Wagener: Herr Schreiner, alles noch offen in Bremen mit Blick auf die Bundesratsmehrheiten?
Schreiner: Nein, ich glaube, daß die Koalitionsfrage in Bremen beantwortet ist. Henning Scherf hat sich sehr nachdrücklich für eine Fortsetzung der bisherigen Arbeit entschieden.
Wagener: Wenn man die Agenturen diagonal liest erhält man den klaren Eindruck, etwa 75 Prozent der SPD-Basis in Bremen ist aber für rot/grün. Gibt es demnächst eine Krise bei der SPD?
Schreiner: Nein, mir sind diese Umfragen jetzt nicht bekannt. Ich habe auch andere Umfragen gehört mit sehr anderen Ergebnissen und Schlußfolgerungen. Ich glaube nicht, daß es eine Krise gibt. Ich gehe davon aus, daß sich die Führungsgremien der bremischen SPD sehr einvernehmlich für eine gemeinsame tragfähige Lösung entscheiden werden.
Wagener: Die Berliner Tageszeitung titelt heute, "SPD wird schwarz vor Freude". Eine zutreffende Beschreibung?
Schreiner: Nein, das ist ziemlich daneben. Die Koalition in Bremen hat, bezogen auf ihre Hauptaufgaben, in den vergangenen Jahren eine sehr gut vorzeigbare Arbeit geleistet. Das gilt insbesondere bezogen auf die Sanierung des außerordentlich schwierigen Landeshaushaltes. Es gilt für investive Maßnahmen und dergleichen mehr. Insoweit gibt es keinen Grund für entsprechende Überschriften.
Wagener: Drückt das aber nicht doch eher aus, daß die SPD unter Schröder in Wahrheit besser mit der CDU kann als mit den Grünen?
Schreiner: Nein, das ist eine Antwort auf die besondere Situation des Landes Bremen. Das gibt kein Muster ab, weder für andere Bundesländer noch für den Bund.
Wagener: Irgendwelche bundespolitischen Auswirkungen auf das Bremer Wahlergebnis erkennbar für Sie?
Schreiner: Ja, das wird Rückenwind geben für die Wahlen zum Europäischen Parlament am nächsten Sonntag. Es ist ja vor einiger Zeit nach dem Wahlergebnis in Hessen spekuliert worden, nun beginne der Sinkflug der SPD. Damals ist übrigens vergessen worden, daß wir uns in Hessen als Partei sogar noch verbessert hatten, gleichwohl das zentrale Ziel nicht erreicht wurde. Wir haben vor einiger Zeit Johannes Rau mit einer überzeugenden Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt. Wir haben jetzt fast zehn Prozent dazugelegt in Bremen. Das ist bezogen auf Landtagswahlen sehr lange her, daß wir ein ähnlich gutes Ergebnis vorzeigen konnten. Ich glaube, das gibt insgesamt Rückenwind für die Wahlen zum Europäischen Parlament, aber auch Rückenwind für die Arbeit der Bundesregierung.
Wagener: Wie erklären Sie sich diesen unglaublich hohen Stimmenzuwachs bei weniger als 60 Prozent Wahlbeteiligung?
Schreiner: Zum einen ist es wohl gelungen, die Abspaltung, die wir bei der letzten Wahl in Bremen hatten, die ja dann eine eigene Gruppe gegründet hatte und sich selbst zur Wahl gestellt hatte, wieder in Richtung null zu bringen. Zum anderen ist es wohl gelungen, auch aus anderen Bereichen Wähler für die SPD zu gewinnen. Es bleibt aber dabei: Die Wahlbeteiligung mit rund 60 Prozent ist bedauerlich gering.
Wagener: Der Sinkflug der Grünen hat auch in Bremen weiter angehalten. Beunruhigt Sie das mittelfristig?
Schreiner: Man muß fairerweise dazu sagen, daß die Grünen in den letzten Wochen eine sehr, sehr schwierige Strecke durchgegangen sind, und vor dem Hintergrund dieses Prozesses ist das Ergebnis in Bremen für die Grünen durchaus respektabel.
Wagener: Ist denn rot/schwarz andernorts demnächst möglich, oder ist das ein Bremer Ausnahmefall?
Schreiner: Ich glaube, daß es ein Bremer Ausnahmefall ist. Im übrigen ist es Sache der regionalen Parteien, der Landesparteien, ihre Entscheidungen nach Wahlen frei zu treffen. Ich gehe aber davon aus, daß Bremen kein Muster für andere Bundesländer wird und schon gar nicht für den Bund.
Wagener: Der Bundesgeschäftsführer der SPD, Ottmar Schreiner, war das hier im Deutschlandfunk. Recht herzlichen Dank für das Gespräch.
