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Breitbandanbieter koppeln Netzzugänge an Router

Beim Internetanschluss hat der Kunde – zumindest theoretisch – Wahlfreiheit: Entweder benutzt er den Router vom Netzbetreiber oder er kauft sich einen eigenen und trägt dort die Zugangsdaten seines Anschlusses ein. Doch seit einiger Zeit ist Schluss mit diesem freien Treiben.

Von Jan Rähm | 26.01.2013
    Manfred Kloiber: Das waren noch Zeiten. Da bekam man vom Fernmeldeamt ein graues Ding mit Wählscheibe hingestellt und das war es dann: Das Telefon. Ein anderes Telefon anschließen? Undenkbar. Wer es dennoch riskierte, der wurde mit Strafe belegt. Seit den 90er-Jahren ist das aber vorbei. Der Telekommunikationsmarkt wurde liberalisiert und jeder darf seitdem zum Telefon seiner Wahl greifen. Und auch beim Internetanschluss gab und gibt es diese Wahlfreiheit: Entweder man nimmt den Router vom Netzbetreiber oder kauft sich halt seinen eigenen – Zugangsdaten eintragen, fertig. Doch seit einiger Zeit ist Schluss mit diesem liberalen Treiben. Und das hat die Bundesnetzagentur auf den Plan gerufen. Jan Rähm in Berlin, was ist vorgefallen?

    Jan Rähm: Die Anbieter der Breitbandnetze haben angefangen, ihre Netze und die Router dicht zu machen. Das betrifft sowohl das Festnetz, also die verschiedenen DSL-Arten, aber auch die Breitbandnetze via Kabel und die mobilen via LTE. Der Router, das muss man kurz erklären, ist ja das Gerät, das ein internes Modem hat und die Verbindung zwischen Internet und den eigenen Geräten zum Beispiel über WLAN ermöglicht. Und diese Router werden mittlerweile zwangsweise an den Breitbandvertrag gekoppelt und der Kunde bekommt auch keine Zugangsdaten mehr. Er kann also nicht mehr sein eigenes Gerät einsetzen. Und diese Praxis ist einigen Kunden gar übel aufgestoßen – sei es, weil sie einen anderen Router haben wollten oder aus anderen Gründen. Und ungefähr 30 dieser Kunden haben sich bei der Bundesnetzagentur beschwert. Und die hat dann im September gesagt, die Zwangsbündelung – Breitbandanschluss und Router – sei im Grunde in Ordnung, hat dann aber angefangen zu prüfen, ob es denn auch in Ordnung sei, ob die Zugangsdaten herauszugeben seien oder eben nicht.

    Kloiber: Das allerdings, muss man einschränkend sagen, machen nicht alle Internetanbieter so, sondern nur einige. Und die Bundesnetzagentur hat das geprüft. Was diese Prüfung ergeben hat und welche Reaktionen es darauf gab, haben wir für Sie zusammengestellt.

    Beginn Beitrag:

    Nach dem Eingang der Beschwerden hat die Bundesnetznetzagentur seit September geprüft, ob es nach den Vorschriften des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen, kurz: nach dem FTEG, zulässig ist, dass Breitbandanbieter den Internetanschluss und Zugangsgerät, sprich Router, bündeln. Gut vier Monate später steht das Ergebnis fest:

    "Letztlich sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir keine rechtliche Handhabe dagegen haben, wenn Anbieter Kunden verpflichten, hier einen bestimmten Router zu nutzen"

    sagt Pressesprecher Rene Henn von der Bundesnetzagentur. Man habe die Anbieter kontaktiert und auf europäischer Ebene den Sachverhalt geprüft.

    "Der Gesetzgeber hat hier auch weitreichende Möglichkeiten gelassen, indem er gesagt hat, der Kunde muss die Möglichkeiten haben, Endgeräte zu betreiben. Und diese Wahlmöglichkeiten hat der Kunde ja auch. Es ist ihm nicht vorgeschrieben, einen bestimmten Laptop zu benutzen oder auch ein bestimmtes Telefon. Also hier sind ja Wahlmöglichkeiten gegeben. Strittig war ja im konkreten Fall: Ist der Router als solcher eine Schnittstelle zum Netz des Netzbetreibers, oder ist es ein Endgerät? Und der Netzbetreiber ist hier in seiner Funktion angehalten, hier klar zu definieren, was der Router als solcher ist. Und im Rahmen unserer Prüfungen sind wir zu dem Ergebnis gelangt, dass die Netzbetreiber halt sich dahingehend geäußert haben, dass der Router als Schnittstelle anzusehen ist."

