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Brennpunkt South Bronx

In den Armenvierteln der USA liegen Mülldeponien und stinkende Fabriken oft dicht beieinander. Die Menschen, die dort unter der Verschmutzung zu leiden haben, nennen das Umwelt-Rassismus. In der South Bronx hat nun eine grüne Arbeitergenossenschaft dem Müll den Kampf angesagt.

Von David Goeßmann | 02.05.2009
    Ein betonierter Platz. Highways überlagern sich hier, stapeln sich lieblos übereinander. Hispanier, Afroamerikaner und weiße Arbeiter drängen aus U-Bahnausgängen, einige verschwinden in Fastfood- und Billigläden. Unter ihnen ist auch Jerad, er ist schwarz. Die South Bronx, erzählt er, sei sein Leben. Lange habe er bei den städtischen Müllhalden drüben in Hunts Point gearbeitet.

    "Das ist der schlimmste Teil der Bronx. Überall ist Dreck und Müll. Die Kippen sind da drüben. Alles, was irgendwer loswerden will, geht nach Hunts Point. Dort gibt es 15, 20 Müllhalden, von dort geht der Abfall dann zu den Deponien. Es ist die schlimmste Gegend.”"

    Jerad blickt über den East River auf die Skyline von Manhattan. Von dort kommen unablässig Trucks in die South Bronx. Pro Woche sollen es allein 20.000 Müllwagen sein, die ihren Müll in den "transfer stations", den Müllhalden von Hunts Point, zwischenlagern. Hunts Point, ein Viertel - eingeteilt in quadratische Schutthalden.

    Staub steigt auf, Baggerschaufeln graben sich in den Bauschutt. Küchenschränke, Toiletten und Sitzgarnituren werden auseinandergerissen.

    Eine kleine Wohnstraße, direkt nebenan. Cindy und Zoila sitzen auf den bröckelnden Treppenstufen eines Mietshauses und blicken auf die Müllhalden hinunter. 39 Jahre ist Cindy, hispanischer Herkunft.

    ""Es ist schlimm mit der Verschmutzung. Die Müllwagen kommen ständig hier bei uns vorbei. Es staubt, es ist laut. Ich halte deswegen meine Fenster geschlossen. Immer Schmutz, immer Geruch, es riecht wie verdorbenes Fleisch. In der Nacht riecht es besonders stark. Ein Art Teer-Gestank, als ob Teer verbrannt wird. Es stinkt.”"

    Cindy hat Asthma, ihr Sohn auch. Die Bronx hat eine der höchsten Asthma-Raten in den Vereinigten Staaten. Im Umfeld der Schutthalden leidet jeder dritte Schüler unter dieser Atemwegserkrankung. Wenn Cindys Freundin Zoila lacht, sieht man ihre Zahnlücken. Hier würden auch Krankenhausabfälle verbrannt. Cindy hilft Zoila und übersetzt.

    Zoila: spricht Spanisch. Cindy übersetzt ""She is saying what we smell is that things from the hospital. The garbage from the hospital. And all that. So they burn it down there she said."
    Helfer: "That's it, that's it!"
    Jed: "What a truck."

    In Jeds helles Gesicht schießt das Blut. Er wuchtet zusammen mit Carlos einen schweren verschnörkelten Kamin vom Pickup auf die Laderampe. Dahinter befindet sich das Warenlager. Eine Art Baummarkt. Regale voll mit Haken, Schrauben, Türklinken und Holzleisten, daneben endlose Reihen von Küchenschränken, Duschkabinen und Toiletten. Alles bestens in Schuss gebracht.

    Normalerweise würden diese Gegenstände zwei Kilometer entfernt von hier auf den Schutthalden zerkleinert und danach auf Mülldeponien landen. Bei Rebuilders Source werden noch brauchbare Baumaterialien gesammelt und günstig weiterverkauft.

    Jed ist Bauunternehmer, er kauft hier regelmäßig ein. Heute war er in einem betuchten Vorort von New York und hat gespendete Möbel mitgebracht. Die Idee von Rebuilders Source hat ihn überzeugt.

