Während Jünger unter der Banausenrubrik "umstritten" abgelegt wurde, muß heute immer noch jeder, der zugibt, etwas von Carl Schmitt gelernt zu haben, mit dem Strafgericht der kritischen Bewußtseine rechnen. Um eine grandiose Formel, die Schmitt bei Gelegenheit Zinzendorfs geprägt hat, auf ihn selbst anzuwenden: Sein Werk hat bis zum heutigen Tag eine maximale Provokationskraft: " Die Kraft, seine Feinde in eine-verdununende Wut zu versetzen." So überrascht auch nicht die spezifisch Schmitt'sche Umformulierung des Cartesischen Cogito: Ich denke deshalb habe ich Feinde, die mich bekämpfen, also bin ich.
Schmitt und Jünger bekamen sehr bald zu spüren, daß die deutsche Intelligenz die Aufarbeitung der Veraangenheit nach 1945 durch eine sehr einfache Unterscheidung von Gut und Böse in Angriff nahm. Mit feuilletonistischen Fußtritten gegen Jünger, Schmitt, Heidegger und Benn markierte man in der Öffentlichkeit, daß man selbst zu den guten Gewissen und kritischen Bewußtseinen gehörte. Sarkastisch skizziert Carl Schmitt die Satzung eines "Internationalen Weltinstituts zur Aufzucht und Pflege von Sündenböcken". Und Ernst Jünger antwortet am 2.Februar 1955: "Wir beide dürfen uns rühmen, sehr brauchbare Sündenböcke zu sein.
Wenn aber schwere Anfeindungen, Negativstereotypisierungen und Dauerbeleidigungen alltäglich werden, muß man sich wappnen. Der Briefwechsel zeigt sehr schön, wie man Bildung, Zitate und Metaphorik zur Ich-Panzerung benutzen kann. Der Brief wird hier zum Medium einer konsequenten Selbstauratisierung. Die Schreiber werden sich selbst historisch, nehmen alles symbolisch und berichten noch von den trivialsten Träumen mit einer tiefen Bedeutsamkeitsvermutung. Oft erfährt das Fazit eines Briefs noch eine Veredelung durchs Lateinische - französisch spricht man ohnehin. Griechische Urworte werden als semantische Markenartikel gehandelt - in bewußter Polemik gegen die "motorisierte" Semantik der Moderne.
Immerhin geht es in den reichlich fünfzig Jahren des Briefixechsels um Krieg und Tod, um Denunziationen und Schicksalsschläge, um konkrete Freundschaften und Feindschaften. Und doch bekommt man rasch den Eindruck: Was für Carl Schmitt, und Ernst Jünger eigentlich zählt, sind Bücher. Kaum ein Brief ohne Leseempfehlunen und Lesefrüchte. Mit Zitaten orientiert man sich im Chaos der Zeit. Bücher schaffen humanen Raum, ja Immunität gegen die intellektuelle Lynchjustiz der Gutmenschen. Dieser Briefwechsel ist ein einziges Lob der Gutenberg-Galaxis, eine eindrucksvolle Demonstration der Überlebenstechniken Lesen und Schreiben.
Das Faszinierende an Carl Schmitt ist, daß alles, was er schreibt, gleichzeitig anachrorüstisch und hochaktuell klingt. Seine Begriffe sind immer radikal, polermisch und rapide, das macht sie prägnant. Jeder Begriff tritt mit dem Anspruch auf, der Begriff einer konkreten Situation zu sein. Schmitt hatte ein hohes Bewußtsein davon, daß der Kampf um Wortbedeutungen einen politischen Index hat. So schreibt er einmal aus Anlass des Kellogg-Pakts von 1928: "Bei jenen entscheidenden politischen Begriffen kommt es eben darauf an, wer sie interpretiert, definiert und anwendet; wer durch die konkrete Entscheidung sagt, was Frieden, was Abrüstung, was Intervention, was öffentliche Ordnung und Sicherheit ist. Es ist eine der wichtigsten Erscheinungen im rechtlichen und geistigen Leben der Menschheit Oberhaupt, daß dejenige, der wahre Macht hat, von sich aus Begriffe und Worte zu bestimmen vermag. Caesardominus et supra grammaticam."