    Und damit muss der Kunde dann auch nicht die Zugangsdaten wissen. Er kann ja auf die Schnittstellen des überlassenen Gerätes frei zugreifen. Mit dieser Entscheidung recht unzufrieden ist der Verbraucherzentrale Bundesverband. Michael Bobrowski, zuständig für die Themen Telekommunikation, Post und Medien:

    "Ich sehe hier eine massive Beeinträchtigung des Wettbewerbes am Markt oder in diesem Produktsegment. Das ist völlig klar, weil das letztendlich zu einem Routerzwang führt. Ich bin dann darauf angewiesen, auf den Router, den mir der Netzbetreiber liefert. Was der auswählt, das kann ich nicht beeinflussen. Das heißt, ich kann nicht frei wählen am Markt. Das ist auf der einen Seite sehr nutzerunfreundlich, weil ich nicht meinen Router selbst optimieren kann. Auf der anderen Seite behindert es meiner Meinung nach ganz deutlich den Marktwettbewerb."

    Ähnlich sieht das der Gerätehersteller AVM. Pressesprecher Urban Bastert:

    "Wir sehen die Entscheidung der Bundesnetzagentur als ein großes Problem. Denn die willkürliche Wahl bei der Frage 'Was ist der Endpunkt eines Netzes?' dem Netzbetreiber zu überlassen, führt zu Nachteilen für alle Beteiligten, vor allem zu Nachteilen für die Verbraucher."

    Sowohl die Verbraucherzentrale als auch AVM sehen das Problem, dass der Kunde weder sein Wunschgerät direkt ans Netz anschließen, noch den gestellten Router nach eigenen Wünschen einrichten kann. Ganz anders sieht das der Breitbandanbieter Vodafone. Schriftlich teilt er mit:

    "Unsere [Router] sind auf unser Netz und die nutzbaren Dienste optimal abgestimmt. Kunden, die andere DSL-Router verwenden, muss klar sein, dass in Problemfällen Performance-Verschlechterungen eintreten können, Vodafone bei Router-Defekten an den entsprechenden Hardwareanbieter verweisen muss und eine Fernwartung nur eingeschränkt möglich ist."

    Probleme durch Hardware, die nicht der Netzbetreiber auswählt? Urban Bastert von AVM will das nicht glauben.

    "Ein Kunde kann das Netz nicht kaputtmachen, egal welches Endgerät er einsetzt. Die Argumentation Qualität und Sicherheit ist eine sehr interessante, denn letztendlich ist es genau die Argumentation, die man schon früher in den 90er-Jahren gehört hat, von den Unternehmen, die sich gegen die Liberalisierung gewehrt haben, wo es immer hieß, nur dieses eine Telefon funktioniert im Netz. Schließt du ein anderes Telefon an, geht das Netz kaputt. Das ist Quatsch."

    Viel eher gebe es einen Trend bei den Infrastrukturanbietern, näher an den Kunden zu gelangen, sagt Michael Bobrowski vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Der Trend sieht für mich so aus, dass man seitens der Anbieter immer stärker in die Anwendungsumgebung des Nutzers zu kommen und dort Einfluss zu gewinnen ... das heißt, direkt am Ende auf die Geräte der Nutzer zugreifen zu können, ohne dass die eine Kontrolle darüber haben, was der da auf dem Endgerät tut."

    Urban Bastert sieht in der Entscheidung der Bundesnetzagentur weitere klare Nachteile.

    "Wenn man das, was gerade im Breitbandmarkt entschieden wurde, übertragen würde auf den Mobilfunkbereich, dann würde das ja bedeuten, dass ich nur das Handy einsetzen darf, das mir mein Netzbetreiber zur Verfügung stellt. Und wenn das so wäre, dann wäre der Mobilfunkbereich heute nicht da, wo er ist. Dann würde es keine Innovationen geben. Dann hätte es kein Google mit Android gegeben und es hätte kein Apple mit iPhone gegeben, keine Entwicklung bei Smartphones. Dann wäre die Innovation im Mobilfunkmarkt komplett abgewürgt worden."