Denn ein Hotelneubau, dessen Kosten auf zum Teil unerklärliche Weise explodiert waren, hatte den Deutschen Turner-Bund bereits im letzten Jahr an den Rande des Ruins gebracht, so dass die Landesturnverbände dem Dachverband mit rund zwei Mio Euro aus der Patsche helfen mussten.
Die Inszenierung des Deutschen Turntags war perfekt, das Ambiente, wie der kommissarische DOSB-Präsident Hans-Peter Krämer in seinem Grußwort Ironie frei anmerkte, zeugte von "Bodenhaftung": In einer Frankfurter Sporthalle saßen die knapp 350 Delegierten aus den Landesverbänden an langen Tischreihen, im abgetrennten Hallenteil gab es Kaffee und Teesorten mit verheißungsvollen Namen wie "Fühl Dich gut!" oder "Vier Geheimnisse". Präsident Rainer Brechtken erklärte gleich zu Beginn seine Offenheit: Er gab akute Liquiditätsprobleme zu und dankte Krämer ausdrücklich für die erhaltene Hilfe: Der DOSB stundet in diesem Jahr den Turnern die kompletten Mitgliedsbeiträge. Brechtken erinnerte an die 200-jährige solidarische Tradition der Turner, lobte das Ehrenamt und damit seine Zuhörer:
"Der deutsche Sport braucht die Turnbewegung aufgrund dieser Stärken, die er genau in diesem gesellschaftspolitisch verantwortlichen Bereichen hat. "
Solch lang anhaltenden Applaus gab es selten am Samstag. Die einzige kontroverse Debatte entstand im Zuge der Wortneuschöpfung "GYMWELT", der den ältlich klingenden Begriff "Allgemeines Turnen" auf allen Ebenen ersetzen soll. Es mutete teilweise grotesk an, zeugte aber immerhin von einer gewissen Angriffslust der Landesvertreter.
Nach der Mittagspause – mit Eintopf samt Wursteinlage und Kuchen in der Turnhalle – folgten alle Tagesordnungspunkte, die den Bereich Finanzen tangieren. Rainer Brechtken sprach rund 20 Minuten über die Krise, die er nicht so nennen mag. Dabei stellte er die Zahl von sechs Millionen Euro Mehrkosten, die durch den Konkurs des Generalplaners entstanden sind, in den Mittelpunkt. Von den weiteren neun Millionen Mehrkosten war nicht die Rede. Nachfragen gab es keine, obwohl den Delegierten die entsprechenden Papiere vorlagen. Das Präsidium selbst warb dafür, den im Februar zurückgetretenen Schatzmeister Heinz-Joachim Güllüg in Teilen nicht zu entlasten, da im Zusammenhang mit dem Konkurs des Planers noch Verfahren liefen. Die im Vorfeld heiß diskutierte Entlastung des amtierenden Führungsgremiums ging dann reibungslos über die Bühne.
Heiner Bartling, der Präsident des Niedersächsischen Turner-Bundes, der das Präsidium wie angekündigt nicht entlastete, war davon nicht überrascht:
"So sind die Turner eben, da gibt es ein Höchstmaß an Solidarität, wo auch über eventuelle Missgriffe mal hinweggeguckt wird und der Blick nach vorne gerichtet wird."
Ehrenpräsident Jürgen Dieckert fand den Turntag "ganz phantastisch" und erklärte das Ausbleiben von Diskussionen so:
"Hier war eben ein Schmerzpunkt für den gesamten DTB, nicht nur für das Präsidium, sondern für alle, die hier gesessen haben, und daher haben sie gesagt, wir wollen nicht wieder die Wunde aufpulen, sondern wir wollen die Wunde schließen."
Dass die Wunde allerdings noch gar nicht geschlossen ist, daran ließ der neue Schatzmeister Alfred Metzger in seiner Ansprache keine Zweifel. Er gestand ein, dass auch 2013 die veranschlagten Einnahmen aus dem Hotel nicht erreicht werden. Im vergangenen Jahr war deswegen das Defizit mit über 376.000 Euro doppelt so hoch wie ursprünglich geplant. Schon nächstes Jahr will der DTB einen liquiden Überschuss von 200.000 Euro erzielen. Wie das gehen soll, schien am Samstag keinen so recht zu interessieren. Metzger erklärte im Anschluss mit Blick auf eine eventuelle Suche nach Investoren:
"Das ist ganz sicher eine Option für den DTB, für Teile oder auch größere Teile der Liegenschaften hier etwas zu finden. "
Die Wahlen des Präsidiums waren dann eine reine Formsache, es gab eh nur einen Kandidaten pro Amt. In Windeseile wurde offen abgestimmt. Rainer Brechtken:
"Das Ergebnis mit sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen, da bin ich fast berührt davon, muss ich ehrlich sagen, weil ich natürlich schon mit dem nicht gerechnet habe, das ist ein klarer Vertrauensbeweis. "
Womit er Recht hat. In den kommenden vier Jahren, Brechtkens vierter Amtszeit an der DTB-Spitze, sollte sich das Wahlvolk nach diesem Turntag wahrlich nicht beschweren.