Berühmt geworden ist Carl Schmitt mit seiner Schrift "Politische Theologie" Darin unterstellt er eine Strukturverwandtschaft und enharmonische Verwechselbarkeit von theologischen und juristischen Begriffen. Damit will Schmitt der konkreten Geschichte in ihren geistlich-weltlichen Mischungsverhältnissen gerecht werden. Und das ist auch das Betriebsgeheimniss seines Denkens, die Ressource seiner prägnanten Begriffe. Denn Schmitt zielt immer auf die Theologie des Gegners. Und das wirkt um so verblüffender, wenn er den theologischen Kern eines antitheolocischen Feindes freilegt; dann erscheint z.B. die anarchistische Doktrin vom guten Menschen als Lehre des radikal Bösen.
Große Denker transportieren die Essenz ihrer Theorie im Titel ihrer Werke wie in einer Nußschale. Das gilt auch für Carl Schmitts "Begriff des Politischen". Heute würde man sagen: Dieser Begriff des Politischen ist autologisch, d.h. er ist selbst ein politischer Begriff, und das heißt wiederum: er hat einen polemischen Sinn. Erst die konkrete Antithese macht ihn verständlich. Gerade auch die Entscheidung, daß etwas unpolitisch ist, ist eminent politisch. Der Briefwechsel beginnt in einer Zeit, in der man vom Politischen nicht mehr abstrahieren konnte: 1933 war es dann total.
Der polemische Index dieses Begriffs läßt sich ganz leicht bestimmen: Carl Schmitt war antimodern, denn modern ist der Kampf gegen das Politische. Die Moderne war für Heidegger seinsvergessen, für Schmitt war sie politikvergessen. Beim Politischen handelt es sich wohlgernerkt nicht um eine Frage der Substanz, sondern der Intensität. Im Leben bezeichnet das Politische den äußersten Punkt und die extremste Möglichkeit.
Fundiert ist dieser Begriff in einer Unterscheidung, mit der sich Carl Schmitt gewissermaßen selbst stigmatisiert hat - in der Unterscheidung von Freund und Feind. Diese Unterscheidung ist für Schmitt so fundamental und unhintergehbar wie die zwischen Gut und Böse oder Schön und Häßlich. Die Unterscheidung von Freund und Feind ist für Schmitt die Bedingung, jeder politischen Ordnung deshalb, weil sie als primordiale, erste Unterscheidung das Unbegrenzbare ausgrenzt. Bevor die Logik beginnen kann, muß man sich für eine vorlogische Unterscheidung entscheiden. Und das hat Carl Schmitt mit erschreckender Deutlichkeit getan: Freund und Feind.
Mit dem Faktum der Feindschaft wurde seine politische Theologie für die Wissenschaften ein Skandal und für die Humanisten ein Ärgernis. Die entscheidende Unterscheidung von Freund und Feind emanzipiert nämlich die Politik von der Moral. "Der Feind ist unsere eigne Frage als Gestalt" - weil er uns in Frage stellen kann. Er ist der anerkannte Andere, der Bruder. Man hat Angst, solange der Feind unbestimmt ist. Deshalb muß man den Feind erkennen und anerkennen - dann endet die Angst. Der Feind, der mich in Frage stellt, gestaltet damit meine eigene Frage. Das ist für Schmitt die Urkonkretion von Geschichte. Der Begriff des Feindes bezeichnet den äußersten Intensitätsgrad der Trennung. Der Andere, in dem ich mich auf mich selbst beziehe, ist der feindliche Bruder. Und es geht Schmitt gerade um seine Anerkennung - als Feind. Die Anerkennung des gerechten Feindes verleiht diesem einen Status, der ihn vor der Diskriminierung als Verbrecher schützt.
Insofern ist es eine bittere Ironie der Wirkungsgeschichte Carl Schmitts, daß ihm der Begriff, den er als Hort echter Humanität umhegte, immer wieder als Schandmal eines unmenschlichen, faschistischen Denkens entgegengehalten wurde. So schreibt schon 1946 Ernst Niekisch in seiner Schrift mit dem sprechenden Titel "Deutsche Daseinsverfehlung": Carl Schmitts 'Zum Begriff des Politischen', worin das Politische als Freund-Feind Unterscheidung definiert wurde, entwickelte die politische Methodik Bestialismus, die Schrift bot die Theorie, die dann von der SA und noch lieber von der S S in die Praxis umgesetzt wurde."
