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Brillanter Beobachter des Weltalls

Der Italiener Giovanni Domenico Cassini war einer der berühmtesten Astronomen seiner Zeit. Er hielt mit neuen, leistungsstarken Fernrohren Ausschau nach den Planeten und ihren Monden, drang dabei in ganz neue Dimensionen des Weltalls vor. Am 14. September 1712 starb er.

Von Irene Meichsner | 14.09.2012
    Giovanni Domenico Cassini war einer jener frühneuzeitlichen Wissenschaftler, die sich nach dem Umsturz des alten geozentrischen Weltbilds im Universum erst noch zurechtfinden mussten. Die amerikanische Astronomin Pamela Gay hat sich intensiv mit ihm beschäftigt:

    "Er war wirklich eine erstaunliche Persönlichkeit. Um nicht zu sagen: ein erstaunlicher Mensch. Er ist im Glauben daran groß geworden, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei. Er glaubte an die Astrologie. Und wurde dann als Erwachsener zu einem komplett auf die Wissenschaft fixierten Astrophysiker in den Anfangsjahren dieser Disziplin."

    Cassini kam am 8. Juni 1625 in Perinaldo in Norditalien zur Welt. Er wuchs bei einem Onkel auf und besuchte das Jesuitenkolleg. Mit 25 Jahren wurde er Professor für Astronomie und Mathematik an der Universität von Bologna. Außerdem arbeitete er für die Kirche als Bauingenieur. Cassini galt als brillianter Beobachter. Von dem berühmten Optiker und Astronomen Giuseppe Campani bekam er ein neues Fernrohr mit besonders starken Linsen.

    "Mit diesen erstaunlichen Teleskopen hat er sich 1665 die Planeten angeguckt. Es gelang ihm, ihre Rotationsgeschwindigkeit zu bestimmen. So konnte er sagen: 'Wow! Ein Tag auf dem Mars dauert ja ein bisschen länger als 24 Stunden.'"

    1669 folgte Cassini einer Einladung nach Paris, wo Ludwig XIV. eine neue Sternwarte bauen ließ. Cassini wurde erster Direktor dieses Observatoriums, das über mehrere bis zu 40 Meter lange Fernrohre verfügte. Damit entdeckte er unter anderem vier Saturn-Monde: Iapetus, Rhea, Dione und Tethys. In den Saturnringen fand er eine markante Lücke - die nach ihm benannte 'Cassinische Teilung'. Seit 1673 französischer Staatsbürger machte Jean-Dominique Cassini, wie er sich inzwischen nannte, schließlich eine Entdeckung, die ihn völlig irritierte. Zusammen mit dem dänischen Astronomen Ole Rømer stellte er fest, dass der Jupitermond "Io" an manchen Tagen früher beziehungsweise später aus dem Schatten des Jupiters heraustrat, als es in den Tabellen verzeichnet war. Wie war das zu erklären? Lag es an der unterschiedlichen Laufzeit des Lichts – abhängig vom jeweiligen Abstand zwischen "Io" und der Erde? Dann wäre die Lichtgeschwindigkeit eine endliche Größe – für Cassini ein ungeheuerlicher Gedanke, wie ein fiktives Streitgespräch zeigt, das er und Rømer im August 1676 in der Pariser Sternwarte so geführt haben könnten.

    Cassini: "Moment, Rømer, ihr wollt doch nicht sagen, dass ..."
    Rømer: "Doch, doch, doch! Das Licht ist nicht unendlich schnell. Es läuft mit einer bestimmten Geschwindigkeit!"
    Cassini: "Unsinn! Das kann nicht sein! Nach den Philosophen ist Licht sofort überall!"
    Rømer: "Früher stand nach den Philosophen auch die Erde im Zentrum der Welt. Seht es euch an, Direttore. Es passt alles: Wenn der Abstand zum Jupiter abnimmt, sehen wir die Monde sich einige Minuten früher verfinstern. Wenn wir uns vom Jupiter entfernen, verspäten sich die Erscheinungen der Jupitermonde."
    Cassini: "Ihr irrt! Ihr müsst irren. Es kann nicht sein, was nicht sein darf!"
    Rømer: "Nein. Das Licht ist zwar unglaublich schnell, aber nicht unendlich schnell!"

    Letztlich konnte Cassini die Idee einer endlichen Lichtgeschwindigkeit nicht akzeptieren. Hier stieß der Astronom an die Grenzen seiner Vorstellungskraft. Cassini machte noch zahlreiche Beobachtungen. Im Auftrag des "Sonnenkönigs" nahm er an Expeditionen teil, um eine genaue Karte von Frankreich zu erstellen.

    Cassini arbeitete noch im hohen Alter, bis er 1711 fast vollständig erblindete und ein Jahr später, am 14. September 1712, in Paris starb. Nachfolger als Direktor der Sternwarte wurde sein Sohn Jacques. Auf ihn folgten ein Enkel und ein Urenkel – sodass sich die Dynastie der Cassinis, die das Observatorium leiteten, über insgesamt 122 Jahre erstreckte. Die Astronomen halten die Erinnerung an die Familie auf vielfältige Weise wach. Unter anderem wurde ein Asteroid nach Giovanni Domenico Cassini benannt. Und viele neue, teils revolutionäre Erkenntnisse verdankt die Forschung der amerikanischen Raumsonde "Cassini": Sie kreist seit 2004 um den Saturn.