Glückliche Blinde tanzen Tango: der Regisseur Alvis Hermanis hat eigens zwei Tango-Tanzlehrer auch als Schauspieler engagiert, um seiner Blindentruppe einen offensiven melancholischen Optimismus einzuhauchen. Sie sehen nichts, aber sie gebärden sich ostentativ normal, vor allem die Frauen: in Schlitzrock und wechselnden Lolita-Vamp-Kostümen - wobei dann die Gebärdensprache ständig ins Unsicher-Suchende verrutscht, in ein Ertasten des Anderen.
Antonio Buero Vallejo hat sein Stück 1946 natürlich als Parabel auf den Faschismus angelegt: Blindheit als Metapher. Seine von Dunkelheit umgebenen Menschen lügen sich in die Tasche, sie arrangieren sich ganz forciert mit ihrer misslichen Lage, sie tun so, als fehle ihnen nichts - und doch fehlt das Entscheidende: das Augenlicht, das Licht, die Demokratie.
Zweierlei will Alvis Hermanis untersuchen; zum einen das Problem: wie spielt man Blinde? Die Züricher Schauspieler machen das bravourös, allerdings auf sehr angestrengte Weise. Sie tasten sich, nach vielen Recherchen im Blindenmilieu, verschleierten, verdrehten, verschatteten Blicks durch die Räume und suchen ihr Heil, ihren Trost in einer leider etwas infantil wirkenden Erotik: wir haben ja uns.
Zweitens sucht Hermanis verkrampft nach einer politischen Aktualisierung des Blindseins - und findet sie in der angeblichen Blindheit des Westens gegenüber der islamischen Welt. Hermanis lässt gegen Mitte des Stücks einen Traum einblenden, einen Film, in dem die Schauspieler nach Marokko reisen und die schon im Flugzeug aufgesetzten Schlafbrillen beim Gang durch den fremden Kosmos aufbehalten. Unterlegt wird das mit einer arabisierten Version von Eric Saties "Gnossienne No. 3".
Blinde Westler auf tänzerischem Tast-Gang durch Dörfer und die sanfte Dünung der marokkanischen Wüste - filmisch hat das durchaus Suggestion, aber als Bild, als Allegorie ist es reichlich platt.
Ignacio, der Neuankömmling im Blindenheim, ist bei Buero Vallejo ein sehr junger, bei Alvis Hermanis ein sehr alter Mann, ein verzweifelter Clochard, der Schauspieler Fritz Schediwy. Mit ihm bekommt die falsche Idylle der selbstgenügsamen, politisch korrekten Behindertenwelt einen Stachel eingepflanzt: Ignacio lehnt sich auf gegen das Schicksal der Blindheit, aber auch gegen die verlogene Normalität des Heims, er will die Sterne sehen, er will eine Frau nicht nur berühren, er will auch wissen, wie sie aussieht. Damit kommt er in Konflikt mit Carlos, dem Platzhirsch, dem ideologischen Guru der Blinden-Community, von Robert Hunger-Bühler mit hinreißend täppischer Dämonie hingetänzelt - nicht nur, weil Ignacio Carlos’ Frau Juana begehrt, sondern weil er wie ein Virus das falsche Freiheitsgefühl des Heims zerstört. Es gibt kein richtiges Leben in der Blindheit.
Natürlich wird Ignacio am Ende umgebracht; erledigt aber wird auch das Stück, dessen traktatartige Längen von Hermanis am Ende voll ausgespielt werden. Für das Publikum liegen unnötigerweise Operngläser bereit. Dabei gibt es nur Banales zu sehen: der Regisseur kapriziert sich auf das Herstellen schöner, träger, melancholischer Stimmungen - will er der bessere Marthaler sein? Überall wuselt es, in jeder Ecke; der Zuschauer muss schon zu Beginn, wie ein Blinder auf vorgegebenen Bahnen geführt, eine Art Sperrmüll-Lager durchschreiten, in dem die Schauspieler sich mit den Requisiten ihres falschen Lebens häuslich eingerichtet haben. So ist diese Inszenierung im Grunde eine INSTALLATION, ein theatralischer Second-Hand-Shop, in dem dann mancherlei erotische Fußmassagen und andere Manieriertheiten stattfinden. Die frühere Fassbinder-Schauspielerin Irma Hermann glänzt als bleiches Juana-Püppchen - ansonsten sind das zweieinhalb Stunden fades Reality-TV aus dem politisch korrekten Blindenheim.