Von diesem traurigen Niveau hat sich die Schmitt-Kritik auch heute noch nicht sehr weit entfernt. Die Wut des Nichtverstehens deutet darauf hin, daß die Freund-Feind-Unterscheidung das innerste Tabu der Moderne berührt. In einem Brief vom 14.10.1930 bemerkt Ernst Jünger sehr schön: "Ihnen ist eine besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: eine, die lautlos explodiert. Man sieht wie durch Zauberei die Trümmer zusammensinken, und die Zerstörung ist bereits geschehen, ehe sie ruchbar wird." Jünger sieht aber auch, daß die Freund-Feind-Unterscheidung bewußt anti-modern ist. Und deshalb stößt sie bei allen guten Menschen auf einen Widerstand, der eine Psychoanalyse verdient hätte. Es geht Carl Schmitt aber nicht um Feindschaft als Bosheit, sondern -gerade um die Anerkennung des Feindes als Mensch. Es geht nicht um die Verherrlichung des Krieges, sondern um seine Hegung.
Der Briefwechsel mit Ernst Jünger macht deutlich, daß Carl Schmitt, der von den Gutmenschen und kritischen Bewußtseinen der Re-education zum Prototyp des intellektuellen Unmenschen gestempelt wurde, nach den Grenzen und damit den Möglichkeiten von Humanität in der Politik gefragt hat. Und gerade in der Politik ist Humanität stets die Humanität des Unterscheidens Der enemy ist-kein "foe", "hostis" ist kein "inimicus", der Politische Feind ist kein persönlicher Widersacher. Am 22.März 1948 schreibt Schmitt: "Ich sehe immer mehr, daß die Menschheit in ihrer armseligen Entwicklung nur einen einzigen Schritt nach vorn oder oben getan hat, und das war nicht die Erfindung des Feuers oder des Pfluges oder dergleichen, sondern die Unterscheidung von Feind und Verbrecher. Eine eminent wichtige Folge dieser Unterscheidung ist dann die Unterscheidung zwischen dem "gehegten" Krieg und dem "gerechten", d.h. diskriminierenden Krieg. Die Intervention der Nato im Kosovo hat uns gerade gezeigt, daß diese Unterscheidung von brennendster Aktualität ist.
Wie schon gesagt: Das Faszinosum Carl Schmitts liegt im Zugleich von brennendster Aktualität und bewußtem Anachronismus. Alle seine Betrachtungen sind im nietzschen Sinne unzeitgemäß. Als Antimoderner, Unzeitgemäßer sympathisiert er mit der christlichen Figur des Katechonten, d.h. des Aufhalters, der sich gegen die Beschleuniger der modernen Welt stellt.Und so stilisiert sich Schnütt in seinen Briefen immer wieder als der letzte bewußte Vertreter Alt-Europas - gegen die parfümierten Begriffe des Zeitgeistes.
Die außerordentliche Evidenz und Klarheit der Schmittschen Überlegungen verdankt sich dieser trotzig alteuropäischen Haltung. Mit den Begriffen Krieg, Feind, Ausnahmezustand erleichtert er sich nämlich das Denken. Im Grunde ist klar, daß im Zeitalter der Massenvemichtungswaffen Kriege nicht mehr "gehegt" werden können. Auch der Begriff des Feindes gehört eigentlich in eine segmentär geordnete Gesellschaft. Und während der scheinbar geistesverwandte Martin Heidegger bereits in den 20er Jahren Sein im Horizont von Zeit begreift, versteift sich Carl Schmitt auf die vorrnoderne Gleichung Sein = Macht = Raum.
Auch Schlüsselbegriffe wie Form, Sichtbarkeit und Repräsentation haben diesen alteuropäischen Ton. Schmitt richtet sie polemisch gegen die Aufklärungsvokabeln des Entlarvens und Entzauberns. Die entscheidende Formbestimmung liegt für ihn im bloßen "Daß" der Entscheidung - es ist der Kein aller Ordnung. Die reine, nichträsonnierende Entscheidung stiftet Ordnung überhaupt als Form-Minimum und Symptom von Autorität; damit bietet sie dem juristischen Denken einen Ausgangspunkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg transformiert Schmitt seinen Dezisionismus in ein Denken des Nomos und des Ordo. Nomos als Landnahme stiftet jetzt die Anfangsordnung. Fasziniert von der Macht der Ordnung deutet Schmitt sogar noch die Vernichtungsschlachten des Zweiten Weltkriegs in Raumordnungsvorgänge ersten Ranges um.
