zeigt Johanna Dark die Schlechtigkeit der Armen, Johannas zweiter Gang in die Tiefe.""
"Brecht und das abc der Ghettos und Guarded Communities. Arm und Reich" heißt eines der Module. Lambert Hamel, Schauspieler am Münchner Residenz-Theater, liest aus "Die heilige Johanna der Schlachthöfe". Die Autorin Gesine Danckwart, der deutsche Hiphopper Torch und der Berliner Filmemacher Neco Celik, stellen Teile ihrer Texte daneben.
Danckwart etwa schlüpft in die Figur eines arbeitslosen Fernsehjunkies, dann springt sie in die einer erfolgsfixierten Business-Lady. Celik liest Erinnerungen an den Weg eines Jugendlichen in die Szene der Graffiti-Sprayer, und Torch, der Hiphopper, hat seine Gedanken über Geld in einem Song zusammengefasst, den er hier wie ein Gedicht rezitiert.
Der Soziologe Thomas Druyen, Experte für Vermögenskultur, schließlich spricht über den Umgang mit Reichtum in der Gesellschaft. Jeder der Teilnehmer zielt in eine andere Richtung: der eine will den Unterschied zwischen Reichtum und Vermögen klären; der nächste das Bild der Reichen verändern; und ein dritter berichtet, wie er die Hierarchiekämpfe in großstädtischen Subkulturen erlebte.
Die verschiedenen Ansätze miteinander zu verbinden, das vermochte hier nicht einmal Moderator Jan Knopf, Leiter der "Arbeitsstelle Bertolt Brecht" der Universität Karlsruhe. Er blieb lieber bei Brecht: "Texte sind dazu da, nicht verstanden zu werden", zitiert er.
Es gab aber auch harmonische Zusammentreffen, Rocko Schamoni und Norbert Kron zum Thema "Brecht und das abc vom Herzschlag im Rhythmus einer Stadt" etwa. Sie sprachen über Überlebensstrategien in der Stadt, über Liebe, Einsamkeit, Kreativität. Rocko Schamoni, bestens gelaunt in sich hineinkichernd, in liebevoll-ironischer Distanz zum Thema - und zu Augsburg.
Neben den Lesungen und Diskussionen gibt es auch Konzerte, Poetry-Slams und Theaterstücke. Zwei Monate lang, als "Writer in Residence", hat sich der mosambikanische Regisseur, Schauspieler und Autor Evaristu Abreu in Augsburg aufgehalten und die Aufgabe, sich mit Brechts Drama "Im Dickicht der Städte" auseinanderzusetzen, vielleicht als einziger sehr ernst genommen. In "Ein idealer Mann" erzählt Abreu von den Gegensätzen zwischen Stadt und Land.
Deolinda, eine Frau vom Lande, ist in die Stadt gezogen. Ihr Mann hat sie verlassen, ihr die Kinder genommen. Sie träumt nun von einem idealen Mann, der sie liebt und beschützt und ihr im Haushalt hilft, und sie muss doch einen Weg finden, allein in der Großstadt zu überleben, Geld zu verdienen.
Deolinda, in Bluse und gelbem Kopftuch, sitzt am Tisch. Sie spricht nicht selbst, sondern für sie spricht eine für das Publikum unsichtbare Schauspielerin. Es ist nicht nur der Kunstgriff Abreus, auf diese Weise eine mosambikanische Schauspielerin vor deutschem Publikum auftreten lassen zu können. Er erschwert somit tatsächlich eine Identifikation mit der Figur, das Stück bleibt als Kunstwerk erkennbar. Ganz im Sinne Brechts.
Vielleicht gibt das Festival keine historischen Momente, vielleicht ist es wirklich nur von allem ein bisschen. Aber diese Bisschen sind authentisch und sehr intensiv.
Albert Ostermaier, Kurator des Festivals, Brecht-Kenner und selbst Autor, will bei seinem Festival keine Heldenverehrung und keine Spezialisten, wie er sagt. Er will Menschen, Künstler verbinden, sie über Brecht, den großen Sohn der Stadt Augsburg, die ihn selbst nicht liebte, nachdenken lassen und zeigen, wie aktuell Brecht heute sein kann, der selbst als Kleinstädter nach Berlin kam.
"Brecht hat es schon wunderbar dargestellt, was die Beschleunigung des Lebens in der Stadt angeht, die Gleichzeitigkeit aller Phänomene, und dass man in der Stadt lernen muss, Widersprüche auszuhalten."
