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Brennstoffzellen in der Praxis

Technik. - Autohersteller, Produzenten von Unterhaltungselektronik und Haustechnikanbieter entdecken immer mehr das Potenzial von Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen. Dass die Technologie mehr als nur ein werbeträchtiger Lockvogel ist, belegt die Stuttgarter Messe "".

Von Carl Josef Kutzbach | 28.09.2005
    "Hy-fish" heißt das jüngste Brennstoffzellenprojekt des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt in Stuttgart. Wie der Schweizer Konrad Schaffroth aus Bern auf die Idee kam, beschreibt dessen Mitarbeiter Claus-Peter Deissler:

    "Er beobachtete Thunfische und setzte sich im Rahmen seines Studiums damit auseinander, dass so ein Thunfisch längere Distanzen von bis zu über 2000 Kilometern mit sehr hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten zurücklegen kann. Dabei verbraucht ein Thunfisch allerdings nur circa 20 Prozent seines Körperfetts bei ca. 2000 km Reichweite."

    Dank Ihrer Form können die Thunfische mit wenig Energie weit und schnell schwimmen. Die Firma Smartfisch leitete daraus die optimale Form eines Flugzeugs ab. Sie ist kurz und gedrungen, aber sehr elegant. Das ist auch ideal für ein Flugzeug, dessen Brennstoffzelle einen Elektromotor antreibt, erkannte man beim DLR. Diplom Ingenieur Till Kaz:

    "Zuerst mal wollen wir ein Modell zeigen nächstes Jahr, das mit einer Brennstoffzelle fliegt. Es wird noch kein reales Flugzeug sein, sondern einfach ein kleineres Modell im Bereich von 1,20 mit Kilowatt Antriebsleistung. Der Antrieb wird über einen Elektromotor, einen Impeller, sein, das heißt das gesamte Flugzeug wird von einer Brennstoffzelle versorgt."

    Weil Wasserstoffes auf Englisch "Hydrogen" heißt, erhielt diese Kooperation den Namen "Hy-fish". Das umweltfreundliche, elegante Elektroflugzeug ist noch lange nicht auf dem Markt. Dafür aber Brennstoffzellen, die bei Stromausfall Mobilfunksender versorgen. Dieter Brächtken, Geschäftsführer der Firma P21 in Brunnthal bei München:

    "Ich sehe das so, dass Brennstoffzellen im Vergleich zu Batterien wesentliche Vorteile haben. Heute werden in den Backup-Systemen Batterien eingesetzt. Batterien haben eine schlechte Lebensdauer. Batterien sind über den Lebenszyklus von solchen Mobilfunkantennen sehr viel teuerer als Brennstoffzellenlösungen. Wir sind umweltfreundlicher. Das sind also alles Aspekte die wichtig sind und das Wichtigste: die Kosten natürlich."

    Werden viele der 140.000 Mobilfunksender mit Brennstoffzellen statt Batterien ausgerüstet, könnten sie bei Stromausfällen sogar als virtuelles Ersatzkraftwerk dienen. Eine Brennstoffzelle ist ähnlich aufgebaut wie eine Batterie, mit Plus- und Minuspol, und einer Membran, die das Innere aufteilt und dafür sorgt, dass nur jener chemische Vorgang abläuft, bei dem Strom entsteht. Das Membranmaterial ist bisher eines der Sorgenkinder. Professor Andreas Friedrich leitet beim DLR in Stuttgart die Elektrochemische Energietechnik:

    "Das Prinzip der Brennstoffzelle ist sehr einfach. Aber wenn sie sich die Anforderungen an die Materialien ansehen, dann sind die sehr hoch. Diese Kunststoffmembran in der Polymerbrennstoffzelle, die muss eine hohe Leitfähigkeit besitzen - ionische Leitfähigkeit - also sie muss Ionen transportieren, aber keine elektrische Leitfähigkeit. Sie muss chemisch stabil sein, sie muss für die stationäre Anwendung 40000 Betriebsstunden halten."

    Hier gibt es noch viel Forschungsbedarf, aber auch erhebliche Fortschritte. Erste sehr viel versprechende Membranen sind verfügbar. - Das zweite Hindernis bei der Markteinführung: Die Brennstoffzelle ist nur dann sehr umweltfreundlich, wenn der Wasserstoff nicht aus Erdöl oder Gas, sondern aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird.

    "Die Frage ist nur sozusagen: Wer macht den ersten Schritt und setzt diese Wasserstoffinfrastruktur in Kraft? Und hier würde ich plädieren für einen politischen oder auch gesellschaftlichen Anschub. Man kann einfach nicht erwarten, dass Unternehmen, oder die Wirtschaft von selbst die Initiative ergreift und auf eigene Kosten diese Infrastruktur - ohne gesetzliche Vorgaben - erstellt."

    Das Risiko ist der Wirtschaft noch zu groß. So wurde die Firma Sulzer-Hexis gestern Abend mit dem Brennstoffzellenpreis ausgezeichnet, weil ihre Brennstoffzellen bereits über 100 Einfamilienhäuser mit Energie versorgen. Der Mutterkonzern hat aber Ende August angekündigt, die Entwicklung 2006 einzustellen, wenn er keinen finanzkräftigen Partner findet. Also: Die Brennstoffzellen kommen - aber langsam.