Am 26.August 1958 schreibt er: "Ich glaube, das, was wir 'Geschichte' nennen, ist nicht ein kontinuierliches Fließen, sondern ein Sich-Anhäufen um einen (oft Jahrhunderte festen) Mittelpunkt, das dann plötzlich durch einen anderen Mittelpunkt (durch eine andere Epoche) abgelöst wird. Die Geschichte Europas ist bereits Vergangenheit. Aug in Aug mit der französischen Revolution konnte der Philosoph Hegel die Weltgeschichte als Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit rekonstruieren. Hundertfünfzig Jahre später hat der Jurist und politische Theologe Carl Schmitt nur noch ein einziges Anliegen: beizutragen zum "Fortschritt im Bewußtsein der Niederlage". Theologisch gesprochen heißt das: Gott ist tot. Und Schrnitt scheint sich gefragt zu haben: Geht es noch schlimmer? Ja, Gott ist auf der Seite der Sieger.
Schmitt war der Denker der Entscheidung und der Unterscheidung - und das unterscheidet ihn prägnant von Ernst Jünger. Jünger will sich gerade nicht entscheiden, sondern sucht immer die dritte Möglichkeit. Beim großen Roulette-Spiel wählt er weder schwarz noch rot, sondern die Position der Bank. Seine literarischen Errungenschaften verdanken sich einer stereoskopischen Optik, die ein und denselben Vorgang positiv und negativ belichtet und so eine neue Objektivität stiftet. Der Artist ist gerade kein Dezisiomst. Jünger ästhetisiert die Welt und damit hat er sich immer schon gegen die Entscheidung entschieden.
Es ist natürlich kein Zufall, daß der Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Ernst Jünger in dem Augenblick beginnt, da beide ihre Hauptwerke veröffentlicht haben - zunächst Schmitt seinen "Begriff des Politischen" und dann, im Herbst 1932, Jünger seinen "Arbeiter". Der Arbeiter soll als prägende Gestalt einer neuen Wirklichkeit sichtbar gemacht werden - jenseits aller Theorie. Es geht Jünger gerade nicht um scharfe Positionen und Begriffe, sondern um scharfe Beschreibungen. Die Schule des Sehens ist ihm wichtiger als die Arbeit des Begriffs. Die Geste, mit der der Einzelne seine Zeitung aufschlägt und überfliegt, ist aufschlußreicher als alle Leitartikel der Welt, und nichts ist lehrreicher, als eine Viertelstunde an einer Straßenkreuzung zu stehen.
Was in der Welt des "Arbeiters" zu sehen ist, sind die Gesten einer heroischen Sachlichkeit. Hier lohnt sich die Entscheidung nicht,der Dezisionisrnus Carl Schmitts muß sich hier verheben. Das Resümee der Darstellungsidee Ernst Jüngers lautet deshalb: Was ich beabsichtige, ist jedes Ethos aus dem Arbeitsbegriff herauszubringen. " Der Arbeiter ist der Artist des Krieges, und das Projekt des Arbeiters realisiert sich in der Form der totalen Mobilmachung. Totale Mobilmachung heißt aber: auch der Beobachter gerät in Bewegung.
In all den Lebensetappen, die der Briefwechsel Revue passieren läßt, geht es Ernst Jünger in erster Linie immer darum, eine gute Beobachtungsposition einzunehmen - gerade auch gegenüber dem absoluten Schrecken. Leitmotivisch wird die Bilderwelt von I-Iieronymus Bosch beschworen. So heißt es in einem Brief von der Ostfront am 23.Dezember 1942: schade, daß Bosch nicht malen konnte, was ich gestern sah, vom winzigen Körbchen einer Drahtseilbahn aus, in dem ich über einen Flußlauf schaukelte, während unter mir im Tale Schwärme von gefangenen Trägern entlangschleichen, Verwundete ausgeladen wurden, Pferde in den Fluß stürzten und der Feuerstrahl von schweren Geschützen die Luft zerriß. Aus einem zerstörten Brückenpfeiler, den ich passierte, lugte ein Artillerist heraus um die Feuerbefehle nach unten zu rufen, ganz wie eine der Gestalten, die man bei Breughel aus Zelten oder Eierschalen lugen sieht. Zugleich erklang über dem Tohuwabohu dieses Kessels das 'Stille Nacht, heilige Nacht' aus dem Lautsprecher-Wagen einer Propaganda-Kompanie. Derartiges geht über die Erfindungen früherer Utopisten weit hinaus."