Antonio Buero Vallejo hat sein Stück 1946 natürlich als Parabel auf den Faschismus angelegt: Blindheit als Metapher. Seine von Dunkelheit umgebenen Menschen lügen sich in die Tasche, sie arrangieren sich ganz forciert mit ihrer misslichen Lage, sie tun so, als fehle ihnen nichts - und doch fehlt das Entscheidende: das Augenlicht, das Licht, die Demokratie.
Zweierlei will Alvis Hermanis untersuchen; zum einen das Problem: wie spielt man Blinde? Die Züricher Schauspieler machen das bravourös, allerdings auf sehr angestrengte Weise. Sie tasten sich, nach vielen Recherchen im Blindenmilieu, verschleierten, verdrehten, verschatteten Blicks durch die Räume und suchen ihr Heil, ihren Trost in einer leider etwas infantil wirkenden Erotik: wir haben ja uns.
Zweitens sucht Hermanis verkrampft nach einer politischen Aktualisierung des Blindseins - und findet sie in der angeblichen Blindheit des Westens gegenüber der islamischen Welt. Hermanis lässt gegen Mitte des Stücks einen Traum einblenden, einen Film, in dem die Schauspieler nach Marokko reisen und die schon im Flugzeug aufgesetzten Schlafbrillen beim Gang durch den fremden Kosmos aufbehalten. Unterlegt wird das mit einer arabisierten Version von Eric Saties "Gnossienne No. 3".
Blinde Westler auf tänzerischem Tast-Gang durch Dörfer und die sanfte Dünung der marokkanischen Wüste - filmisch hat das durchaus Suggestion, aber als Bild, als Allegorie ist es reichlich platt.
Ignacio, der Neuankömmling im Blindenheim, ist bei Buero Vallejo ein sehr junger, bei Alvis Hermanis ein sehr alter Mann, ein verzweifelter Clochard, der Schauspieler Fritz Schediwy. Mit ihm bekommt die falsche Idylle der selbstgenügsamen, politisch korrekten Behindertenwelt einen Stachel eingepflanzt: Ignacio lehnt sich auf gegen das Schicksal der Blindheit, aber auch gegen die verlogene Normalität des Heims, er will die Sterne sehen, er will eine Frau nicht nur berühren, er will auch wissen, wie sie aussieht. Damit kommt er in Konflikt mit Carlos, dem Platzhirsch, dem ideologischen Guru der Blinden-Community, von Robert Hunger-Bühler mit hinreißend täppischer Dämonie hingetänzelt - nicht nur, weil Ignacio Carlos’ Frau Juana begehrt, sondern weil er wie ein Virus das falsche Freiheitsgefühl des Heims zerstört. Es gibt kein richtiges Leben in der Blindheit.
Natürlich wird Ignacio am Ende umgebracht; erledigt aber wird auch das Stück, dessen traktatartige Längen von Hermanis am Ende voll ausgespielt werden. Für das Publikum liegen unnötigerweise Operngläser bereit. Dabei gibt es nur Banales zu sehen: der Regisseur kapriziert sich auf das Herstellen schöner, träger, melancholischer Stimmungen - will er der bessere Marthaler sein? Überall wuselt es, in jeder Ecke; der Zuschauer muss schon zu Beginn, wie ein Blinder auf vorgegebenen Bahnen geführt, eine Art Sperrmüll-Lager durchschreiten, in dem die Schauspieler sich mit den Requisiten ihres falschen Lebens häuslich eingerichtet haben. So ist diese Inszenierung im Grunde eine INSTALLATION, ein theatralischer Second-Hand-Shop, in dem dann mancherlei erotische Fußmassagen und andere Manieriertheiten stattfinden. Die frühere Fassbinder-Schauspielerin Irma Hermann glänzt als bleiches Juana-Püppchen - ansonsten sind das zweieinhalb Stunden fades Reality-TV aus dem politisch korrekten Blindenheim.