Widersprüchlich, vielseitig sind auch die auf eineinhalb Stunden angelegten Lesungen. "Module" heißen sie hier. Jeweils ein Schauspieler liest Brecht. Ein oder zwei zeitgenössische Autoren tragen Teile aus eigenen Texten vor. Ein "Kenner" soll die Dinge aus seiner Sicht beleuchten. Und ein Moderator versucht, die Gedanken zu verbinden. Nicht immer will das ganz gelingen.
""Er zeigt Johanna Dark die Schlechtigkeit der Armen, Johannas zweiter Gang in die Tiefe.""
"Brecht und das abc der Ghettos und Guarded Communities. Arm und Reich" heißt eines der Module. Lambert Hamel, Schauspieler am Münchner Residenz-Theater, liest aus "Die heilige Johanna der Schlachthöfe". Die Autorin Gesine Danckwart, der deutsche Hiphopper Torch und der Berliner Filmemacher Neco Celik, stellen Teile ihrer Texte daneben.
Danckwart etwa schlüpft in die Figur eines arbeitslosen Fernsehjunkies, dann springt sie in die einer erfolgsfixierten Business-Lady. Celik liest Erinnerungen an den Weg eines Jugendlichen in die Szene der Graffiti-Sprayer, und Torch, der Hiphopper, hat seine Gedanken über Geld in einem Song zusammengefasst, den er hier wie ein Gedicht rezitiert.
Der Soziologe Thomas Druyen, Experte für Vermögenskultur, schließlich spricht über den Umgang mit Reichtum in der Gesellschaft. Jeder der Teilnehmer zielt in eine andere Richtung: der eine will den Unterschied zwischen Reichtum und Vermögen klären; der nächste das Bild der Reichen verändern; und ein dritter berichtet, wie er die Hierarchiekämpfe in großstädtischen Subkulturen erlebte.
Die verschiedenen Ansätze miteinander zu verbinden, das vermochte hier nicht einmal Moderator Jan Knopf, Leiter der "Arbeitsstelle Bertolt Brecht" der Universität Karlsruhe. Er blieb lieber bei Brecht: "Texte sind dazu da, nicht verstanden zu werden", zitiert er.
Es gab aber auch harmonische Zusammentreffen, Rocko Schamoni und Norbert Kron zum Thema "Brecht und das abc vom Herzschlag im Rhythmus einer Stadt" etwa. Sie sprachen über Überlebensstrategien in der Stadt, über Liebe, Einsamkeit, Kreativität. Rocko Schamoni, bestens gelaunt in sich hineinkichernd, in liebevoll-ironischer Distanz zum Thema - und zu Augsburg.
Neben den Lesungen und Diskussionen gibt es auch Konzerte, Poetry-Slams und Theaterstücke. Zwei Monate lang, als "Writer in Residence", hat sich der mosambikanische Regisseur, Schauspieler und Autor Evaristu Abreu in Augsburg aufgehalten und die Aufgabe, sich mit Brechts Drama "Im Dickicht der Städte" auseinanderzusetzen, vielleicht als einziger sehr ernst genommen. In "Ein idealer Mann" erzählt Abreu von den Gegensätzen zwischen Stadt und Land.
Deolinda, eine Frau vom Lande, ist in die Stadt gezogen. Ihr Mann hat sie verlassen, ihr die Kinder genommen. Sie träumt nun von einem idealen Mann, der sie liebt und beschützt und ihr im Haushalt hilft, und sie muss doch einen Weg finden, allein in der Großstadt zu überleben, Geld zu verdienen.
Deolinda, in Bluse und gelbem Kopftuch, sitzt am Tisch. Sie spricht nicht selbst, sondern für sie spricht eine für das Publikum unsichtbare Schauspielerin. Es ist nicht nur der Kunstgriff Abreus, auf diese Weise eine mosambikanische Schauspielerin vor deutschem Publikum auftreten lassen zu können. Er erschwert somit tatsächlich eine Identifikation mit der Figur, das Stück bleibt als Kunstwerk erkennbar. Ganz im Sinne Brechts.
Vielleicht gibt das Festival keine historischen Momente, vielleicht ist es wirklich nur von allem ein bisschen. Aber diese Bisschen sind authentisch und sehr intensiv.