Die Ästhetisierung des Schreckens als literarische Strategie ist ein probates Mittel, sich Realität vom Leib zu halten. Man nimmt den Horror gleich als ästhetisches Bild wahr. Was Literaturwissenschaftler als artistische Haltung der Desinvolture beschrieben haben, Ungeniertheit aus Unberührtheit, verkörpert Ernst Jünger wie kein zweiter: "Heute meldete mir meine Ordonanz zum Frühstück den Beginn des Krieges mit Rußland, ich nahm das auf, als wenn man so´n Butterbrot ißt', wie mein Großvater, der Knabenlehrer, zu sagen pflegte. Es scheint mir überhaupt, als ob ich rapide aus dem Historischen heraustrete; Schopenhauer hatte doch recht, wenn er dieses Element einem ständig rotierenden Kaleidoskope mit einer geringen Zahl von Figuren verglich."
Jünger - das dokumentiert der Briefwechsel sehr schön - wird sich selbst historisch, sieht die Geschichte am Ende und tritt aus ihr aus. Schwund durch Beschleunigung ist für ihn die Signatur der Zeit nach dem Ende der Geschichte. Jünger sucht nun nach der sinnstiftenden Gestalt hinter der nihilistischen Oberfläche. So heißt es von der Lage Ende 1941: "Carl Schmitt sieht ihre Bedeutung darin, daß Schichten sich vom menschlichen Bestande abzulösen beginnen, um unterhalb der Zone der Willensfreiheit zu erstarren - so wie die Tiere abgefallene Masken des Menschenbildes sind. Der Mensch stößt eine neue zoologische Ordnung aus sich aus - die eigentliche Gefahr des Vorgangs liegt darin, daß man in ihn einbezogen wird. - Ich fügte hinzu, daß diese Verhärtung im alten Testament bereits beschrieben sei, wie es das Sinnbild der ehernen Schlange verrät. Was heute die Technik, war damals das Gesetz." Daß die stählerne Schlange, die erstarrte Armatur des Arbeiters, den Menschen erwürgen wird, wenn er sie nicht verzaubert, motiviert den magischen Realismus Jüngers. Der Künstler baut seine optische Apparatur im Herzen der Gefahr auf. Moral und Ekel können da nur störend dazwischenkommen. Die Moderne ist ja der Prozeß der Auflösung des Bösen. Und daraus folgt umgekehrt: alles Amoralische ist modern. Daraus zieht Jünger nun die Konsequenz eines radikalen Ästhetizismus: Die Macht der Zerstörung soll unmittelbar in die erlösende ästhetische Form eingehen. Seit Nietzsche will der antibürgerliche Affekt das Dynamit sein, das die biedermeierliche Idylle sprengt. Und Ernst Jüngers Ästhetik versprüht den Zauber dieser Entzauberung. Im Rückgriff aufs Elementare verläßt diese Ästhetik den imaginären Raum der Romantik und stößt ins Urgeschichtliche vor. Jünger setzt von Anfang an auf das Elementare, auf Einheit und auf Substanz. Und all das bleibt von der Freund-Feind-Unterscheidung Carl Schmitts unberührt - weil sie eben eine Unterscheidung ist. Jede Unterscheidung könnte das begründungsunbedürftige Sein ja nur verletzen. Deshalb sucht Jünger Gestalten, nicht Begriffe; er will Einheit, nicht Unterscheidung; er glaubt an Substanz und will von Funktionen nichts wissen. Dem entspricht seine Abneigung gegen Beziehungen, das Denken in Relationen. In völliger Verkegnung der allgemeinen Wendung zum Funktionalismus schreibt Jünger noch Ende 1957: "Auf allen Gebieten des Wissens beginnt sich heute die Wendung von den Begriffen zur Substanz anzudeuten, als ob ein Pendel zurückschlüge. Klarer kann man den Prozeil der modernen Wissenschaft nicht verkennen. Aber es geht Ernst Jünger hier natürlich um ein Wissen, von dem die Wissenschaft nichts wissen will. Literaten nennen es: Literatur.
Dieser Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Ernst Jünger ist nicht nur deshalb ein Lesevergnügen, weil die Autoren Meister der Selbststilisierung sind und kein Wort ungeformt passieren lassen, sondern auch deshalb, weil der Herausgeber, Helmuth Kiesel, die Anspielungen, Zitate und Querverweise mit außerordentlichem Sachverständnis kommentiert hat. Der große, durchweg spannende Anmerkungsapparat macht Lust auf mehr und Mut, dem Denken der konservativen Revolutionäre ins Angesicht zu schauen und bei ihm zu verweilen.