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Brexit-Abkommen
Offene Fragen in London

Im britischen Unterhaus ist die Debatte um den Brexit-Deal in die entscheidende Phase gegangen. Am Dienstag erhielt Premierministerin Theresa May für ihren geplanten Kurs den nächsten Rückschlag. Damit steuern die Briten womöglich auf einen ungewollten, aber unausweichlichen Brexit ohne Abkommen zu.

Von Thomas Spickhofen | 10.01.2019
    Britische und EU-Flaggen vor dem House of Parliament in London
    Im britischen Unterhaus wird hart um das Brexit-Abkommen gerungen (AFP)
    Bis spät in den Abend hinein dauerte der erste Debattentag im Unterhaus, weitere vier sind vorgesehen, jeweils acht Stunden lang - wie schon im Dezember, als die Regierung den ersten Anlauf unternahm, ihr Abkommen mit der EU durchs Parlament zu bringen. Geändert hat sich seither aber offensichtlich nichts, wenn man Brexit-Minister Stephen Barclay zuhört.
    "Wir glauben weiterhin daran, dass dieses Abkommen dem Ergebnis des Referendums entspricht und das Beste ist für unsere Wirtschaft, unsere Bürger und unsere Sicherheit.
    Versprochene Änderungen sind nicht zu erkennen
    Die versprochenen Änderungen - vor allem die Zusicherung, dass der ungeliebte Backstop für Nordirland praktisch nie in Kraft tritt - sind nicht zu erkennen. Dabei hat Premierministerin Theresa May über Weihnachten und den Jahreswechsel viel herumtelefoniert in der Europäischen Union, um Zugeständnisse zu erreichen. Hat aber nichts gebracht, findet der Brexit-Sprecher der Labour-Opposition im Unterhaus, Keir Starmer.
    "Die Vorlage, die jetzt hier im Parlament vor uns liegt, ist immer noch die selbe wie Anfang Dezember, als die Premierministerin das zum ersten Mal eingebracht hat. Wenn wir nächste Woche abstimmen, dann wird um die selben beiden, unveränderten Dokumente gehen."
    Großbritanniens neuer Brexit-Minister Stephen Barclay 
    Großbritanniens Brexit-Minister Stephen Barclay (AFP / Ben Stansall )
    Der Handlungsspielraum von Theresa May ist extrem eingeengt
    Unzufriedenheit macht sich breit, auch in den Reihen der regierenden Konservativen. Vor allem darüber, dass das Land womöglich auf einen ungewollten, aber ab an einem bestimmten zeitlichen Punkt unausweichlichen Brexit ohne Abkommen zusteuert. Das will eine Mehrheit im Parlament auf jeden Fall verhindern. Deshalb geht es manchmal auch hitzig zu, meint der konservative Abgeordnete Dominic Grieve.
    Daran ist Dominic Grieve aber nicht unschuldig, denn es war sein Antrag, der die Regierung jetzt noch zusätzlich unter Druck gesetzt hat. Wenn sie die Abstimmung über das Abkommen mit der EU am kommenden Dienstag verliert, dann muss sie - so hat es der Tory-Abgeordnete Grieve vorgeschlagen - innerhalb von nur drei Tagen sagen, wie es weitergehen soll. Das engt den Handlungsspielraum von Theresa May erheblich ein - aber das Parlament hat so entschieden.
    Die britische Premierministerin Theresa May
    Die britische Premierministerin Theresa May (picture alliance)
    308 zu 297 lautete das Ergebnis im Unterhaus, wieder eine Niederlage für die Regierung, elf Stimmen Mehrheit gegen sie.
    Was der Beschluss nun allerdings genau bedeutet, ist nicht klar: Soll Theresa May innerhalb von drei Tagen direkt etwas zur Abstimmung vorlegen, womöglich eine nur wenig geänderte Vorlage? Soll sie eine weitere Abstimmung ankündigen? Kann sie auch vage bleiben und zum Beispiel sagen: Ich gehe nochmal zur EU und schaue, ob noch mehr zu erreichen ist? Und was kann das Parlament dann tun? Niemand in London kann diese Fragen zur Zeit beantworten.