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Bregenzer Festspiele
Das Ende der Ära Pountney

Nach zehn Jahren endet bald die Zeit David Pountneys als Intendant der Bregenzer Festspiele. Insgesamt gab es in dieser Ära so viele Raritäten, Erst- und Uraufführungen wie selten zuvor.

Von Wolf-Dieter Peter | 04.08.2014
    David Pountney, sitzend in den Zuschauerrängen der Seebühne in Bregenz. Alle umliegenden Stühle sind unbelegt.
    Theatralisch verabschiedet sich David Pountney in Richtung Cardiffs Welsh National Opera nach Wales. (picture alliance / dpa - Felix Kästle)
    "From bad to worse" - so kommentiert David Pountney seine Bregenzer Jahre augenzwinkernd, mit diesem alles unterlaufenden, typisch britischen Humor. Denn natürlich war es keine Entwicklung "vom Besseren zum Schlechteren": weder mit dem Regisseur Pountney und seinem sensationellen "Fliegenden Holländer" 1989 auf der Seebühne über den Beginn seiner Intendanz 2004 bis heute.
    In seinem Abschiedsjahr gelang Pountney sogar noch eine Art künstlerische Verbeugung vor dem Musikland Österreich. Der 71-jährige Wiener Heinz Karl Gruber, der ungemein vitale "Kurator, Chansonnier, Erzähler und Dirigent", passt genau als Schwerpunkt gegenüber Mozarts "Zauberflöte": immer ein bisschen anders, mal sperrig, mal schräg, aber künstlerisch immer wieder herausfordernd – eben "Wien zartbitter".
    Seine satirische Kammeroper um das Schweinchen "Gloria von Jaxtberg" vereinte in der Regie von Frederic Wake-Walker zwei Stilkomponenten: die typisch österreichische "hass-liebende" Selbstpersiflage wie in der TV-Satiresendung "Wir sind Kaiser" und das dann durchtobt von der grotesken bis herrlich absurden Situationskomik à la Monty Python - sie ließ aber auch an die Kapriolen einer gleichnamigen Dame des Hochadels denken.
    Und im intimen Seestudio-Konzert "Musik & Poesie" drehte der staunenswert vitale HKGruber als Dirigent und Chansonnier noch einmal kräftig auf: sein "Bürgerlied" trifft mit "keine Revolution, denn das, was wir brauchen, das haben wir schon" auch die bundesrepublikanische Realität; als Interpret und Dirigent von Friedrich Cerhas "1.Keintate" faszinierte er mit allen Wiener Abgründen - Jubelstürme.
    Dieses Niveau erreichte die von Pountney ausgebaute Reihe "KAZ – Kunst aus der Zeit" in den letzten Jahren immer seltener. Die diesjährige Uraufführung von "Das Leben am Rande der Milchstraße" wollte die neue Form einer "Sitcom-Oper" sein: über das "European Bureau for Future" – Sitz: in der Milchstraße 142a des österreichischen Klosterneuburg; Projekte: "Weltraummüllabfuhr", "Europäisches Armutsverbotsgesetz", "Eichelhäher-Sturm-Frühwarnsystem" oder "Zukunftsfähigkeitsformel". Doch weder eine ätzende Satire über Bürokratismus kontra Kreativität noch eine eiskalte Analyse des kapitalistischen Effizienzwahnsinns bezüglich Evaluierung, Qualitätssicherung und –steigerung oder Synergieeffekten gelang.
    Doch insgesamt gab es in Pountneys Intendanz so viele Raritäten, Erstaufführungen wie nie zuvor und in den letzten fünf Jahren sogar fünf Uraufführungen. Seine größte Freude: die erste szenische Produktion von Mieczyslaw Weinbergs Musikdrama "Die Passagierin" 2010 - und darüber hinaus:
    "Die ganze Entdeckung von Weinberg und die weiteren Wellen, die das in Gang gebracht hat. Die Bregenzer Inszenierung war gerade in New York uraufgeführt in dieses fantastische Armory Gebäude und es geht nächstes Jahr nach Chicago und dann nach Tel Aviv. Aber noch wichtiger ist die Entdeckung von "Idiot" in Mannheim, und Symphonien, immer mehr Aufnahmen, auch dass er jetzt regelmäßig in Polen gespielt wird – das hat alles Bregenz gemacht."
    Theatralisch verabschiedet sich Pountney in Richtung Cardiffs Welsh National Opera am 24.August mit einem von ihm anspielungsreich inszenierten und mit "hausinternen" Akzenten gespickten "Schauspieldirektor" - mit ihm in der Titelrolle. Da bleibt nur zu wünschen: Good luck!