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"Brigitte" reagiert auf Veränderung des Frauenbilds

"Brigitte"-Chefredakteurin Brigitte Huber hat die Entscheidung, ab 2010 keine professionellen Models mehr zu buchen, auch mit dem Trend zu Mager-Models begründet. Man müsse nicht auf Ästhetik verzichten, wenn man Leserinnen und Frauen aus dem öffentlichen Leben für Modeaufnahmen nehmen würde.

Brigitte Huber im Gespräch mit Bettina Klein |
    Karl Lagerfeld: Ja, wissen Sie, wenn Sie Haute Couture haben, dann gibt es keine Grenze, die Leute, die Haute Couture kaufen, sind schlanker wie die Models beinahe. Ich meine, wissen Sie, die Sachen sehen wirklich nur gut aus für Frauen bis 42, nachher sieht das nicht mehr so toll aus.

    Bettina Klein: Tja, der Modeschöpfer Karl Lagerfeld über die Modelbranche. Wenn Sie, verehrte Hörerinnen, sich nach einer neuen Tätigkeit umschauen wollen – vielleicht wäre ja Model bei der Frauenzeitschrift "Brigitte" etwas für Sie. Kein Scherz: Das Blatt hat gestern angekündigt, die Zusammenarbeit mit Profi-Mannequins bei den Fotoshootings einzustellen und nur noch Leserinnen zu buchen, die sogenannte Frau von der Straße soll das Profi-Mannequin ersetzen. Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit der "Brigitte"-Chefredakteurin Brigitte Huber. Guten Morgen!

    Brigitte Huber: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Ist es ein Zeichen gegen den viel diskutierten Trend zur Magersucht in der Modelszene, oder ist das eher ein zufälliges Nebenprodukt Ihrer Entscheidung?

    Huber: Es gibt verschiedene Gründe, die uns dazu bewogen haben, diesen Schritt jetzt zu gehen, ab 2010 eben keine professionellen Models mehr in der "Brigitte" zu zeigen, zumindest nicht in Fotostrecken, die wir selber produzieren. Aber natürlich ist dieses Unbehagen, dass glaube ich inzwischen die ganze Modelbranche erfasst hat, was Magersucht und so weiter angeht, ist natürlich auch bei der "Brigitte" stark ausgeprägt. Wir haben ja da tatsächlich eine Entwicklung in den letzten Jahren, die, finde ich, schon sehr kritisch zu sehen ist und ich glaube, es gibt auch niemanden – seien es die Designer, die Booker, die Fotografen –, die das wirklich mit einem lachenden Auge sehen, sondern es ist ja tatsächlich eine große Problematik geworden in den letzten Jahren.

    Klein: Verzichten Sie damit auch auf eine bestimmte ästhetische Qualität, die man zum Beispiel bestimmten Gesichtern zuspricht, weil sie auf Fotos besonders attraktiv erscheinen, oder ist das am Computer im Prinzip alles künstlich nachzubearbeiten heutzutage?

    Huber: Nein, um auf Ersteres zu kommen: Wir wollen auf keinen Fall auf die Ästhetik verzichten, ganz im Gegenteil. Sie müssen auch sehen: Die "Brigitte" ist ein Blatt, das seit Jahren, seit Jahrzehnten sehr, sehr erfolgreich zeigt, wie toll man mit Leserinnen arbeiten kann und was für tolle, wunderbare, erstklassige und glamouröse Fotostrecken man mit ihnen machen kann. Die "Brigitte" hat ja als eine der Ersten Vorher-Nachher-Strecken gehabt, und wir haben in den letzten Jahren auch ganz häufig nicht nur Leserinnen inszeniert, aber Frauen aus dem öffentlichen Leben, seien es jetzt Musikerinnen, Tänzerinnen, Sportlerinnen – mit unseren Fußballerinnen haben wir eine ganz, ganz tolle Strecke gemacht. Das bedeutet: Sie können natürlich auch, wenn Sie den Aufwand und wenn Sie tatsächlich auch die Fähigkeiten haben bei Ihrem Team, können Sie natürlich diese Bilder genauso glamourös, schön und ästhetisch inszenieren. Und das wollen und müssen wir natürlich als Deutschlands führende Frauenzeitschrift auf jeden Fall machen.

    Klein: Glauben Sie denn daran, dass es eine Art Signalwirkung geben wird, oder ist es eine solitäre Entscheidung der "Brigitte", mit der Sie sich dann auch zufrieden geben?

    Huber: Natürlich ist es erst mal eine solitäre Entscheidung für uns. Wir wollten eben diesen Spagat zum einen nicht mehr mitmachen, dass wir vorne eben diese professionellen Models zeigen, hinten aber auf die Leserin ganz stark eingehen, auf ihre Persönlichkeit, auch auf ihren souveränen Umgang mit ihrem Körper. Das ist eine Entscheidung, die wir getroffen haben, das ist auch eine Entscheidung, die damit zu tun hat, dass sich das Frauenbild ganz stark verändert hat, auch die Mode sehr stark verändert hat. Aber gleichzeitig freuen wir uns natürlich, wenn es Nachahmer gibt oder – wie wir es ja jetzt auch schon gemerkt haben, seit wir das gestern verkündet haben – was für große Unterstützung wir bekommen, auch vor allem vonseiten unserer Leserinnen. Und das ist uns natürlich, muss man sagen, am wichtigsten.

    Klein: Wenn wir davon sprechen, dass es eben in der Modelszene einen diskussionswürdigen Trend hin zur Magersucht gibt oder Tendenzen zumindest – was ist für Sie der Grund, weshalb das sozusagen sich nicht aufhalten lässt? Ist das wirklich eine probate Entscheidung, zu sagen, wir buchen einfach keine Models mehr und legen damit sozusagen die ganze Branche trocken?

    Huber: Ja, das ist für uns einfach der Schalter, den wir umlegen können. Letzte Woche zum Beispiel hat die britische "Vogue"-Chefin, was ja immerhin ein extrem etabliertes und wichtiges Blatt in der Szene ist, die "Vogue"-Chefin hat einen offenen Brief geschrieben an die ganzen Stardesigner, dass sie nicht mehr anders könnten, als eben Frauen mit herausragenden Hüftknochen und ohne Busen zu buchen, weil die Mustergrößen, die von den Designern verschickt werden, nicht mal mehr den etablierten Models passen. Das heißt, selbst eine absolute, hochklassige Modezeitschrift kommt mit diesem Dilemma nicht mehr klar. Da, glaube ich, ist schon mehr in Bewegung und nicht nur bei uns was in Bewegung. Und Sie sehen es ja auch, finde ich, in der Werbung, die Werbung versucht seit ein paar Jahren, einfach da mehr mit lebendigen, natürlichen, echten Frauen zu arbeiten. Jeder von uns kennt die Dove-Kampagne, die ja auch sehr Aufsehen erregt hat, und ich denke, es ist schon an vielen Stellen, dass sich was bewegt und dass auch die Menschen, die in diesen Branchen arbeiten, etwas bewegen wollen. Nur: Tatsächlich sind diese Spiralen, wie man sie eben kennt, oft so festgefahren, dass es ziemlich schwierig ist, den Ausgang zu finden. Für uns, für die "Brigitte", ist das jetzt der Hebel und den werden wir betätigen und wir freuen uns natürlich sehr, wenn dadurch eine Schleuse geöffnet wird auch für andere.

    Klein: Sagt die Chefredakteurin der "Brigitte", Brigitte Huber, die Frauenzeitschrift bucht in Zukunft keine Profimodels mehr.