    ""Es ist eine großartige Idee. Gebrauchsgegenstände werden nicht vernichtet, sondern weiterverwendet. Das ist nachhaltiger und bedeutet, dass Energie gespart wird. Denn durch das ständige Produzieren von neuen Dingen verbrauchen wir unnötigerweise Ressourcen und Energie. Das ist doch mit ein Grund für den Klimawandel.”"

    ""Mrs. Throwton, Linda? Yes, how are you?” ..."

    Carlos telefoniert mit der Frau, die den Kamin gespendet hat. Vier Leute arbeiten bereits für die Wiederverwertungsfirma. Es sind einfache Arbeiter aus der Bronx, Afroamerikaner oder Hispanier wie Carlos.

    ""Zuerst einmal verhindern wir, dass noch mehr Baumaterial auf der Deponie landet. Dann können wie gesagt viele Produkte weiter verwendet werden. Und außerdem helfen wir den Menschen in der Gegend. Sagen wir ein Küchenschrank kostet im Geschäft 150 Dollar. Wir bekommen einen Gebrauchten gespendet. Wir bringen ihn in Ordnung und verkaufen ihn für 40.”"

    Hier im Ghetto würden viel mehr noch Umwelt bewusst leben, sagt Carlos. Wenn sie es sich leisten könnten. Und wenn sie diese Alternative hätten.

    Omar Freilla, heute 34 Jahre alt, ist in der Bronx geboren und aufgewachsen. Er hat es geschafft und konnte studieren. Umweltschutz. Denn er wollte immer da, wo er aufgewachsen ist, etwas bewegen. Auf ihn geht auch die Idee, eine grüne Arbeitergenossenschaft in der South Bronx zu gründen, zurück: der "Green Worker Cooperatives”. Das ist jetzt fünf Jahre her. Begonnen hatte das Ganze dann mit "Rebuilders Source". Der andere Ansatz: Die Arbeiter bei Rebuilders sind nicht angestellt, als Manager sind sie zugleich auch die Besitzer des Betriebs. Und dabei werden sie unterstützt. Omar Freilla hilft Carlos, Jasin, Julie und Gloria, die noch nie ein Geschäft geführt haben, das Unternehmen zu leiten. Außerdem organisiert er Fortbildungen und beantragt Fördermittel. Der grüne Wandel sei eben auch eine Frage von sozialer Gerechtigkeit, sagt er.

    ""Wir sprechen von Umwelt-Rassismus. Damit leben wir hier. Schwarze, hispanische Kommunen sind zu Müllhalden geworden für all das, was sonst keiner mehr haben will. Wenn eine Gesellschaft wirklich grüner werden will, reicht es nicht, wenn gut situierte Leute Bio-Lebensmittel einkaufen und sagen, 'Wir wollen nichts mit den Unternehmen zu tun haben, die die Umwelt verschmutzen.' Und gleichzeitig landet der ganze Dreck dann hier bei uns in der South Bronx. Und die Fabriken werden hier bei uns angesiedelt. Der grüne Wandel ist weit mehr. Er muss auch den Bedürfnissen der Arbeiter – der sozial Schwachen hier gerecht werden.”"

    Doch Omar will nicht nur anklagen. Mit seiner grünen Arbeitergenossenschaft will er neue Wege aufzeigen. Rebuilders Source sei erst der Anfang, weitere Projekte sollen folgen. Obama, fügt er dann noch nachdenklich hinzu, Obama sei auch für ihn ein grüner Hoffnungsträger. Wenn es um die Verschmutzung hier in der South Bronx gehe, wolle er sich aber lieber nicht auf die Wirtschaft und Politik verlassen.

    Auch Cindy und Zoila sind skeptisch. Glauben nicht an die Versprechungen aus Washington. Eine lokale Umweltschutzorganisation in der South Bronx, sagt Cindy, habe hunderte von Verstößen gegen Verschmutzungsrichtlinien festgestellt und gemeldet. Passiert sei hier aber nichts. Es werde weiter verbrannt.

    ""Es schadet der Gesundheit. Viele Menschen hier haben keine Krankenversicherung. Ich habe keine Krankenversicherung. Ich muss alles selbst zahlen. Ich bin regelmäßig im Krankenhaus wegen meines Asthmas. Ich gehe in der Nacht nicht aus dem Haus. Denn dann nimmt es zu mit dem Rauch und dem Gestank.”"